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Pinakothek München zeigt Preisträger des Prix Pictet | ABC-Z

Es sind nicht die üblichen Verdächtigen, die beim Prix Pictet zum Zug kommen. Die Auszeichnung für Fotografie, welche die Genfer Privatbank Pictet seit 2008 zum zehnten Mal verliehen hat, findet ihre Träger über ein aufwendiges Vergabesystem: 350 sogenannte Nominatoren – Fachleute aus allen Kontinenten, die meisten aus Europa – benennen mehrere Hundert mögliche Kandidaten. Die Themen sind stets unverbindlich gehalten, auch das aktuelle, „Human“, offerierte eine maximale Bandbreite.

Eine Jury verständigt sich auf eine Shortlist von zwölf Fotografen, aus diesem Kreis wird dann der Sieger ermittelt, dem 100.000 Schweizer Franken winken. So bekommen auch bislang international unbekannte Fotografinnen maximale Aufmerksamkeit in der Szene. Sie habe bei Bekanntgabe der Shortlist nur drei Namen gekannt, räumt Franziska Kunze, Sammlungsleiterin Fotografie und Medienkunst an der Pinakothek der Moderne, ein.

Durch den Dschungel Richtung Norden in ein neues Leben: Federico Ríos Escobar, „Hamlet Devastated“ (2022)Federico Ríos Escobar

Nach der Auftaktpräsentation im Londoner Victoria and Albert Museum, die 2023 stattfand, geht eine Ausstellung auf weltweite Wanderschaft. In München hat der Prix Pictet zuletzt vor zehn Jahren Station gemacht. Und noch eine Besonderheit – auch Langzeitbeobachtungen kommen zum Tragen. So ist die Serie der indischen Gewinnerin Gauri Gill seit 1999 im ländlichen Rajasthan entstanden. Grobkörnige, schwarz-weiße Dokumente des täglichen Kampfes gegen Klima und Armut. Ein Enkel am Sterbebett seines Großvaters, der zum Gerippe abgemagert ist; ein Mädchen, das sich seiner selbst bewusst wird beim Blick in einen Taschenspiegel.

Gezeigt werden generell Teile von Serien. Der zum ersten Mal vergebene Publikumspreis ging an den Kolumbianer Federico Ríos Escobar, der als Reporter seine Landsleute durch den Urwald auf der als Darién Gap bekannten Landbrücke Richtung Zentralamerika begleitet hat. Wirtschafts- und Klimaflüchtlinge, die in die USA wollen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Das Bild eines erschöpften Mannes mit seiner kleinen Tochter verkaufte Escobar und schenkte den Erlös dem Vater, der sich damit einen Anwalt leisten konnte.

Ein Garten wird zum sozialen Experimentiergelände: Siân Daveys „Lila“ aus dem Jahr 2022Siân Davey

Der Italiener Alessandro Cinque hat in Peru die von der Bergbauindustrie zerstörte und vergiftete Umwelt der indigenen Quechua als Traueranzeige festgehalten, die Rahmen seiner schwarz-weißen Bilder bestehen aus verkohltem Holz, das eine zusätzliche Bedeutungsebene erzeugt. Auch der Pole Michał Łuczak steckt seine Bilder absinkender Häuser und geschundener Körper im oberschlesischen Steinkohlerevier ohne Bildrand in schwarze Rahmen.

Für Franziska Kunze ist ein Nebeneffekt der Schau, dass dokumentarische Fotografie und – im Fachjargon „vernacular“ oder „vernakulär“ genannte – Alltagsfotografie den Weg ins Museum finden. Wobei Dokumentarfotografie weit gefasst wird. Sie funktioniert laut Kunze auch als „inneres Dokument“, wie die weiß gerahmten Bilder der Ukra­inerin Gera Artemova zeigten. Diese richtet den Blick inmitten des Krieges nicht auf Zerstörung und Tod, sondern auf die Innenwelt ihrer Familie – das auf einem Bett liegende Kind in einem Lichtkegel, das Geäst eines Baumes, Hände.

Schwarze Jugendliche in einer unsicheren Stadt: Vasantha Yogananthan, „Untitled“ (2022)Vasantha Yogananthan

Die Britin Vanessa Winship ist mit einer siebzehn Jahre alten Porträtserie vertreten, mit der sie in Ostanatolien Schuluniform tragende Mädchen in immer gleicher Distanz vor die Kamera stellte und ihnen bei aller zur Schau gestellten offiziellen Ernsthaftigkeit unterschiedlichste Gefühlslagen entlockte. Der Isländer Ragnar Axelsson dokumentiert mit hohem persönlichem Einsatz und irrlichternd flackernden Aufnahmen bei minus vierzig Grad die Lebenswelt der schmelzenden Arktis.

Der Franzose Vasantha Yogananthan hat schwarze Jugendliche in New Orleans auf ihren Spielplätzen begleitet und lässt den Betrachter in Wolkenhängung an dieser zarten Zukunftshoffnung teilhaben. Die Utopie eines naturverbundenen Miteinanders einer diversen Dorfgemeinschaft zeigt die Britin Siân Davey in ihrem Garten in Devon.

Bleibt nur die Frage, ob es beim nächsten Durchgang auch derart bukolische Bilder geben wird? Das Thema des kommenden Zyklus des Prix Pictet lautet jedenfalls eher disharmonisch „Storm“.

Prix Pictet Human. Pinakothek der Moderne, München; bis zum 24. November. Der im Verlag Hatje Cantz erschienene Katalog kostet 50 Euro.

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