Polen will Recht auf Asyl aussetzen können – Politik | ABC-Z
In Polen soll das Recht, einen Asylantrag zu stellen, ausgesetzt werden können. So lautet ein Regierungsbeschluss, den Ministerpräsident Donald Tusk am Mittwoch bekannt gab. „Das Recht, Asylanträge zu stellen, wird heute von den Feinden Polens ausgenutzt“, erklärte Tusk. In „Zeiten des hybriden Krieges“ sei entschiedenes Handeln notwendig. Im Falle einer Gefahr für das Land soll es vorübergehend möglich sein, das Asylrecht auszusetzen. So sieht es der Gesetzentwurf vor, der noch im Abgeordnetenhaus Sejm verabschiedet und von Präsident Andrzej Duda unterzeichnet werden muss.
Tusk hatte erstmals Mitte Oktober über seine Idee zu einer Aussetzung des Asylrechts gesprochen, es folgte ein Beschluss des Ministerrates. Polen grenzt auf etwa 418 Kilometern an Belarus, wo der mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin eng verbundene Präsident Alexander Lukaschenko diktatorisch herrscht. Seit Spätsommer 2021 gelangen regelmäßig Migranten aus Afrika, dem Nahen und Mittleren Osten und weiteren Ländern an die EU-Außengrenze zu Polen sowie Litauen und Lettland. Seit einiger Zeit auch nach Finnland.
Tusk will auch innenpolitisch ein Zeichen setzen
Wie die Regierungen der vier EU-Länder stets betonen, werden die Migranten gezielt auf diese Route gelockt und über diesen Weg in die EU geschickt, um die EU-Länder zu destabilisieren. Auch die EU-Kommission spricht von einer „hybriden Bedrohung“.
Donald Tusk möchte auch innenpolitisch ein Zeichen setzen und das Thema Flüchtlinge nicht seinem größten Konkurrenten, der rechtsnationalistischen PiS-Partei, überlassen. In seiner einjährigen Amtszeit hat Tusk den von der PiS-Regierung 2022 errichteten Zaun an der Grenze nochmals erhöhen und verstärken lassen und auch die Zahl der Grenzschützer erhöht.
Im Spätsommer und Herbst 2021 waren in kurzer Zeit Tausende Menschen über Minsk an die Grenzen zu Polen, Litauen und Lettland gekommen. Seit 2022 sank die Zahl deutlich. Die Organisation We are Monitoring zählt seit dem 18. September 2021 bis heute rund 23 000 Hilferufe, die bei einem Netzwerk von humanitären Helfern an der Grenze eingingen. Laut der Organisation starben seither 88 Menschen an der Grenze. Zudem habe es mehr als 11 000 Pushbacks gegeben, also widerrechtliche Abschiebungen von illegal über die Grenze gelangten Menschen, ohne dass diese die Gelegenheit bekommen, Asylgründe vorzubringen.
Die EU erlaubt, ausnahmsweise über das Recht hinauszugehen
Die Organisation gleicht ihre Zahlen mit denen des polnischen Grenzschutzes ab. Grenzschutz wie Helfer beobachteten einen Anstieg der Flüchtlingszahlen in diesem Frühjahr. Die polnische Regierung reagierte darauf mit verschärften Maßnahmen. Asyl erhalten jährlich in Polen etwa 10 000 Menschen, diese kommen nach Regierungsangaben seit Jahren zum größten Teil aus Belarus, Russland und der Ukraine. Die Menschen, die an der Grenze zu Belarus ankommen, stammen zumeist aus Syrien, Somalia, Äthiopien, Eritrea, Jemen, Afghanistan, Sudan und Iran.
Wie die polnische Regierung sieht auch We are Monitoring russischen Einfluss in der Migrationsfrage als gesichert an. Allerdings verweist die Organisation vor allem auf russisch gesteuerte Hass- und Hetzkampagnen gegen Flüchtlinge sowie allgemein nicht-weiße Menschen. Diese hätten auch schon zu physischen Übergriffen geführt, vermerkt die Organisation in einem vor wenigen Tagen veröffentlichten Bericht.
In Polen kritisieren Organisationen wie Amnesty oder die Helsinki-Stiftung für Menschenrechte wie auch die staatliche Ombudsstelle für Bürgerrechte die Aussetzung des Asylrechts sowie die Pushbacks scharf. Die Europäische Kommission in Brüssel hingegen unterstützt das Vorgehen Polens wie auch Finnlands, wo bereits ein ähnliches Gesetz erlassen wurde, ausdrücklich. Auch mit Geld. Insgesamt 170 Millionen Euro sollen an Polen, Finnland, die drei baltischen Länder sowie das Nicht-EU-Mitglied Norwegen ausgezahlt werden, damit diese ihre Grenzen mit elektronischer Überwachungstechnik aufrüsten können. Polen erhält mit 52 Millionen Euro den größten Anteil.
Außerdem wird den Ländern an der Grenze zu Russland und Belarus zugestanden, dass diese „ausnahmsweise und unter strengen Bedingungen“ über das geltende EU-Recht hinausgehen dürften. „Dazu könnten Maßnahmen gehören, die schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte wie das Asylrecht (…) mit sich bringen“, heißt es in einer Pressemitteilung der EU-Kommission.
Donald Tusk gehört mit seiner Partei Bürgerplattform (PO) der Europäischen Volkspartei an, ebenso wie die CDU, die Partei von Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Er wolle, sagte Tusk am Mittwoch in Warschau, während der anstehenden polnischen EU-Ratspräsidentschaft ab Januar für eine„realistischere Gestaltung der EU-Migrationspolitik“ werben.