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Porträt: „Solange es geht, möchte ich weitermachen“ – Bad Tölz-Wolfratshausen | ABC-Z

An einen Anruf erinnert sich Nikolaus Schöfmann besonders gut. „Ich bin informiert worden, dass an der Isar direkt in der Nähe von der Tattenkofener Brücke ein Obdachloser sein Zelt aufgeschlagen hat.“ Er spricht langsam, es klingt, als hätte er die Geschichte schon oft erzählt. „Dann hat sich herausgestellt, dass er schon drei Jahre dort gewohnt hat.“ Der Tisch im Wohnzimmer des 76-Jährigen ist penibel aufgeräumt, die Tischdecke präzise ausgerichtet – faltenfrei auf eine Art, die eine stille Disziplin verrät. Seit mehr als 60 Jahren engagiert sich Schöfmann für die Umwelt und für die Gesellschaft. Dafür hat er jüngst die Bezirksmedaille für „Verdienste um den Bezirk Oberbayern“ erhalten.

Der Mann im Zelt sei „im besten Alter“ gewesen, erzählt er weiter. „Er hat eine eigene Firma gehabt und ein eigenes Haus und hat alles verloren.“ Er habe ihn gefragt, ob er einverstanden sei, wenn er ihn zur Caritas bringe. Der Mann habe eingewilligt und so habe er ein Zimmer in einer Unterkunft für Obdachlose bekommen. Eines Tages sei er dann aber verschwunden gewesen. Es ist eine von vielen Geschichten, die der Geretsrieder erzählt, und ein paar Fragen bleiben dabei offen. Für Schöfmann ist es nicht entscheidend, wie eine Geschichte endet. „Wenn jemand Hilfe braucht und ich kann ihm helfen, mache ich das selbstverständlich gerne“, sagt er.

Vor ihm auf dem Tisch liegt eine geöffnete Samtbox mit der Bezirksmedaille, daneben seine Urkunde. Auch einen dicken Leitz-Ordner hat er griffbereit gelegt. Im Laufe des Gesprächs wird er immer wieder durch die Fülle von Fotos, Zeitungsartikeln und Urkunden darin blättern. Alles fein säuberlich einsortiert in Klarsichthüllen. „Ich mache das jetzt nicht nur wegen der Urkunden und der Medaillen“, sagt er und ein feines Lächeln huscht über sein Gesicht. „Sondern weil ich’s gerne mache.“

Nikolaus Schöfmann mit der Verdienstmedaille des Bezirks Oberbayern unter seinem Apfelbaum. (Foto: Hartmut Pöstges)

Schon in seiner Jugend habe er sich für den Naturschutz begeistert, sagt er. Es sind die frühen 1960er-Jahre, und der junge Schöfmann geht mit seinen Klassenkameraden Müll sammeln an der Isar. „Eine freiwillige Aktion, organisiert vom Schuldirektor“, erzählt er, „nichts Großes“, aber es habe ihn geprägt. Am Wochenende oder auch nach der Schule ist er an Parkplätzen unterwegs, wo im Sommer Hunderte Badegäste ihren Müll liegen lassen. Ein Problem, das sich über Jahrzehnte hinzieht.

„Heuer war es zum ersten Mal weniger Müll“, sagt er über die jüngste Clean-Up-Aktion „Uns stinkt’s“ an Isar und Loisach. Mehr als 60 Jahre nach seinem ersten Einsatz als Schüler ist er nun derjenige, der junge Menschen zum Saubermachen motiviert. „Wenn die Jugendlichen mitmachen bei solchen Aktionen, dann werden sie mehr sensibilisiert für Umweltschutz, Gewässerschutz, Naturschutz.“

Ihn habe in seiner Jugend auch die Mitgliedschaft bei der Wasserwacht Wolfratshausen geprägt. An der Station am Starnberger See habe er am Wochenende Dienst gemacht. „Ab 13 Jahren durften wir mitmachen. Wir haben dann auch immer geschaut, ob am Strand Müll herumliegt. Da haben wir damals schon sauber gemacht“, erinnert er sich.

