Portugals Premier verliert Abstimmung über Vertrauensfrage – Politik | ABC-Z

Es war ein Scheitern mit Anlauf. Portugals Premierminister Luís Montenegro hat am Dienstagabend im Parlament die Vertrauensfrage gestellt und nach einer emotional geführten Debatte das Votum verloren. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird Staatspräsident Marcelo Rebelo nun Neuwahlen ausrufen, die im Mai stattfinden.
Den Zusammenbruch seiner seit weniger als einem Jahr amtierenden konservativen Minderheitsregierung nahm Premier Montenegro billigend in Kauf. Das mag grotesk erscheinen, denn welcher Politiker verliert schon gerne Abstimmungen? Tatsächlich steckt ein Machtkalkül dahinter. Montenegro war in den vergangenen Wochen wegen privater Machenschaften derart unter Druck geraten, dass er darauf setzte, sein politisches Überleben mit Neuwahlen zu retten.
Medien hatten aufgedeckt, dass Montenegro neben seinem Amt als Premierminister monatlich mehrere Tausend Euro Honorar mit einer Beratungsfirma namens Spinumviva kassierte, die er selbst gegründet hatte. Zwar hatte er das Unternehmen vor seinem Amtsantritt seiner Ehefrau, einer Erzieherin, sowie seinen Kindern überschrieben, aber die Beraterhonorare flossen weiter.
Der Sitz der umstrittene Firma ist die Privatwohnung des Premiers
Montenegro beharrte in den vergangenen Wochen auf der formalen Rechtmäßigkeit der Übertragung, doch blieb die Firma „eng verbunden mit seiner Aktivität als Politiker“, sagt der Lissaboner Politikwissenschaftler António Costa Pinto. „Der Transfer auf seine Frau ändert nichts“, sagt Costa Pinto, zumal der Firmensitz in Montenegros Privatwohnung angesiedelt sei. Sämtliche Klienten von Spinumviva seien „verknüpft mit lokalen Netzwerken des PSD“, Montenegros Partei, die der Union in Deutschland entspricht. Die Kundschaft von Spinumviva bestand aus Unternehmern im Norden Portugals, der Heimat Montenegros. Unter diesen war eine Casino-Betreibergesellschaft.
Seit seiner Wahl zum Vorsitzenden der konservativen Volkspartei PSD habe Luís Montenegro den Übergang vom privaten ins öffentliche Leben „auf katastrophale Weise bewältigt“, kommentierte ein Kolumnist von Expresso, der Zeitung, die wesentliche Aspekte von Montenegros Beratungsdeal ans Licht gebracht hatte.
Die Strategie des Premiers sei klar gewesen, meint Costa Pinto: Montenegro versuche, „sein persönliches Problem in ein politisches zu verwandeln. Die Neuwahlen sollen ihm dazu dienen, sich neu zu legitimieren.“ Tatsächlich schob Montenegros Partei den Grund für das Scheitern der Vertrauensfrage am Dienstag den Sozialisten zu. Montenegro kommt dabei zugute, dass seine Partei an ihm festhalten will. Staatspräsident Marcelo Rebelo hätte zwar das Recht, nach dem Votum vom Dienstag einen anderen Politiker im PSD oder auch einen Sozialisten der Partei PS mit der Bildung eines neuen Kabinetts zu beauftragen. Doch gelten Neuwahlen als sauberster Weg – auch wenn es die dritten Wahlen innerhalb von nur vier Jahren sind.
Die Strategie hat Risiken. Aber geht sie auf, verrauscht der Skandal
Montenegros Strategie, sich erneut zur Wahl zu stellen, hat zweifellos ihre Risiken. Möglicherweise wenden sich so manche Wähler von seiner Partei PSD anderen zu, beispielsweise der IL, die Ähnlichkeit mit der FDP hat. Doch selbst dann könnte es für Montenegros PSD in einer Koalition mit der IL und weiteren Splitterparteien noch immer für eine Regierungsmehrheit reichen. Sollte dieser politische Stunt gelingen, wäre der dubiose Beraterdeal zu einem Hintergrundrauschen verkümmert.
Ein Bündnis des PSD mit den Rechtspopulisten der Partei Chega ist indes nicht in Sicht. Ein solches hatte Montenegro bereits bei den Wahlen vor einem Jahr kategorisch ausgeschlossen. Davon wird er nun kaum abrücken, womöglich aber stärker rechte Positionen vertreten.
Die größte Oppositionspartei fährt im Schlingerkurs
Die größte Oppositionspartei, der Partido Socialista (PS), hat sich in dieser Gemengelage für einen seltsamen Schlingerkurs entschieden. Als zweitstärkste Kraft hatten die Sozialisten Montenegros Minderheitsregierung geduldet, Haushaltspläne mitgetragen, und dem Premier nach Bekanntwerden der Vorwürfe bei zwei Misstrauensanträgen (der Kommunisten und der Rechtspopulisten) im Parlament die Stange gehalten. Zugleich kündigte die PS-Führung jedoch einen mehrmonatigen Untersuchungsausschuss an, um die Affäre um Montenegros Beratungsfirma klären zu lassen.
An Neuwahlen schienen die Sozialisten eigentlich nicht interessiert zu sein. Deren Partei, die bis November 2023 Portugal mit absoluter Mehrheit regiert hatte, konzentriert sich aktuell auf mögliche Punktsiege bei den im September anstehenden Regionalwahlen. Unter anderem will der PS das Rathaus von Lissabon zurückerobern. Doch als Montenegro am Dienstag auf der Vertrauensfrage beharrte, votierte der PS mit Nein.
Die vielleicht größte Gefahr besteht nun darin, dass die in Portugal weitverbreitete Politikverdrossenheit weiter wächst. Davon profitierten bei den Wahlen im vergangenen Jahr die Rechtspopulisten. Mit dem Wahlkampfthema Korruption hatten sie 18 Prozent der Stimmen geholt. Man könnte also vermuten, Chega sei nun der Hauptprofiteur der gescheiterten Regierung Montenegros. Tatsächlich jedoch fällt es derzeit auch den Rechtspopulisten schwer, sich als Saubermänner zu präsentieren.
Vor gut sechs Wochen war ein Chega-Parlamentarier am Flughafen von Lissabon verhaftet und angeklagt worden. In dessen Wohnung wurden bergeweise Kleider, Gegenstände und Koffer gefunden. Koffer, die ihm nicht gehörten. Der Politiker hatte sie von Gepäckbändern des Flughafens Portela in Lissabon gestohlen, um den Inhalt online zu verkaufen.