Pläne für fossile Energieproduktion sprengen Klimaziele | ABC-Z

Die Weltgemeinschaft will laut Pariser Klimaabkommen die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad begrenzen. Aber sie will auch mehr Kohle, Erdgas und Erdöl produzieren. Das passt nicht zusammen, kritisiert ein neuer Bericht.
Die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen – zehn Jahre nach dem Pariser Abkommen zweifeln viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass sich dies noch umsetzen lässt. Zu wenig ist seither in Sachen Klimaschutz passiert.
Blickt man auf die weltweiten Produktionsziele für Kohle, Erdgas und Erdöl, verblassen die 1,5 Grad noch stärker: Die 20 größten Förderer fossiler Energien planen mehr als die doppelte Menge dessen, was dafür noch verträglich wäre. Das ergibt der heute erschienene “Production Gap Report” mehrerer internationaler Forschungsinstitute.
Der Bericht setzt in seiner fünften Ausgabe die Pläne der Länder, die zusammen für 80 Prozent der globalen fossilen Brennstoffproduktion verantwortlich sind, ins Verhältnis zur errechneten Menge, die noch klimaverträglich wäre. “Bis 2030 ist eine um 120 Prozent höhere Produktion geplant, als mit einem 1,5-Grad-Szenario vereinbar wäre”, sagt Derik Broekhoff, einer der Autoren vom Stockholm Environment Institute. Um die Erderwärmung zumindest noch auf zwei Grad zu begrenzen, sind es 77 Prozent zu viel.
Hunger nach Energie
Zwar wird mittlerweile so viel Strom aus Wind und Sonne erzeugt wie noch nie. Aber wachsende Volkswirtschaften wie China oder Indien verlangen nach sehr viel mehr Energie, ebenso wie die zusätzliche, für den KI-Boom weltweit installierte Rechenleistung.
Trotz des globalen Erneuerbaren-Aufschwungs steigt deshalb auch die Nachfrage nach Kohle, Erdgas und Erdöl. Die Tendenz zeigt eindeutig nach oben. Die Lücke zwischen dem, was für den Klimaschutz nötig ist, und den tatsächlich geplanten Mengen ist seit der vorherigen Ausgabe des Berichts 2023 um etwa zehn Prozentpunkte gewachsen.
“Zehn Jahre nach dem Pariser Abkommen liegen erneuerbare Energien weit vorn. Anstatt ins Rennen einzusteigen, stolpern Regierungen rückwärts in unsere fossile Vergangenheit”, kritisiert Mitautor Olivier Bois von Kurs vom Internationalen Institut für nachhaltige Entwicklung.
Kohle befeuert den CO2-Ausstoß kurzfristig am stärksten. Allerdings rechnen die Forschenden damit, dass deren globale Produktion noch vor 2030 sinkt. Für Gas und Öl erwarten sie dagegen ein anhaltendes Wachstum bis 2050.
Beim Umstieg auf erneuerbare Energieformen gilt Erdgas als Übergangsbrennstoff, um das Stromnetz bei Schwankungen in der Erzeugung von Wind- und Sonnenenergie zu stabilisieren. Derik Broekhoff sieht deshalb eine Herausforderung darin, perspektivisch Strom ohne Gas zu erzeugen. “Andernfalls besteht das Risiko, hohe Gasmengen und damit höhere Emissionen langfristig festzuschreiben.”
Langfristig wächst der Druck
Die wichtigsten fossilen Förderländer planen auch die größten Steigerungen bis 2030: Russland, Katar und die USA wollen die Erdgasförderung ankurbeln, Indien und China den Kohleabbau stark erhöhen, Saudi-Arabien, Brasilien und ebenfalls die USA deutlich mehr Öl aus der Erde pumpen.
Selbst wenn die Welt dann in den 2030er-Jahren den Verbrauch fossiler Brennstoffe deutlich senkt, hätte sie bis dahin schon zu viele Treibhausgase für das 1,5-Grad-Ziel ausgestoßen, warnt Neil Grant vom Forschungsinstitut Climate Analytics, der ebenfalls zu den Autoren des “Production Gap Reports” gehört: “Wenn es uns nicht gelingt, die Produktion fossiler Brennstoffe schnell zu halbieren, wird die Dringlichkeit nach 2030 größer, die Emissionen dann noch schneller zu senken. Jedes Jahr Verzögerung erhöht den langfristigen Druck, fossile Brennstoffe zu reduzieren.”
“Drill Baby, drill”
Deutschland spielt bei der Produktion fossiler Brennstoffe zwar nur eine kleine Rolle und kommt deshalb im Bericht nicht vor. Aber auch hierzulande gibt es Diskussionen, ob neue Erdgasfelder erschlossen werden, zum Beispiel im Wattenmeer vor Borkum oder in Bayern.
Pao-Yu Oei, der an der Universität Flensburg zum fossilen Ausstieg forscht, sieht dafür mit Blick auf die Energiewende keinen Bedarf. “Man darf nicht in neue Bohrinseln oder neue LNG-Terminals investieren”, warnt er. Hätten die Investoren erst mal viel Geld in neue fossile Infrastruktur gesteckt, wollten sie die auch lange nutzen. Das werde den nötigen Ausstieg erschweren. “Aber in der Atmosphäre ist einfach kein Platz mehr für zusätzliche CO2-Emissionen.”
Der Bericht kritisiert auch, dass viele Staaten noch immer klimaschädliche Brennstoffe subventionieren und so neue Abhängigkeiten schaffen. Derzeit sind die USA größter Öl- und Gasproduzent der Welt. Aber Präsident Donald Trumps Aufforderung “Drill Baby, drill” zu noch mehr Bohrungen sind im aktuellen Bericht noch gar nicht enthalten. Gut möglich also, dass die Lücke noch größer wird zwischen den weltweiten Abbauplänen und dem, was für wirksamen Klimaschutz höchstens noch verbrannt werden darf.





















