Plötzlich erlebt Berlin das ganz besondere Chester-Gefühl | ABC-Z

Berlin. Am Mittwochabend feiert die US-Rockband ihr Comeback im Berliner Olympiastadion – mit neuer Besetzung und emotionaler Achterbahnfahrt.
Überfüllte S- und U-Bahnen Richtung Olympiastadion, Menschenmengen auf den plötzlich viel zu klein erscheinenden Bahnsteigen – ein Anblick, den man sonst eher von Fußballabenden in der Hauptstadt kennt. Doch am Mittwoch sieht man hier kein Meer aus Hertha-Trikots, sondern Linkin-Park-Shirts. Denn die Band mit Legendenstatus ist nach langer Zeit zurück in Berlin.
Als auf der schwarzen Leinwand der Bühne ein Timer von zehn Minuten hinunter zählt, sind bereits die ersten Schreie durch das Olympiastadion zu hören. Ein stimmungsvolles Intro und ein einschneidender Gitarrenakkord kündigen Sänger Mike Shinoda und seine Bandkollegen an, die unter Jubel die Bühne betreten. Dann kommt Emily Armstrong – ganz in schwarz und mit Sonnenbrille.
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Noch bevor Shinoda mit seinem Rap anfängt, gibt es kein Halten mehr im Publikum. Der Song ihres zweiten Studioalbums „Meteora“ bringt genau das bisschen Nostalgie zum Anfang des Abends, was die Band für viele so einzigartig macht: Wut und Verletzlichkeit, gepaart mit einer energiegeladenen Performance. Schnell wird deutlich: Linkin Park ist zurück.

Fans beim Konzert von Band Linkin Park im Berliner Olympiastadion.
© Fabian Sommer/dpa | Fabian Sommer
Linkin Park: „From Zero” markiert Neuanfang
Nach sieben Jahren Pause, in der wohl viele Fans bereits nicht mehr an eine Rückkehr der Alternative-Rock-Legenden geglaubt haben, veröffentlichte Linkin Park im November vergangenen Jahres mit „From Zero” ihr insgesamt achtes Studioalbum. Ein Titel, der nicht nur den ursprünglichen Namen der kalifornischen Band („Xero”) würdigt, sondern auch sinnbildlich für einen Neuanfang stehen soll.

Emily Armstrong begeisterte die Fans im Berliner Olympiastadion.
© Fabian Sommer/dpa | Fabian Sommer
Denn musikalisch ist das Album nicht nur der Beginn einer neuen Ära, sondern auch das erste ohne den ehemaligen Frontmann Chester Bennington, der 2017 seinen langen Kampf gegen die Depressionen verlor. Nur etwa einen Monat zuvor spielte die Band das vorerst letzte Konzert ihrer „One More Light”-Tour in Deutschland, in der Mercedes-Benz (heute Uber) Arena in Berlin.
„Seid echt die Besten”: Shinoda überzeugt mit überraschender Ansprache auf Deutsch
„Ich liebe euch”, begrüßt Armstrong ihre Fans und stellt ihnen direkt ihre Deutschkenntnisse unter Beweis. Doch die 39-Jährige ist anscheinend nicht die einzige, die auf Deutsch beeindrucken möchte. Kurzerhand holt Shinoda einen Zettel heraus und bedankt sich prompt mit einer Hommage an die Hauptstadt: „Ihr seid echt die besten und habt echt die beste Currywurst” – eine Aussage, die in Berlin erwartungsgemäß gut ankommt und für ein paar Lacher sorgt. Danach wechselte die Band nahtlos zum Chartstürmer „The Emptiness Machine”, der von vielen bereits erwartet wurde.

Mike Shinoda (l.) und Dave Farrell von Linkin Park.
© Fabian Sommer/dpa | Fabian Sommer
Die Nähe zu ihrem Publikum, selbst in einem riesigen Stadion, ist Linkin Park offenbar sehr wichtig. Immer wieder geht Mike zur Barrikade. Ein Fan kann sich besonders glücklich schätzen und tauscht seine seine signierte Cap gegen ihre.
Neues Album ohne Bennington: Was sich seit „From Zero” geändert hat
Nach dem plötzlichen Tod des charismatischen Leadsängers wurde es lange ruhig um Linkin Park, der Rest der damaligen Tournee vorzeitig beendet. Zu groß waren der Verlust und die Frage, wie es um die Zukunft der Band steht. War es überhaupt möglich, eine neue Stimme zu finden, die dem Vermächtnis von Chester Bennington gerecht wird? Ein Prozess, der laut Sänger Mike Shinoda „auf natürliche Weise” passieren müsse, wie er bereits 2019 in einem Interview bekannt gab.
Dann, im August vergangenen Jahres, versetzte ein 100-stündiger Countdown Fans weltweit in den Ausnahmezustand: War es das lang ersehnte Comeback, ein neues Album? Spekulationen, die Anfang September dann bestätigt wurden. In einem live-übertragenen Event aus Kalifornien wurden Colin Brittain als neuer Drummer und Emily Armstrong der US-Rockband Dead Sara als neue Co-Vocalistin offiziell vorgestellt. Linkin Park hat damit zum ersten Mal eine starke Frontfrau – und erntete daraufhin viel Kritik.
Doch falls bis jetzt noch Zweifel an der Besetzung Armstrongs bestanden, werden diese an dem Abend auf jeden Fall direkt beseitigt.
Bei Songs wie „Numb” und „In the End” beeindruckt nicht nur Mike Shinodas Rap-Part, den die Fans Wort für Wort mitsingen können. In Songs wie „Two Faced” zeigt die Frontfrau mit ihrer vielseitigen Stimme, wie geradezu mühelos sie zwischen ausdrucksvollen Schreiparts und hohen Tönen wechseln kann – eine würdige Besetzung, die durch ihren Stil für frischen Wind sorgt.
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Zum Ende des Abends wird es dann doch noch einmal emotional. Als Armstrong und Shinoda den Song „Let you Fade“ ihres neuen Albums anstimmen, ist die besondere Atmosphäre sofort zu spüren. Das ganze Stadion steigt bei den Zeilen „I remember you / even if the memories start to fade” mit ein und verleiht dem Song eine hoffnungsvolle Atmosphäre, die viele als ein berührendes Tribut an Chester sehen.
Emotionaler Abschied in Berlin: „Wir lieben euch”
Zwei Stunden Linkin Park – für viele im Olympiastadion ist das offenbar noch nicht genug. Mit einer Mischung aus alten Klassikern und neuer Musik aus „From Zero” beweist die Alternative-Rock-Band, dass sie bereit für einen Aufbruch ist, ohne Chesters Person in Vergessenheit geraten zu lassen.
Als die Band die Bühne verlässt, sind von allen Seiten „Zugabe”-Rufe zu hören. „Berlin, wir lieben euch. Wir können es nicht erwarten, zurückzukommen”, kündigt Mike Shinoda kurz vorher zum Abschied an. Ein leeres Versprechen? Wohl kaum.