Politik

Polit-Newcomer Péter Magyar will Viktor Orbán mit Korruptionsvorwürfen stürzen | ABC-Z


Angriff mit Korruptionsvorwürfen

Ungarischer Polit-Newcomer will Viktor Orbán stürzen

In Ungarn wird die Regierung mal wieder der Vetternwirtschaft beschuldigt. Offenbar hat die Staatsführung leer stehende Bürogebäude gekauft, die dem Schwiegersohn von Regierungschef Viktor Orbán gehören. Ein ungarischer Polit-Newcomer schlachtet den Fall aus.

Innerhalb kurzer Zeit ist Péter Magyar zum größten Herausforderer von Viktor Orbán in der ungarischen Politik geworden. Magyar ist zwar ein ehemaliges Mitglied von Orbáns Fidesz-Partei und war als Ex-Mann der langjährigen Justizministerin Judit Varga selbst ein “Günstling der alle Macht im Land kontrollierenden Regierungspartei”, wie die “NZZ” formuliert. In der Spitzenpolitik ist der 43-Jährige aber ein Newcomer.

Die erst drei Jahre alte Tisza-Partei des Juristen trifft derzeit offenbar einen Nerv beim ungarischen Volk. In nationalen Umfragen liegt die neue Partei derzeit nur noch wenige Prozentpunkte hinter Orbáns regierender Fidesz. Bei den Europawahlen im Juni trat Tisza zum ersten Mal überhaupt in ganz Ungarn zu einer Wahl an – erhielt prompt fast 30 Prozent der Stimmen und erreichte damit einen klaren zweiten Platz. Péter Magyar zog zusammen mit sechs weiteren Abgeordneten ins EU-Parlament ein.

Doch der ungarische Polit-Newcomer hat ein anderes Ziel: Er will Viktor Orbán stürzen. Ein pikanter Fall von Vetternwirtschaft soll helfen.

Pikanter Verdacht um Orbán-Schwiegersohn

Was ist passiert? In der ungarischen Hauptstadt Budapest wurden drei teure Bürokomplexe gebaut. Der Gedanke: Nach Ende der Corona-Krise würde die Wirtschaft schnell florieren und Büroräume wieder in großer Zahl gebraucht. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die ungarische Wirtschaft erholt sich nur langsam, die Inflation belastet Konsum und Nachfrage, viele Bürogebäude stehen immer noch leer. Unter anderem ein Bauvorhaben am Budapester Stadtpark drohte, zum Rohrkrepierer zu werden. Ein finanzielles Desaster für die Investoren.

Doch dann fanden Investoren und Besitzer plötzlich einen Käufer für die neuen Gebäude: die ungarische Regierung. Das sollen Dokumente belegen, die der Organisation Transparency International zugespielt wurden und die das Wirtschaftsportal Bloomberg einsehen konnte.

Pikant ist der Fall deshalb, weil der Fonds, dem die Gebäude gehörten, offenbar in Verbindung steht mit dem ungarischen Geschäftsmann István Tiborcz. Das ist der Schwiegersohn von Viktor Orbán.

Regierung über Verkäufer? “Irrelevant”

Péter Magyar wittert Vetternwirtschaft. Es handele sich um “eine Art Großzügigkeit gegenüber der Familie des Ministerpräsidenten”. Machenschaften wie diese hätten Ungarn in der Korruptionsrangliste von Transparency International auf den letzten Platz unter den EU-Mitgliedstaaten gebracht, prangert Magyar an.

Die ungarische Regierung weist die Vorwürfe zurück. Sie sagt, man wolle die Arbeitsbedingungen der Staatsbediensteten verbessern. Viele Regierungsgebäude seien veraltet. Deshalb habe man eine günstige Gelegenheit genutzt, die Bürogebäude zu kaufen, teilte das Wirtschaftsministerium gegenüber Bloomberg mit. Wer die Verkäufer sind, sei “irrelevant”, ergänzte Staatskanzlei-Chef Gergely Gulyás. Auch der Preis soll angemessen sein: “Marktüblich im regionalen Vergleich”, rechtfertigt sich Granit Asset Management, der Vermögensverwalter von Orbán-Schwiegersohn Tiborcz auf Nachfrage von Bloomberg.

