Plötzlich weniger sesshafte Wölfe in Hessen | ABC-Z

In Hessen ist die Zahl der sesshaften Wölfe erheblich gesunken. Nachdem es schon im vergangenen Jahr weniger feste Gebiete gab, in denen Wölfe lebten, sind es aktuell nur noch drei Territorien im gesamten Land. 2022/2023 waren noch sieben gezählt worden. Das hat das hessische Wolfszentrum auf Nachfrage mitgeteilt. Dementsprechend haben Wölfe weniger Nutztiere gerissen. Auch einen sogenannten Problemwolf gibt es in Hessen nach Auskunft von Luisa Traut, Biologin und Sprecherin des Wolfszentrums, nicht mehr. Das wird aber wahrscheinlich nicht so bleiben.
Es ist schwierig zu bestimmen, wie viele Wölfe tatsächlich dauerhaft in Hessen leben. Laut Traut gelten derzeit vier Tiere als sesshaft im Land. Dazu zählen der Rüde und die Fähe (weiblicher Wolf) in Rüdesheim, die vergangenes Jahr Nachwuchs bekommen haben, die Greifensteiner Wölfin und der Rüde in Spangenberg. „Bereits im Monitoring-Jahr 2023/2024 hatten wir nur noch fünf Territorien, und 2024/2025 sind es wahrscheinlich nur noch drei“, sagt Traut. Sie schränkt jedoch ein, dass die Auswertung des jüngsten Monitoring-Jahres noch nicht komplett abgeschlossen sei.
Wolfspopulation unterliegt starken Schwankungen
Dazu muss man wissen, dass ein solches Monitoring-Jahr immer vom 1. Mai eines Jahres bis zum 30. April des Folgejahres gilt und sich an einem „Wolfs-Jahr“ orientiert. Bis die endgültige Auswertung erfolgen kann, müssen noch einige Fotofallen-Daten gesichtet werden. Traut ergänzt: „Sehr wahrscheinlich gibt es nur noch die Territorien Rüdesheim, Spangenberg und Greifenstein.“ Die früheren Territorien Butzbach und Ludwigsaue seien voraussichtlich weggefallen.
Die Biologin bestätigt, dass der aktuelle Trend insgesamt weniger Wölfe in Hessen bedeutet. Zuvor war die Zahl der Tiere noch bis 2023 gewachsen und hatte massive politische Diskussionen in Bezug auf Wolfsrisse und daraus resultierende Ängste der Weidetierhalter ausgelöst. Im Landtagswahlkampf hatten sowohl Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) als auch die FDP und die AfD klar dafür geworben, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen.
Warum plötzlich weniger Wölfe durch Hessens Wälder streifen, ist nicht einfach zu erklären. „Das sind ganz normale populationsdynamische Verschiebungen, die haben wir auch in anderen Bundesländern gesehen“, erklärt Traut und fügt an: „Wenn es noch nicht so viele etablierte Tiere gibt, kann das mal vorkommen.“ Dies bedeute aber nicht, dass es auf lange Sicht weniger Wölfe in Hessen geben werde, denn es könne durchaus sein, dass deren Zahl wieder steige.
„Das kann nur die Zukunft zeigen, in Bayern oder in Mecklenburg-Vorpommern gab es diese Verschiebungen ebenfalls“, berichtet sie. Traut geht zudem davon aus, dass diese Entwicklung nichts damit zu tun hat, dass sich die Lebensumstände für die Raubtiere verschlechtert haben könnten.
Weniger Wölfe führen zu weniger Übergriffen
2023/2024 war es gelungen, 18 verschiedene Wölfe in Hessen nachzuweisen. Viele dieser Tiere seien aber nur ein einziges Mal identifiziert worden. Es habe sich also wahrscheinlich nur um durchziehende Beutegreifer auf Wanderschaft gehandelt. „In Hessen gibt es noch einen Sonderfall, weil bei uns immer wieder der Rüde und die Fähe aus dem Flecken nachgewiesen werden“, sagt Traut. Diese beiden Tiere wurden früher auch in Hessen gezählt, sind jedoch in Bayern ansässig und halten sich hauptsächlich dort auf dem Truppenübungsplatz Wildflecken in der Hohen Rhön auf.
Für Schäfer und andere Weidetierhalter bedeuten die aktuellen Zahlen eine Entlastung. Nachdem 2023 noch 46 Übergriffe und 118 gerissene Tiere gemeldet worden waren, sind laut Traut im vergangenen Jahr nur noch acht Wolfsübergriffe mit 18 gerissenen Tieren gezählt worden. In diesem Jahr wurden allerdings schon 36 Tiere bei sieben Übergriffen von Wölfen gerissen. „Aber auch hier sind noch nicht alle genetischen Nachweise erfolgt, weswegen die Zahlen für 2025 mit Vorsicht zu genießen sind“, so die Biologin. Der Zusammenhang sei jedoch klar: Weniger Wölfe führen zu weniger Übergriffen.
Der größte Feind der Wölfe ist das Auto, und im vergangenen Monitoring-Jahr wurden drei Tiere auf Hessens Straßen überfahren. In diesem Jahr wurde ein Wolf Opfer des Verkehrs. Illegal geschossen wurde kein Wolf, wenngleich von einem Tier nur Knochen gefunden wurden und die Todesursache daher nicht feststeht. Sogenannte Problemwölfe gibt es derzeit in Hessen laut Traut nicht mehr. Die Fähe im Spessart im Main-Kinzig-Kreis galt als Problemwölfin und hatte viele Nutztiere gerissen. Sie jagt dort nicht mehr. Wo diese Wölfin ist, weiß auch Traut nicht.
Familienzusammenführung in Greifenstein
Vergangenes Jahr war eine Problemwölfin im hessisch-bayerischen Grenzgebiet mit Ausnahmegenehmigung geschossen worden, was zu massiver Kritik von Tierschützern geführt hatte. Obwohl der Wolf Ende 2024 in das Jagdrecht aufgenommen wurde, wird sich laut Traut im Umgang mit ihm erst einmal nichts ändern, denn dazu müsse die EU ihre gefassten Beschlüsse in Kraft setzen.
Wölfe können nachts bis zu 80 Kilometer weit wandern, was wohl dazu geführt hat, dass es so etwas wie eine Familienzusammenführung in Greifenstein gab. „Wir konnten dort den Wurfbruder der dort lebenden Wölfin genetisch nachweisen, der eigentlich in Hachenburg im Westerwald sesshaft ist“, sagt Traut.
Von diesem Rüden wurden auch zwei Nachkommen nachgewiesen, wobei einer davon zu den toten Wölfen gehört. Der Besuch aus Hachenburg ist aber schon wieder weg. Die Raubtiere sind schwer zu fassen, weil sie so viel unterwegs sind. Ein in Hessen 2024 identifizierter Wolf wurde beispielsweise gerade erst in Dänemark entdeckt.
Um die Arbeit des Wolfszentrums zu unterstützen, werden Wanderer, aber auch Weidetierhalter bei jeder Sichtung oder auch nur Spuren von Wölfen gebeten, sich an das Zentrum zu wenden. Die jeweiligen Hotlines sind unter www.wolfszentrum.hessen.de zu finden. „Wir sind über jeden Hinweis dankbar“, stellt die Biologin klar.