Politik

„Polizeiruf 110: Wasserwege“ aus Eberswalde | ABC-Z

Der neue „Polizeiruf“ des RBB ist ein Krimi für Liebhaber. Nicht für Krimiliebhaber, aber für Geschichts- und Ingenieurskunstfans. Auch für Interessierte an der Historie des bedeutenden Handelswegs, der seit mehr als 400 Jahren per Wasser von Rotterdam nach Klaipeda in Litauen führt. Spektakuläre Motive sind zu sehen, etwa das neue monumentale Schiffshebewerk bei Niederfinow in der Nähe von Eberswalde, das das alte, 1934 eingeweihte Hebewerk abgelöst hat.

Imposante 36 Höhenmeter sind von 100 Meter langen Schubverbänden in einer Art gigantischem Fahrstuhl zu überwinden. Das lässt selbst Romantiker unberührter Natur einen Daniel-Düsentrieb-Moment lang die Ästhetik der Technik bewundern.

Die Bildgestaltung des Films (Kamera Wolfgang Aichholzer) ist in dieser Hinsicht gelungen. Leicht surreal sehen sie aus, das alte und das neue Schiffshebewerk unmittelbar nebeneinander in der Oderlandschaft. In der Nähe liegt der Hafen von Eberswalde, gezeigt auch er als wichtiger Ort, nur scheinbar an der Peripherie der transeuropäischen Geschichte zu verorten.

Das war es auch mit den Meriten dieses Krimis, in dem es vor verschenkten Gelegenheiten und im Lauf der Handlung gänzlich uninteressant werdenden Figuren wimmelt. Zum Schluss ist die Aufklärung des ermittelten Verbrechens nur noch lästiges Beiwerk, weil eine größere Story auftaucht. Wer das Ausbleichen von Motiven bewusst zeigt, hat einen Erzählgegenstand. Hier aber werden lose Fäden unter den Handlungsteppich gekehrt. Wird schon keiner sehen. Doch, es ist überdeutlich.

Es zieht sich, wie das Leben an Bord

Hauptkommissar Vincent Ross (An­dré Kaczmarczyk), der nicht mehr ganz so Neue im deutsch-polnischen Kommissariat in der Nähe der Oder, ermittelt dieses Mal mit dem Alter-Haudegen-Kollegen Karl Rogov (Frank Leo Schröder) im Fall einer toten Studentin der Uni Eberswalde, die auf dem Finowkanal in einem Kanu erschlagen aufgefunden wurde. In Verdacht geraten ihr Professor, Milan Günschow (Robert Kuchenbuch), und ihr WG-Mitbewohner Daniel Beck (Dominikus Weileder). Warum ist das Zimmer des Opfers Sara Osiecka (Sabrina Dörries) so aufgeräumt? Ihre für die Masterarbeit im Bereich Nachhaltigkeit am Eberswalder Hafen heimlich (warum?) installierte Fotokamera sendet weiter Bilder in die Cloud.

Die Polizeiberaterin Viola Reusch (Johanna Asch) muss die Arbeit lesen, aber ihr Hirn streikt schon beim Rezitieren des einschläfernden Titels. Die Kollegen zeigen ebenfalls die Langweiligkeit, mithin den Realismus der Polizeiarbeit. Videoauswertung, KTU-Spuren-Spekulation, unergiebige Befragungen, es zieht sich. Bevor Ross, inzwischen nur noch ein Persönlichkeitsschatten seines ursprünglich divers erfundenen Selbst, auf eine Drogenspur kommt und auf Peter Günschow (Wanja Mues), den Bruder des Professors.

Ein Schwesternzwist an Bord des Hühnerfutter-Schubverbands „Edwina“ führt zu weiteren schönen Wasserwege-Bildern. Rogov ist auffällig interessiert an der Wasserschutzpolizistin Gunde Johannsen (Petra van de Voort), die ihm in einer Kneipe ihre Lebensgeschichte anvertraut. Rogov ist hin und weg, genau wie die Motivierung der Handlung. Es zieht sich, wie das Leben an Bord. Trotz vom LKA den Kommissaren verordneten Stillstands finden sie Antworten auf dem Wasser. Alles fließt.

Seit Längerem gelten „Writer’s Rooms“ als der letzte Schrei für das Gelingen eines Drehbuchs. Ein Einzelner, der die Story bestimmt, das hat für manche inzwischen Geschmäckle. Auktorialer Herrschaftsgestus versus demokratische Schwarmkreativität. Hier zeigen Seraina Nyikos, Lucas Flasch, Mike Bäuml und Felix Karolus (auch Regie) jedenfalls, dass es damit nicht weit her sein muss. Abgesehen von der Wasserstraßen- und Ingenieurspoesie ist dieser Krimi ziemlich misslungen.

Der Polizeiruf 110: Wasserwege läuft am Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten.

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