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Post: Drohender Kollaps bei Zustellung? Gewerkschaften fordern mehr Freizeit und Geld | ABC-Z

In dieser Woche beginnen die Tarifverhandlungen bei der Post. Die Gewerkschaft Verdi fordert sieben Prozent mehr Lohn sowie drei Extra-Urlaubstage – für Mitglieder sogar einen mehr. Die Belastungen seien stark gestiegen – die Fachgewerkschaft DPVKOM ruft bereits zu einem Streik auf.

Die Arbeit der Briefboten und Paketzusteller bei der Deutschen Post ist längst kein Spaziergang mehr durch die Wohnviertel. In Großstädten stellen die Paketfahrer der Post-Tochter DHL in einem typischen Bezirk etwa 150 Lieferungen zu und steuern dafür zwischen 60 und 90 Zustelladressen an.

Briefträger müssen ihre Fahrräder zwischendurch mit Postsendungen nachladen, weil sie sonst mit dem hohen Gewicht gar nicht mehr fahren können. Zugleich liegt der Krankenstand wegen der körperlichen Belastung der Arbeit über das Jahr gesehen laut der Fachgewerkschaft DPVKOM bei rund zehn Prozent. Nach diesen Informationen steigt die Zahl der Kündigungen durch die Beschäftigten, was wiederum zu mehr offenen Stellen führt.

Vor diesem Hintergrund beginnen Mitte der Woche die Tarifverhandlungen für rund 170.000 Beschäftigte bei der Deutschen Post AG. Die Gewerkschaft Verdi fordert sieben Prozent mehr Lohn sowie drei zusätzliche Urlaubstage.

Wer Mitglied bei Verdi ist, soll einen weiteren freien Tag bekommen. Postbeschäftigte haben anfangs einen Urlaubsanspruch von 26 Tagen im Jahr. „Die zusätzlichen Urlaubstage sind dringend notwendig für den Gesundheitsschutz der Kolleginnen und Kollegen, der Krankenstand liegt auf Rekordhöhe“, sagt Andrea Kocsis, die Mitglied im Verdi-Bundesvorstand ist.

Die Fachgewerkschaft DPVKOM, die aus dem früheren Deutschen Postverband hervorgegangen ist, tritt mit der Forderung von acht Prozent Lohnerhöhung an. Mindestens soll es nach der Vorstellung ein Monatsplus von 350 Euro geben. Auch soll ein Urlaubsgeld bereits nach dem ersten Beschäftigungsjahr gezahlt werden.

„Es kann nicht sein, dass Monat für Monat mehrere Tausend Menschen das Unternehmen verlassen, weil sie unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht mehr arbeiten können oder wollen“, sagt Gewerkschaftschefin Christina Dahlhaus. Die Zustellung bei der Post stehe vor dem Kollaps. „So schlimm wie zurzeit war es noch nie“, sagt Dahlhaus.

Beide Gewerkschaften möchten eine Laufzeit des neuen Tarifvertrags von lediglich zwölf Monaten durchsetzen. Der alte Vertrag wurde zum Jahresende 2024 gekündigt, das bedeutet, dass die Beschäftigten im Falle des Falles auch Streiks organisieren können. Verdi hat dazu eine Umfrage unter 45.000 Gewerkschaftsmitgliedern bei der Post durchgeführt.

24-stündiger Streik in Magdeburg angekündigt

Danach antworteten 67 Prozent auf die Frage, ob sie dazu bereit wären, die Forderungen mit einem Streik durchzusetzen: „Ja, in jedem Fall“. Weitere 20 Prozent sind dazu „eher bereit“. Den bislang letzten unbefristeten Streik bei der Post gab es im Jahr 2015. Die Fachgewerkschaft DPVKOM ruft bereits für Dienstag in der Niederlassung Magdeburg zu einem 24-stündigen Streik auf, um die eigenen Tarifforderungen zu betonen.

Die vergangene Tarifrunde vor zwei Jahren war nach mehrwöchigen Verhandlungsrunden mit vergleichsweise hohen Lohnerhöhungen ausgegangen. Die Gewerkschaft setzte am Ende Tariferhöhungen in allen Einkommensgruppen von durchschnittlich 11,5 Prozent durch.

In den unteren Lohngruppen und bei den Einstiegslöhnen lag das Plus sogar bei 20 Prozent für Paketsortierer und 18 Prozent bei den Zustellern. Das Einstiegsgehalt eines Postzustellers liegt bei etwa 2700 Euro brutto im Monat.

Bereits bei der Tarifrunde im Jahr 2023 hatte der Vorstand des Postkonzerns mit sinkenden Gewinnen im Zustellgeschäft von Briefen und Paketen argumentiert. Hintergrund sind geringere Briefmengen von drei bis fünf Prozent im Jahr, weil Briefe durch digitale Kommunikation ersetzt werden.

In der Zwischenzeit wurde ein neues Postgesetz verabschiedet, das auch Verbesserungen im Sinne des Konzerns und der Wirtschaftlichkeit zum Inhalt hat. Dazu zählt die längere Laufzeit in der Briefzustellung.

Zugleich hat das Postunternehmen eine Portoerhöhung zugesprochen bekommen, etwa beim Standardbrief von 85 Cent auf 95 Cent. Allerdings ist diese Erhöhung aus Sicht des Vorstandvorsitzenden Tobias Meyer zu niedrig ausgefallen und deckt nicht die Kostenerhöhung etwa bei den Löhnen und der Energie ab.

Deshalb hat der Postkonzern eine Klage dagegen eingereicht, und zwar vor dem Kölner Verwaltungsgericht gegen die für das Porto zuständige Bundesnetzagentur mit ihrem Behördenchef Klaus Müller.

Wegen der verschlechterten Aussichten hat der DHL-Konzern zuletzt eine Gewinnwarnung herausgegeben. So soll das Vorsteuerergebnis statt der zuvor geplanten bis zu 6,6 Milliarden Euro nun noch 5,8 Milliarden Euro betragen. Der Vorstand begründet dies auch mit einem sinkenden Gewinn aus dem Brief- und Paketgeschäft.

Birger Nicolai ist Wirtschaftskorrespondent in Hamburg. Er berichtet über Schifffahrt, Logistik, den Tankstellen- und Kaffeemarkt sowie Mittelstandsunternehmen.

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