Politik

Polen und Deutschland: Schwieriges Verhältnis – Politik | ABC-Z

Keine Fotos, keine Pressekonferenz: Bundeskanzler Olaf Scholz war am Mittwoch zum Abschiedsbesuch bei Ministerpräsident Donald Tusk in Warschau – und kaum jemand hat es bemerkt.

Das war es dann also mit den Beziehungen dieser beiden Regierungen. Es bleibt zuvor noch festzuhalten, dass die Besuche von Kabinettsmitgliedern der scheidenden Bundesregierung nicht ganz selten waren. Noch in den letzten Amtstagen kam Finanzminister Jörg Kukies vorbei, Verteidigungsminister Boris Pistorius war öfter zu Besuch, zuletzt Ende Januar. Kulturstaatsministerin Claudia Roth war erst vor einer Woche in Warschau. Polen hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne. Nun soll es einen Neustart in der deutsch-polnischen Verbindung geben, mal wieder.

Von Polen aus schaut man erwartungsvoll  auf die neue Bundesregierung. Eine Ankündigung, Taurus-Marschflugkörper in die Ukraine zu liefern, hören sie hier gern. Auch das enorme Schuldenpaket, zu dem der neuen Regierung noch der alte Bundestag verholfen hat, weckt Hoffnungen, dass es mit der Wirtschaft im Nachbarland nun wirklich bergauf geht. Der polnischen geht es zwar mit seit 2024 wieder recht stabilen Wachstumsraten um die drei Prozent gut, aber mit starken deutschen Partnern ginge es ihr noch besser.

Guter Wille im Koalitionsvertrag

Nicht nur der Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft, sondern auch polnische Kommentatoren und das Deutsche Polen-Institut in Darmstadt freuen sich über die explizite Erwähnung Polens im Koalitionsvertrag von Union und SPD. So sollen die Verkehrswege nach Polen und Tschechien zügig besser ausgebaut werden − eine ewige Forderung in beiden Ländern, die ihren Teil erledigen. Außerdem heißt es im Vertrag: „Ebenso wollen wir die Freundschaft zu unserem östlichen Nachbarland Polen weiter ausbauen.“ In den Sätzen vorher wird die Bedeutung der Beziehung zu Frankreich hervorgehoben. Das Weimarer Dreieck, das aus diesen drei Ländern besteht, solle sich häufiger beraten, die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit „gestärkt“ werden und ein Gedenkort für die polnischen Opfer der NS-Zeit „rasch“ entstehen.

Das sieht nach einem guten Anfang aus. Der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz hatte bereits im deutschen Wahlkampf, während der Rückreise nach einem Besuch in Kiew, in Warschau vorgesprochen. Und als sich manche Medien in Polen empörten, dass Donald Tusk zu einem Abschiedsbesuch von Joe Biden in Berlin, bei dem auch der Franzose Emmanuel Macron und der Brite Keir Starmer anwesend waren, nicht eingeladen war, da beeilte sich Merz diese Nichteinladung als Fehler zu bezeichnen.

Die Parteien von Friedrich Merz und Donald Tusk sitzen im Europaparlament in derselben Fraktion, jener der Europäischen Volkspartei. Das kann die Kommunikation zu manchen Themen erleichtern. Polen erwartet vor allem mehr Entschlossenheit in der Verteidigung und Unterstützung  bei den eigenen Maßnahmen, die Grenzen von EU und Nato zu schützen. Wie genau das aussehen könnte, ist offen. Außerdem lehnen Tusk und seine Partei Bürgerplattform – wie die meisten polnischen Parteien – den Asylkompromiss der Europäischen Union ab. Dass Friedrich Merz illegale Zuwanderung künftig radikal beschränken will, ist genau die Haltung, die man sich in Warschau wünscht.

Nur bringt das auch eine Maßnahme mit sich, welche Polen schon jetzt massiv ärgert: Grenzkontrollen. Tusk nennt sie „inakzeptabel“. Polnische Arbeitspendler und Grenzstädte wie Zgorzelec und Słubice, die Schwesterstädte von Görlitz und Frankfurt (Oder), klagen über Staus, halten das Vorgehen der Deutschen für so unfreundlich wie ineffizient.

Im polnischen Wahlkampf sind Vorbehalte gegen Deutschland populär

Wie gern sich Tusk mit seinem voraussichtlich neuen Gegenüber Merz sehen lassen wird? In Polen ist Präsidentschaftswahlkampf, am 18. Mai findet der erste Wahlgang statt.  Mit guten Beziehungen zu Deutschland, so offensichtlich auch die Überzeugung der liberalen und proeuropäischen Kandidaten, kann man dabei nur verlieren, das wurde vor wenigen Tagen in der ersten Fernsehdebatte deutlich. Die Antworten auf die Frage, wohin denn die erste Auslandsreise gehen solle, sprachen Bände: Nach Berlin will keiner.

Und auch nicht nach Kiew. Das kann nach der Wahl zwar anders aussehen. Aber auch der in Umfragen deutlich in Führung liegende liberale Warschauer Bürgermeister Rafał Trzaskowski – Kandidat Donald Tusks – , traute sich nicht, eine der beiden Städte zu nennen. Womöglich liegt der Grund in der Angst vor Angriffen der rechtsnationalistischen PiS-Partei, die US-Präsident Donald Trump die Treue hält und zum ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij auf Abstand gegangen ist.

Und Berlin? Rafał Trzaskowski bekam von seinem Hauptgegner Karol Nawrocki, dem Kandidaten der PiS-Partei, entgegengeschleudert: „Ich werde kein Kammerdiener Deutschlands sein.“ Nawrocki wiederholte, dass Tusk – er gehört derselben Partei an wie Trzaskowski – gemeinsam mit der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Pakt mit Russland geschlossen habe. Die PiS-nahe Tageszeitung Gazeta Polska schrieb in dieser Woche, Deutschland greife in die polnischen Präsidentschaftswahlen ein. Es gehe um einen „schleichenden Staatsstreich“, der vom deutschen Botschafter Viktor Elbling in Warschau überwacht werde.

Solche Dinge werden nun seit Jahren vor allem aus PiS-Kreisen verbreitet und haben in Wahlkämpfen immer wieder Konjunktur. Mit dem Ergebnis, dass Tusk, Trzaskowski und alle anderen exponierten Politiker vieles vermeiden, was ihnen als Deutschlandnähe vorgeworfen werden könnte. Anfang Mai, also möglicherweise am 8. Mai, dem 80. Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland, soll in Berlin nun immerhin ein „vorläufiges“ Denkmal für die polnischen Opfer der NS-Herrschaft eingeweiht werden. Das hat Kulturstaatsministerin Claudia Roth angekündigt.

Geplant ist seit Jahren ein ständiges Denkmal, das durch eine Informations- und Begegnungsstätte ergänzt werden soll. Um deren Ausgestaltung gibt es allerdings noch erhebliche Dissonanzen. Mit der Einrichtung des Gedenkorts kommt die Bundesregierung einer langjährigen polnischen Forderung nach, sich zu beeilen. Zumindest einige wenige Zeitzeugen sollen ja die Eröffnung noch erleben. Auf polnischer Seite wird schon ausgerechnet, dass ein zukünftiger Bundeskanzler Friedrich Merz nach seiner Wahl Anfang Mai an diesem Denkmal stehen könnte. Das wäre ein Zeichen, das man gern sähe in Polen. Bleibt die Frage, ob Donald Tusk sich trauen würde, neben ihm zu stehen.

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