Kultur

Popstar-Poster in Mädchen-Zimmer: Die Rache des Vaters | ABC-Z

Bei den einen war’s Roy Black, bei anderen Mick Jagger, und bei noch mal anderen blickten, später, die norwegischen Traumjungens von a-ha aufs Bett herab: Zumal an den Zimmerwänden junger Frauen kam einiges zusammen im Popstar-Poster. Den britischen Soziologinnen Angela McRobbie und Jenny Garber zufolge, die eine regelrechte „Bedroom Culture“-Theorie formuliert haben, ist es vom reproduzierten Künstler-Konterfei, häufig ja auch -Körper, ein kurzer Weg zum heranreifenden Begehren der jugendlichen Betrachterinnen.

Was deutschsprachigen Teenagern allwöchentlich die Bravo brachte, zum Herausnehmen und Aufhängen, ist demnach für viele Mädchen eine von nur wenigen Gelegenheiten, Männer anzusehen – während Jungs problemlos etwa auch draußen auf der Straße Mädchen betrachten könnten. Eine Umkehr des männlichen Blicks, wenigstens im Privaten.

Die Intimsphäre heranwachsender Mädchen, die meist jungen, normschönen Standards entsprechenden, diese auch mal erweiternden Männer an der Wand: Von einer psychoanalytischen Warte aus droht hier das Regiment des Vaters Risse zu bekommen, wird seine Stellung infrage gestellt, reift Konkurrenz heran. Ziemlich genau so ordnete dieser Tage die Hamburger Galerie mit Verlag St. Gertude ihr regelmäßiges „Bild des Monats“ ein: „Ein bisschen Spiel, ein bisschen Eifersucht, ein bisschen Spiel mit der Eifersucht.“

Die Tochter als Objekt der Bewunderung

Gemeint ist die des Hamburger beziehungsweise Wandsbeker, aber doch vor allem Oldenburger Grafikers Horst Janssen (1929–1995): Seine Arbeit „Prince auf Lamme-Tour 1993“ basiert auf einem Tourplakat des Sängers, Musikers, Komponisten und Produzenten Prince – dessen Fan war nämlich Janssens Tochter Lamme, eigentlich Katrin, geboren 1956. Der Grafiker lernte sie erst spät kennen: als junge Frau, die, in Kanada aufgewachsen, nicht mal seine Sprache sprach. Und doch wäre er „am liebsten ihr Idol gewesen“, lesen wir jetzt, „so wie sie seine Muse ward in jenen Jahren“.

Was genau das heißt? Was davon zu halten sein mag, wenn die Rede ist von Janssens „Irritation über die nicht zu bändigende Weiblichkeit, von der sich noch jede Vätergeneration lustvoll hat besiegen lassen“? Dieser Vater jedenfalls schlägt zurück: Er stürzt den ahnungslosen Nebenbuhler und – übermalt ihn. Aus Prince’ Tournee wird eine, die dieser Lamme zuliebe absolviere, das ist eine mögliche Lesart; zum Objekt der – eigenen – Bewunderung also macht Janssen seine Tochter. Oder ist doch auch er selbst nun im Bild versteckt, ein Selbstporträt, hindurchscheinend der eigentliche Star?

Von einem „unheimlichen Kräftemessen im Hause Janssen“ lesen wir noch. Und ja: Die Beschwörung von etwas vielleicht schon wieder Vergangenem, der verlustig gegangenen Lebendigkeit – des Popstars wie auch der Zimmerbewohnerinnen –, davon künden sie doch immer auch bereits, diese insofern unheimlichen bunten Bilder.

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