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Pionierin im Sportjournalismus: Ohne den eigenen Namen | ABC-Z

A ls die kleine Wil Jansen am 28. März 1931 geboren wurde, hätten sich ihre Eltern das wohl kaum vorstellen können: dass aus ihr nicht nur die erste Fußballreporterin der Niederlande werden würde, sondern auch eine feministische Aktivistin, die sich später in der Gruppierung Dolle Minna für die gesellschaftliche Teilhabe älterer Frauen engagieren würde.

Sie war eine gute Schwimmerin und spielte dazu mit Nachbarjungen in einem Straßenfußballteam, außerdem besuchte sie mit ihrem Vater regelmäßig die Spiele von Ajax Amsterdam. Mit 14 begann sie für das sonntagsabends erscheinende lokale Sportblatt Cetem zu schreiben, nach und nach kamen weitere Jobs für kleinere Zeitungen dazu.

Eigentlich hatte Wil aber höhere Ziele: Sie war wild entschlossen, für die große Volkskrant zu schreiben. Und so spazierte sie im Alter von 17 Jahren, nachdem sie die mittlere Mädchenschule absolviert hatte, kurz entschlossen bei der Zeitung vorbei und teilte mit, dass sie gekommen sei, um sich als Sportjournalistin zu bewerben. „Mädchen, das schaffst du nicht“, antwortete der Personalchef ihr, „in der Redaktion arbeiten keine Frauen.“ Er könne ihr aber eine Stelle in der Abo-Abteilung anbieten. Wil sagte zu. „Ich dachte, dass ich so meinem Ziel näherkommen könnte“, erklärte sie später.

Es sollte nicht lange dauern, bis ihre Chance kam: Ein Fußballturnier für Journalisten, über das Wil 1949 in der Mitarbeiterzeitung berichtete. Kurz darauf wurde der 18-Jährigen mitgeteilt, sie könne unter einer Bedingung sofort in der Sportredaktion anfangen: Ihr Name durfte nicht genannt werden. „Van onze verslaggeefster“, von unserer Korrespondentin, stand stattdessen in der Autorenzeile, aber auch das nicht lange.

Verleugnung des eigenen Geschlechts

Wil wurde zum Chefredakteur gerufen, der ihr mitteilte, dass es zahlreiche Beschwerden von Abonnenten darüber gegeben habe, dass eine Frau über Fußball- und Eishockeyspiele schreibe. Das gehöre sich nicht für eine katholische Zeitung. Die Volkskrant war 1919 als Zeitung für die katholische Arbeiterschicht gegründet worden. Nachdem im Juli 1941 ein Nationalsozialist von den deutschen Besatzern als Chefredakteur installiert wurde, verlor die Zeitung so viele Mitarbeiter und Leser, dass sie wenige Monate später eingestellt wurde.

Nach der Befreiung wurde die Volkskrant zunächst zur einzigen überregionalen Morgenzeitung, denn De Telegraaf durfte wegen Kollaboration mit den Nazis bis Ende 1949 nicht erscheinen.Wil hatte sich darauf eingelassen, nur noch unter der Autorenzeile „Von unserem Korrespondenten“ zu veröffentlichen. „Wenn ich mich geweigert hätte, hätte ich meinen Job verloren“, sagte sie später in einem Interview.

Bis 1954 blieb Wil bei der Volkskrant, dann aber verliebte sie sich in einen Kollegen. Sowie sie ihn heirate, werde sie entlassen, wurde ihr mitgeteilt. Dass in den Niederlanden ein (erst 1958 abgeschafftes) „Arbeitsverbot für verheiratete Frauen“ galt, war für sie nichts Neues. Wil hatte in ihrer eigenen Familie erlebt, wie hart das Arbeitsverbot für Frauen war. Ihre Mutter, die einen höheren Schulabschluss hatte, litt darunter. Schon als Kind beschloss Wil daher, finanziell unabhängig zu werden.

1954 heirateten Wim Merkies und Wil, beide gaben ihre Stellen bei der Volkskrant auf, zogen nach Amersfoort und bekamen vier Kinder. Wil arbeitete fortan als freie Journalistin. Mit dem Aufkommen der Frauenbewegung Ende der Sechziger änderte sich ihr Leben drastisch: Sie schrieb für die feministische Opzij, gründete das Utrechter Frauenhaus mit, engagierte sich unter anderem bei den „Dolle Minnas“ – und verliebte sich in eine amerikanische Filmemacherin. „Zum ersten Mal in meinem Leben war ich völlig hin und weg“, erinnerte sie sich 1993. Darauf verliebte sie sich erneut in eine Frau.

Wil blieb journalistisch und politisch aktiv. Im Februar starb Wil Merkies in Amsterdam, sie wurde 86 Jahre alt.

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