Plüsch in Moll: Khatia Buniatishvili spielt Rachmaninow | ABC-Z

Irgendetwas Besonders ist bei den Gastspielen von Khatia Buniatishvili bislang immer noch passiert. Schließlich will frau sich nicht langweilen. Schauplatz des jüngsten Streichs: das Klavierkonzert Nr. 2 von Sergej Rachmaninow. Beteiligte: der Dirigent Fabio Luisi und ganz viele dänische Musikerinnen und Musiker.
Erstes Täuschungsmanöver: Die Pianistin läutet mit schweren Glockenschlägen den gravitätischen Beginn des Kopfsatzes ein. Sogar die Haare fliegen pittoresk. Das Danish National Symphony Orchestra unter Luisi folgt dem eindeutigen Signal. Kostbarer Plüsch in Moll. Doch dann, wenn das Klavier sich mit der Begleitung eigentlich in ein wohliges Wellenbad senken sollte, macht Khatia Buniatishvili etwas höchst Ungewöhnliches: Sie nimmt ihr Spiel vollkommen zurück. „Das Orchester ist zu laut“, entfährt es der Hörerin hinter dem Kritikerplatz vernehmlich.
Sie streichelt die Tasten
Tatsächlich führt das Versteckspiel der georgischen Pianistin zu unerwarteten Effekten: Obwohl die Dänen keineswegs unsensibel auftreten, übertönen selbst tiefe Flöten, Klarinetten und Fagotte, sonst selbst vom klanglichen Verschwinden bedroht, den Steinway.
Sollte Fabio Luisi irritiert sein, lässt er es sich nicht anmerken. Das wiederum scheint seine Pianistin herauszufordern. Selbst bei expressiven oder gebieterischen Solopassagen wie den rauschenden Kadenzen schlägt Khatia Buniatishvili die Tasten nicht an, sondern streichelt sie supersanft – als würde sie sagen wollen: „Schauen wir doch einmal, wie hellhörig die Isarphilharmonie tatsächlich ist“. Im Pianissimo schimmert ihr Ton wie eine einsame Kerze, zumal die linke Hand das Instrument kaum mehr zu berühren scheint. Ihr Fortissimo donnert nicht, sondern ist stecknadelfein pointiert. Möchte sie Luisi zu einem spontanen Wettkampf der leisen Töne provozieren?
Bei Mahler geschärfte Kanten
Wie dem auch sei: Der Dirigent weicht von der gemeinsam erarbeiteten Konzeption nicht ab. Temporückungen werden, wie einstudiert, von beiden Parteien zu krassen Schnitten umgewidmet, ohne, dass die Koordination wackelt. Man merkt, dass Luisi das dänische Orchester, dem er seit 2016 vorsteht, gut kennt. Doch im Ganzen wird aus dem Solokonzert hier eher eine Symphonie mit obligatem Klavierpart.
Mit der ersten Zugabe, der „Consolation“ Nr. 3 Des-Dur von Franz Liszt, scheint Khatia Buniatishvili noch einen verschmitzten Gruß an ihre Mitstreiter zu senden, verträumt aus der Ferne einschwebend: Sehr ihr, so hypersensibel hättet ihr spielen sollen.
Zeigt sich auch Fabio Luisi dieser subversiven Flexibilität nicht ganz gewachsen, findet er im zweiten Teil zu gewohnter Geistesgegenwart zurück. In der Symphonie Nr. 1 von Gustav Mahler schärft er – ohne Taktstock – lustig die Ecken und Kanten des Frühwerks, entdeckt mit den Streichern reizvoll kratzende Geräuschhaftigkeit, stachelt die Bläser des Danish National Symphony Orchestra zu bildhaft rustikalen Soli an. Dass manche auch hier Schwierigkeiten haben, im Pianissimo wie flüsternd einzusetzen, darf man hier der Akustik der Isarphilharmonie ankreiden, die es gerade den Bläsern wirklich nicht leicht macht.