Politische Krise in Südkorea: Südkoreas verbarrikadierter Präsident | ABC-Z
Ein Rückblick: Seit der konservative Präsident Anfang Dezember das Kriegsrecht ausgerufen hat und infolge dessen von seinem Amt enthoben wurde, versuchte die Anti-Korruptionsbehörde Yoon Suk Yeol bereits dreimal zu einer persönlichen Befragung vorzuladen. Der 64-Jährige verweigerte jedoch jegliche Kooperation: Schriftliche Vorladungsdokumente ließ er ungeöffnet retournieren, Razzien seiner Büros mit Hinweis auf Militärgeheimnisse blockieren.
Die Fahnder wollten sich jedoch nicht weiter an der Nase herumführen lassen – und ließen bei der Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl ausstellen. Yoon ist schließlich kein bloßer Zeuge in der Causa, sondern der Hauptverdächtige: Ihm werden Machtmissbrauch und mutmaßlich Hochverrat vorgeworfen – Straftatbestände, gegen die ihn auch seine präsidiale Immunität nicht mehr schützen. Im Falle eines Schuldspruchs droht Yoon lebenslängliche Haft.
Überraschungsbesuch im Morgengrauen
Am Freitag schritt die Anti-Korruptionsbehörde schließlich zur Tat. Den Überraschungsmoment hatten die Behörden scheinbar auf ihrer Seite: Noch vor Morgengrauen fuhren die Fahnder in dunklen Wagen vor den Präsidentenwohnsitz im zentralen Seouler Stadtbezirk Yongsan. Zuvor hatte die Polizei bereits die Einfahrt abgesperrt, damit die rund tausend ausharrenden Yoon-Unterstützer sie nicht blockieren konnten.
Dann jedoch standen die 30 Beamten, mit 120 Polizisten im Schlepptau, vor verschlossenen Toren. Der suspendierte Präsident, mutmaßlich in einem Bunker verbarrikadiert, ließ sich zudem durch seinen Sicherheitsdienst und einer Soldateneinheit abschirmen.
Nach einer fast sechsstündigen Pattsituation gaben die Fahnder unverrichteter Dinge schließlich auf. „Wir haben festgestellt, dass die Vollstreckung des Haftbefehls aufgrund der anhaltenden Konfrontation praktisch unmöglich ist. Deshalb haben wir die Vollstreckung aus Sorge um die Sicherheit des Personals vor Ort ausgesetzt“, ließ die Anti-Korruptionsbehörde in einer Stellungnahme mitteilen. Wie es weitergehe, würde man nach einer internen Überprüfung klären. Viel Zeit bleibt allerdings nicht mehr: Am Montag bereits läuft der Haftbefehl aus.
Rückschlag für die Demokratie Südkoreas
Zumindest ist es am Freitag bis auf kleinere Rangeleien weitgehend friedlich geblieben. Dennoch waren die Ereignisse für die Demokratie des Landes ein schwerer Rückschlag. Denn längst steht der Rechtsstaat Südkoreas auf dem Spiel: Ganz offensichtlich stellt sich Yoon über das Gesetz – und bislang, so scheint es, kommt er damit sogar durch.
Als der 64-Jährige im Frühjahr 2022 knapp ins Präsidentenamt gewählt wurde, versprach er vollmundig, die hochpolarisierte Bevölkerung zu einen. Längst jedoch ist Yoon zum größten Aufwiegler der Nation geworden. Mit kruden Verschwörungstheorien versucht er weiterhin seine Kriegsrechtsentscheidung zu legitimieren und sich selbst als Opfer einer Intrige zu inszenieren.
Von Kommunisten bis zu Nordkorea-Sympathisanten beschwört er Feindbilder herauf, die weniger auf Tatsachen als auf einer schwerwiegenden Paranoia beruhen. Und wohl vorrangig darauf abzielen, von der eigenen politischen Misere abzulenken – etwa den Korruptionsvorwürfen gegen seine Ehefrau.
Doch Yoon Suk Yeol hält weiter an seinem brandgefährlichen Kurs fest. Seine Anhänger stachelt er – als angebliche Verteidiger der freiheitlichen Ordnung – zunehmend auf. So ließ Yoon noch aus seiner Residenz heraus gedruckte Briefe in Form von Flugblättern an seine Unterstützer verteilen, die während bitterer Minusgrade vor der Einfahrt kampieren. „Das Land ist durch staatsfeindliche Kräfte in Gefahr. Ich werde bis zum Ende kämpfen, um die Nation gemeinsam mit Ihnen zu schützen“, heißt es darin.
Südkorea vor dem eigenen Präsidenten schützen
Dabei steht für die absolute Mehrheit der Koreaner außer Frage, dass vielmehr die Nation vor Yoon geschützt werden muss. Denn am 3. Dezember rief der ehemalige Staatsanwaltschaft mit dem kurzzeitigen Kriegsrecht längst überwunden geglaubte, autoritäre Geister wach: So ließ Yoon das von der Opposition kontrollierte Parlament von Spezialkräften abriegeln und ordnete die Verhaftungen von Abgeordneten, Journalisten sowie Beamten der Wahlkommission an. Zeugen sprechen auch von einem Schießbefehl, den der Präsident ausgegeben haben soll.
Dass es nicht zum Äußersten kam, hat vor allem mit dem moralischen Rückgrat der Soldaten zu tun, die die Anordnungen Yoons nur äußerst passiv umgesetzt haben. Und auch dem blitzschnellen Vorgehen der Abgeordneten, die in einer Nacht-und-Nebel-Aktion eine Abstimmung organisierten, welche Yoon dazu zwang, sein Kriegsrecht wieder zurückzunehmen.
Damals schien es, als hätte Südkorea die schwerwiegendste Bewährungsprobe seiner Demokratie dank einer wachen Zivilgesellschaft und demonstrierenden Bürgern mit Bravour gemeistert. Nun jedoch wird immer offensichtlicher: Die Nachbeben der Staatskrise sind noch lange nicht ausgestanden.