Schäfmann war auch als einer von 400 Biberberatern in Bayern tätig. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Über die Jahre hat Schöfmann sich in mehr und mehr Naturschutzprojekten engagiert. Seit etwa 40 Jahren ist er Fischereiaufseher beim Wolfratshauser Fischereiverein. Auch für andere Wasserlebewesen setzt er sich ein, ist Amphibienhelfer. „Seit 20 Jahren trage ich Frösche und Kröten über die Straße, damit sie nicht überfahren werden.“

Auf die Frage, warum er sich so engagiert, antwortet er schlicht: „Weil ich sehr großen Wert lege auf eine saubere Umwelt. Das hat mich motiviert, mitzumachen beim Saubermachen.“ Und diese Einstellung präge sein Leben bis heute. Sein Engagement beschränkt sich dabei nicht nur auf den Naturschutz. „Was ich am allerlängsten mache von meinen ehrenamtlichen Sachen, ist Blutspenden“, erzählt er. „Ich habe 180 Mal gespendet.“ Leider dürfe man nur bis zu seinem 73. Geburtstag Blut spenden. „Sonst hätte ich schon noch 200 vollgemacht.“ Ein wenig Stolz schwingt in seiner Stimme mit.

Die Urkunden und Fotos in dem prall gefüllten Ordner sind sichtbare Zeichen seiner jahrzehntelangen Arbeit. Von der Isar-Loisach-Medaille bis zur Goldmedaille des Fischereiverbands Oberbayern hat er viele Auszeichnungen erhalten. „Massenhaft, auf Deutsch gesagt“, sagt er und schmunzelt. „Ich habe schon mindestens 30 Urkunden – nicht nur vom Blutspenden.“

Nikolaus Schöfmann (rechts) bei der Verleihung der Bezirksmedaille durch den Bezirkstagspräsidenten Thomas Schwarzenberger. (Foto: Wolfgang Englmaier/Bezirk Oberbayern / oh)

Diese Auszeichnungen sind für ihn offenkundig mehr als bloße Papierstücke. Sie sind Bestätigung und Antrieb zugleich. „Man sieht es ja, man kriegt doch ab und zu mal eine Anerkennung“, sagt er. „Und eine Anerkennung ist mehr wert als eine Kritik. Wenn man nur kritisiert wird, das ist nicht so schön. Da kann man dann die Motivation verlieren.“

Die Zukunft des Ehrenamts

Er hat seine Motivation an die nächste Generation weitergegeben. „Ich habe vier Söhne. Die waren natürlich immer mit dabei und herzlich eingeladen zu solchen Aktionen.“ Sein Sohn Peter sei heute aktiv beim Fischereiverein. „Der macht auch fleißig sauber.“ Es sei nicht leicht, Menschen für das Ehrenamt zu begeistern, weiß Schöfmann. „Man muss die Leute ansprechen. Und dass man mit guten Beispielen vorangeht, das finde ich das Wichtigste.“ Da die meisten Jugendlichen und Erwachsenen mit Schule oder Arbeit beschäftigt seien, müsse man „dankbar sein für jeden, der mitmacht“.

Schöfmann steht auf, verlässt das Zimmer und kehrt kurz darauf mit einem Buch zurück. Der Obdachlose von der Isar habe es verfasst. „Mithilfe einer Autorin hat er seine Geschichte aufgeschrieben“, erklärt er und schiebt das Buch über den Tisch. Der Mann sei sogar in einer Fernsehsendung gewesen. „Er wurde von der Maischberger eingeladen. Da durfte ich als Begleitperson mit.“ Dann aber sei er plötzlich weg gewesen. Habe sich das Leben genommen. „Burn-out-Syndrom.“ Schöfmann wirkt, als könne er das noch immer nicht ganz fassen, schüttelt langsam den Kopf. „Man kann in keinen Menschen reinschauen.“

Aufgaben abgeben? Zumindest nicht alle

Ans Aufhören habe er erst heuer gedacht, gesteht er. „Jetzt bin ich 76 Jahre alt und mach’ das schon sehr lange, und drum denke ich, wird es langsam Zeit.“ Einige seiner Aufgaben möchte er nun abgeben. „Nein, alle nicht.“ Seinen Job als Biberberater hat er bereits beendet. Zu hoch sei ihm das Risiko geworden, von einem der instabilen Biberdämme ins Wasser zu fallen. „Und in meinem Alter ist das im Winter nicht mehr so angenehm“, sagt er und lacht. Doch die Landschaft sauber halten, sich um Fische und Kröten kümmern, das will er auf jeden Fall weitermachen.

In seinem Garten steht ein alter Apfelbaum. Seine Äste biegen sich unter der Last der rot leuchtenden Früchte. „Der trägt sich halb tot“, sagt Schöfmann und lacht. Mit der Bezirksmedaille in der Hand stellt er sich für ein Foto vor den Baum. Der Garten passe perfekt zu jemandem, der sein Leben dem Naturschutz gewidmet hat, sagt er. „Und solange es geht, möchte ich weitermachen.“

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