Politik

„Potentiell explosionsartige Ausbreitung des Feuers“ | ABC-Z

Mutter Natur müsse ihnen mal eine Pause gönnen, sagte Brice Bennett von der kalifornischen Behörde für Brandschutz noch am Sonntag. „Wir haben die Feuerwehrleute, wir haben das Wasser, wir brauchen mehr Zeit.“ Doch auch knapp eine Woche nach Beginn der verheerenden Brände in Los Angeles zeichnet sich bislang keine Entspannung der Lage ab. Bis Mittwochnachmittag soll es in den Gebieten in Palisades und Eaton abermals heftige Windböen bis zu 110 Kilometer pro Stunde geben, Meteorologen warnen vor einer „besonders gefährlichen Lage“. Die Winde könnten eine „potentiell ex­plosionsartige“ Ausbreitung der Feuer begünstigen, alle Bewohner sollten sicherstellen, dass sie in der Lage seien, Warnmeldungen zu erhalten.

Auch Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom wusste in jüngsten Interviews kaum Aufmunterndes zu sagen. Er gehe davon aus, dass die Brände in Bezug auf die Ausbreitung und den Grad der Zerstörung als schlimmste Naturkatastrophe des Landes in die amerikanische Geschichte eingehen würden, sagte er etwa. Bislang kamen nach offiziellen Angaben mindestens 24 Personen ums Leben, mehr als ein Dutzend wird vermisst. Außerdem machte der Gouverneur deutlich, es werde noch Monate und Jahre dauern, bis wieder Normalität einkehre. Newsom sagte am Sonntag, die „Herkulesaufgabe“ der Trümmerbeseitigung werde beginnen, sobald die Schäden an Tausenden Häusern begutachtet und dokumentiert worden seien. Laut ihm dauert es wahrscheinlich allein sechs bis neun Monate, Überreste und giftige Materialien zu entfernen. Man werde jedoch „effizient, transparent und kosteneffizient“ vorgehen.

Kein Strom, kein Wasser, kaputte Gasleitungen und instabile Gebäude

Die Feuerwehrleute von Los Angeles County bereiteten sich zum Wochenbeginn auf ein „Worst-Case-Szenario“ vor. Werden die Winde zu stark, könnten Löschflugzeuge abermals nicht starten. Hinzu kommt die wachsende Frustration vieler Anwohner in den Brandgebieten. Es mehren sich die Berichte, wonach Straßensperren umgangen werden, um nach persönlichen Gegenständen zu suchen, die das Feuer überstanden haben. Die Feuerwehrchefin von Los Angeles, Kristin Crowley, forderte die Einwohner am Sonntag auf, sich aus den zerstörten Gebieten fernzuhalten. Es gebe immer noch aktive Brände, keinen Strom, kein Wasser, kaputte Gasleitungen und instabile Gebäude. Die Situation sei „extrem gefährlich“. In Eaton ist das Feuer laut jüngsten Angaben nur zu rund 27 Prozent eingedämmt, in Palisades nur zu rund 13 Prozent.

„Angelenos“ sind jedoch auch alarmiert, weil Plünderer versuchen, die Ausnahmesituation zu nutzen. Am Wochenende wurde laut Medienberichten ein Mann in Malibu gestoppt, der – als Feuerwehrmann verkleidet – versuchte, in ein Haus einzudringen. Die Polizei äußerte am Sonntag in einer Pressekonferenz, es habe in nur einer Nacht knapp dreißig Festnahmen gegeben. Es gebe Personen, die „nichts unversucht“ ließen, „die Opfer dieser Tragödie auszubeuten“. Für die meisten Brandgebiete besteht inzwischen eine nächtliche Ausgangssperre. Gouverneur Newsom sagte am Sonntag, es würden weitere tausend Mitglieder der kalifornischen Nationalgarde eingesetzt, auch um die Gebiete zu sichern.

Eine gewisse Normalisierung sollte am Montag mit der Öffnung eines Großteils der Schulen im Schulbezirk von Los Angeles stattfinden; laut Behörden bleiben nur neun Schulen geschlossen. Am härtesten getroffen hat es dabei Pasadena. Dort wurden fünf Schulen schwer beschädigt oder vollständig zerstört. Den Kindern stehen Onlinelernprogramme zur Verfügung, die optional sind, aber laut Schulbezirk dabei helfen können, „den Fokus von der Tragödie abzulenken“. Abseits der Villen von Prominenten wurden auch Gegenden zerstört, in denen überwiegend Familien mit mittlerem und niedrigem Einkommen wohnen.

Die öffentliche Anteilnahme und Hilfe reißt auch knapp eine Woche nach dem Beginn des ersten Brandes nicht ab. Am Sonntag äußerte Tennisstar Coco Gauff nach einem Sieg in der ersten Runde der Australian Open ihre Anteilnahme. „Bleib stark, LA“, schrieb Gauff nach dem Spiel auf eine Kameralinse. „Vielen Dank, Feuerwehrleute.“

Kostenloses Essen für Ersthelfer und Evakuierte

Neun amerikanische Bundesstaaten haben, ebenso wie Kanada und Mexico, Feuerwehrleute zur Unterstützung nach Los Angeles geschickt. Laut Behörden sind nun etwa 1400 Feuerwehrfahrzeuge und mehr als achtzig Löschflugzeuge im Einsatz, ebenso wie etwa 14.000 Einsatzkräfte.

Die amerikanische Sängerin Beyoncé kündigte am Sonntag außerdem an, sie werde zweieinhalb Millionen Dollar über ihre gemeinnützige Organisation an Familien Spenden, die in Altadena und Pasadena ihre Häuser verloren hätten. An Ort und Stelle haben Dutzende Restaurants Aktionen gestartet, wonach Ersthelfer und Evakuierte kostenlos essen können. Beispielhaft für das enorme Maß an Anteilnahme entwickelte sich eine kleine, private Hilfsaktion am Sonntag zu einer riesigen Solidaritätsbekundung: Tausende kamen in den Santa Anita Park, in Arcadia, um Spenden abzugeben. Eigentlich hatten die Initiatoren nur geplant, einige Hundert Hotdogs an obdachlos Gewordene auszugeben.

In der Debatte stehen derweil die Dienste privater Feuerwehrleute, die einige Prominente eingestellt haben. Auf einer Straße in Pacific Palisades wurden die Auswirkungen besonders deutlich. Neben verbrannten Villen ist ein Einkaufszentrum mit Luxusmarken noch weitgehend intakt. Der Milliardär Rick Caruso, dem die Anlage gehört, hatte laut Medienberichten auf dem Höhepunkt des Feuers private Feuerwehrmänner aus Arizona eingesetzt, um das Einkaufszentrum zu retten. Nach Carusos Aussage hätten sie auch versucht, Häuser in der Nähe zu retten, jedoch ohne Erfolg. Als die Hydranten in der Gegend nicht mehr genug Wasser lieferten, hatte Caruso dann Lastwagen mit Wassertanks kommen lassen.

Derlei Einzelfälle stehen vor allem in der Kritik, weil über die möglicherweise unzulängliche Ausstattung und Reaktion der Feuerwehr diskutiert wird. Stand nicht genug Wasser zur Verfügung? Hätte man schneller mobilisieren müssen? Das alles sind Fragen, die Gouverneur Newsom zu untersuchen versprochen hat. Umso energischer hob er zu Beginn einer neuen schwierigen Woche hervor, man stehe mit allen verfügbaren Einsatzkräften bereit.

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