Kultur

Politik zu NS-Raubkunst: Zum zahnlosen Tiger reformiert? | ABC-Z

Claudia Roths schnelle Auflösung der Beratenden Kommission zur NS-Raubkunst zugunsten eines Schiedsgerichts stößt auf ein geteiltes Echo.

Staatsministerin Claudia Roth muss sich wegen der Schaffung eines Schiedsgerichts erklären Foto: Carsten Koall/dpa

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) wehrt sich gegen Vorwürfe, sie würde eine gerechte Lösung bei Streitfragen zu Naziraubgut behindern. Im Gegenteil dienten ihre Reformschritte dazu, den Nachfahren bestohlener Menschen mehr Rechte zu geben. „Es sollen bestehende Hürden so abgesenkt werden, dass NS-Raubkunst schneller und einfacher zurückgegeben werden kann“, erklärte sie der taz. „Deshalb habe ich mich entschieden dafür eingesetzt, dass es nun endlich eine einseitige Anrufbarkeit geben wird und dass zudem die Provenienzforschung gestärkt wird“, sagte sie weiter.

Bisher konnte eine dazu eingesetzte Beratende Kommission nur dann tätig werden, wenn beide Seiten – also etwa ein Museum und die Nachfahren früherer Besitzer eines Gemäldes – damit einverstanden waren. Künftig soll eine Entscheidung über eine Restitution auch dann möglich sein, wenn nur eine Seite diesem Prozedere zustimmt, vereinbarte Roth mit den Kulturministern der Bundesländer. Details zu dieser Regelung werden derzeit verhandelt.

Für Unverständnis gegenüber der Neuregelung hat aber die Bestimmung gesorgt, dass die Beratende Kommission zugunsten eines Schiedsgerichts aufgelöst werden soll. Die Kommission genießt das Vertrauen potenziell Geschädigter von Naziraubtaten und besteht aus Personen des öffentlichen Lebens unter Vorsitz des ehemaligen Bundesverfassungsgerichtspräsidenten Hans-Jürgen Papier. Kommissionsmitglied Gary Smith sprach in diesem Zusammenhang von „Verrat am grundlegenden Geist der Washingtoner Prinzipien und ihrer Verfeinerung in den letzten 25 Jahren“.

Diese Washingtoner Prinzipien dienen als Regelwerk für eine im Sinne der Erben von NS-Opfern gerechte und faire Lösung von Streitfällen. Roth äußerte sich gegenüber der taz nicht zu der Frage, warum die Kommission durch ein Schiedsgericht ersetzt werden soll. „In einem in unserem föderalen System üblichen Prozess der Verständigung haben wir uns zwischen Bund, Ländern und Kommunen schließlich bei unserem Kulturpolitischen Spitzengespräch im März darauf geeinigt, diese Einführung der einseitige Anrufbarkeit mit der Errichtung einer Schiedsgerichtsbarkeit zu verbinden“, sagte sie.

Tatsächlich gilt das Verhältnis zwischen Kommission und einigen Bundesländern als zerrüttet, seit die Kommission einige umstrittene Entscheidungen zugunsten von Erben und gegen die Interessen von deutschen Museen getroffen hat.

Aus Kreisen der Kommission wird nun befürchtet, dass das projektierte Schiedsgericht ähnlich einem zahnlosen Tiger zu stark die Interessen der Museen verfolgen könnte. Zudem wird dort befürchtet, dass sich Roth die Meinung eines vor ihr bestellten Gutachters zu eigen machen könnte, nach dem jüdische Opferverbände nicht in das Schiedsgericht berufen werden sollten. Dazu erklärte Roth, es stehe für sie wie für ihre Behörde „völlig außer Frage, dass selbstverständlich Vertreterinnen und Vertreter des jüdischen Lebens in jedem Gremium vertreten sein müssen“. Roth rechnet mit einer Einigung über die Details der neuen Regelung bis zum Oktober.

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