Laut Berechnungen von Péter Magyar hat die Regierung für die drei Gebäude allerdings bis zu 650 Milliarden Forint ausgegeben – das sind umgerechnet etwa 1,6 Milliarden Euro. Der Orbán-Widersacher fragte zuletzt, wie es sein könne, dass die Regierung einerseits ein Sparprogramm in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Kultur ankündigt und andererseits “total unnötige Bürogebäude von Orbáns Schwiegersohn kauft”.

Magyar auch nicht unumstritten

Die starken Umfragewerte der Tisza-Partei zeigen, dass viele Ungarn das offenbar genauso sehen wie Magyar. Ob das ehemalige Fidesz-Mitglied mit seiner neuen Partei tatsächlich eine nationale Wahl gegen das System Orbán gewinnen kann, erscheint trotzdem fraglich. Noch sind die nächsten Parlamentswahlen zwei Jahre entfernt.

Und den Medienapparat hat Orbán anscheinend erfolgreich umgebaut. “Ich konnte für mehr als 210 Tage nicht im staatlichen Fernsehen auftreten. So sieht die Demokratie von Premierminister Orbán aus”, kritisierte Magyar zuletzt bei einer Pressekonferenz in Brüssel mit EVP-Fraktionschef Manfred Weber.

Aber auch Magyar ist keine unumstrittene Person. 15 Jahre nach seiner Hochzeit mit Judit Varga, von 2009 bis 2023 Justizministerin in Ungarn, gab das Ehepaar im März 2023 die bevorstehende Scheidung bekannt. Ein Jahr später, im März 2024, kam es zum Knall, als Magyar auf Facebook einen Tonmitschnitt eines privaten Gesprächs zwischen dem Ehepaar veröffentlichte, um auf Korruption in der ungarischen Regierung hinzuweisen.

Varga wirft ihrem Ex-Mann vor, sie ein Jahr lang mit der Tonaufnahme erpresst zu haben. Während ihrer Ehe sei er verbal und physisch immer wieder aggressiv geworden. Die Veröffentlichung der Tonaufnahme wenige Monate vor der Europawahl und damit kurz vor Beginn der großen Polit-Karriere hat zumindest ein Geschmäckle.

EU hält weiterhin 20 Milliarden Euro zurück

Inzwischen ist Magyars Tisza-Partei unterdessen nicht nur Mitglied des EU-Parlaments geworden, sondern auch Teil der Europäischen Volkspartei, zu der auch die CDU/CSU gehört. Anfang des Monats trat die Tisza der EVP-Fraktion im EU-Parlament bei, nachdem ausgerechnet die Fidesz vor drei Jahren ausgetreten war. Mit dem Parlament in Brüssel hat der Polit-Newcomer jetzt eine Bühne, auf der er Orbán prominent adressieren und angreifen kann. In Ungarn selbst hat Magyar in diesem Jahr Massendemonstration gegen die Regierung angeführt.

Orbán wird indes nicht zum ersten Mal der Vetternwirtschaft bezichtigt. Auch in Brüssel gibt es seit langem Bedenken. Deshalb hält die Europäische Union weiterhin 20 Milliarden Euro an Geldern zurück. Dieses eingefrorene Geld will Magyar zurückholen. Der Tisza-Chef kündigte an, dass eine Regierung unter seiner Führung anders als Orbán der Europäischen Staatsanwaltschaft beitreten und Maßnahmen gegen Korruption ergreifen würde.

Orbán selbst weist alle Anschuldigungen zurück. “Wie und wer ein Projekt abschließt, ist nicht Sache der Regierung und ich will mich auch nicht damit befassen”, sagte der ungarische Premierminister bei einer Pressekonferenz in Brüssel.

Ob Orbán das Thema aussitzen kann, wird auch davon abhängen, wie gefährlich ihm Péter Magyar tatsächlich noch wird.

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