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Politische Krise in Frankreich: „Die Verunsicherung ist spürbar“ | ABC-Z

Der drohende Sturz der französischen Regierung sorgt auch im Ausland für immer größere Besorgnis. Frankreich befindet sich nach Ansicht von Christine Lagarde derzeit zwar nicht in einer Lage, die ein Eingreifen des Internationalen Währungsfonds (IWF) erforderlich machen würde.

Jedes Risiko eines Regierungssturzes im Euroraum sei jedoch ein Grund zur Besorgnis, sagte die Präsidentin der Europäischen Zentralbank am Montag in einem Interview mit dem französischen Sender Radio Classique. Haushaltsdisziplin sei in Frankreich unerlässlich. Sie beobachte die Risikoaufschläge auf die Renditen der französischen Staatsanleihen, die „Spreads“, sehr genau, sagte Lagarde, die früher dem IWF vorstand, in Frankreich Finanzministerin gewesen ist und dort auch immer mal wieder für politische Positionen gehandelt wird.

Besorgnis gibt es auch bei deutschen Investoren. „Vor dem Hintergrund der Regierungskrise ist Frankreich dabei, einen großen Teil seiner in den vergangenen Jahren gewonnenen wirtschaftlichen Attraktivität zu verlieren“, sagte Patrick Brandmaier, der Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer in Paris, der F.A.Z. „Diese Entwicklung ist tragisch, da Europa gerade jetzt ein politisch stabiles und wirtschaftlich starkes Frankreich bräuchte.“ Die Verunsicherung in den Unternehmen sei spürbar. Man habe schließlich eine Regierung, die voraussichtlich gestürzt werde, einen geschwächten Präsidenten und eine prekäre Finanzlage, ohne dass ein Budget für 2026 in Sicht sei.

Vertrauensfrage am 8. September

„Die Stimmung in den Unternehmen in Frankreich ist schlecht, und dementsprechend ist auch die Stimmung in den französischen Filialen deutscher Unternehmen“, sagte Brandmaier. Die Unsicherheit führe zu einer Investitionszurückhaltung, und auch die Zurückhaltung im privaten Konsum trifft die hiesigen Verkäufe. Laufende Projekte werden nicht gestoppt. „In den innerbetrieblichen Diskussionen hinsichtlich neuer Investitionen gewinnen alternative Standorte zunehmend an Bedeutung zulasten Frankreichs, da die dortige Lage derzeit deutlich stabiler erscheint“, sagte er.

Im Ringen um einen Sparhaushalt hatte Frankreichs Premierminister François Bayrou vergangene Woche angekündigt, am 8. September die Vertrauensfrage im Parlament zu stellen. In einem Interview mit mehreren französischen Fernsehsendern betonte er am Sonntag, dass es dabei „um das Schicksal Frankreichs“ gehe. „Wenn die Regierung stürzt, bedeutet das, dass wir unsere Politik ändern werden. Wir werden eine Politik aufgeben, die für das Land von entscheidender Bedeutung ist“, mahnte Bayrou.

Einzelne Maßnahmen in seinem rund 44 Milliarden Euro umfassenden Sparpaket seien zwar diskutabel, etwa die geplante Abschaffung von Feiertagen – nicht aber die Größenordnung der Sparmaßnahmen. „Das Risiko ist unmittelbar, sobald wir die Entscheidung treffen, nichts zu tun: Zuerst explodieren die Zinssätze, dann verschlechtert sich das Rating, und eines Tages sagen Ihnen die Kreditgeber: ‚Wir geben keine Kredite mehr‘“, so der Premierminister.

Für diese Woche sind Konsultationen zwischen Bayrou und einem Teil der Oppositionsparteien angesetzt, um vor der Vertrauensabstimmung am kommenden Montag das Vertrauen der Abgeordneten zu gewinnen. Doch das Ende der Regierung scheint besiegelt. Der Chef der gemäßigt linken Sozialisten, Olivier Faure, versicherte am Wochenende, dass die Entscheidung seiner Partei, dem Premier kein Vertrauen zu schenken, „unwiderruflich“ sei. Auch die anderen linken Parteien sowie der rechtspopulistische Rassemblement National wollen die Regierung stürzen.

Anders als diese zeigen sich die Sozialisten aber zumindest kompromissbereit für die Zeit danach. Am Samstag legten sie einen Gegenhaushaltsplan vor, der mit Einsparungen in Höhe von knapp 22 Milliarden Euro deutlich milder ist. Anders als die Regierung wollen die Sozialisten das Haushaltsdefizit von zuletzt 5,8 Prozent zudem nicht 2029, sondern erst 2032 wieder unter die Dreiprozentschwelle bringen und die Rückkehr zur Rente mit 62 Jahren ermöglichen.

Die Renditen französischer Staatsanleihen liegen inzwischen oberhalb derer des früheren Eurokrisenlandes Griechenland, die Italiens befanden sich in Sichtweite. Am Montag belief sich die Rendite zehnjähriger französischer Papiere zeitweise auf 3,53, die Griechenlands auf 3,42 und die Italiens auf 3,6 Prozent. In Griechenland hatte in der Eurokrise der IWF als Teil der sogenannten Troika helfend eingegriffen und im Gegenzug rigide Reformen und Sparmaßnahmen verordnet. Mittlerweile hat die EZB ein eigenes Programm für den Fall, dass die Renditen einzelner Eurostaaten aufgrund spekulativer Engagements stark ansteigen.

Es nennt sich TPI („Transmission Protection Instrument“) und beruht auf Anleihekäufen, wurde aber bislang nie eingesetzt. Bedingung für seinen Einsatz ist, dass der Renditeanstieg nicht durch die Fundamentaldaten gedeckt ist und ungeordnet verläuft. Wenn es politische Ursachen gibt, ist etwas ungeklärt, ob man diese zu den Fundamentaldaten zählt oder nicht. Im Zusammenhang mit Frankreich gab es mehrmals Spekulationen, das Land könnte ein Fall für das Programm TPI werden, das hatte sich jedes Mal aber nicht bestätigt.

Auch die französischen Banken sind wegen der politischen Turbulenzen unter Druck geraten. Lagarde sieht die Institute des Landes aber momentan gut aufgestellt. „Ich glaube, dass das französische Bankensystem gut kapitalisiert ist, dass es in einer besseren Verfassung ist als während der letzten großen Finanzkrise, dass es gut strukturiert und gut beaufsichtigt ist und dass es verantwortungsvolle Akteure gibt“, sagte Lagarde.

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