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Grafing: Christina Reiter ist die neue Braumeisterin bei Wildbräu – Ebersberg | ABC-Z

Wenn Christina Reiter abends weggeht und ein Bier bestellt, ist sie sofort wieder im Arbeitsmodus. „Ich verkoste, rieche, schmecke, ob es Fehlaromen gibt. Ich bin sehr pingelig“, sagt die 25-Jährige und lacht. Kein Wunder, dreht sich in ihrem Beruf doch fast alles ums Bier: Die 25-Jährige ist die neue Braumeisterin beim Wildbräu in Grafing. Sie ist Anfang Juli Johannes Hartwig nachgefolgt, der seinerseits als Produktionsleiter zur Klosterbrauerei in Andechs gewechselt ist.

Mit ruhigem Selbstbewusstsein führt die Markt Schwabenerin in Wildbräu-blauer Arbeitskleidung durch ihr neues Reich: die riesige Lagerhalle mit den turmhohen Stapeln aus Getränkekästen – darunter übrigens auch Spezi, der hier abgefüllt wird –, das Sudhaus mit den Maisch- und Läuterbottichen und dem sogenannten Whirlpool, die Abfüllanlage. 20 000 Hektoliter Bier werden jährlich bei Wildbräu gebraut, zwölf Sorten sind immer im Sortiment, dazu gibt es drei Saisonbiere. Gerade erst hat Christina Reiter nach zwei Jahren Pause den Aegidius, einen dunklen Doppelbock, eingebraut. Außerdem hat Wildbräu verschiedene Limo-Sorten, Schorlen und sogar eine eigene Cola im Sortiment und ist als Lohnbrauerei für andere Unternehmen tätig – unter anderem kommt das Ebersberger Schlossbräu tatsächlich aus Grafing.

Für die neue Braumeisterin macht gerade die Vielfalt den Reiz an ihrem neuen Job aus. Denn die Faszination für die Zusammensetzung von Getränken, das Zusammenspiel von Aromen und Zutaten kam sogar vor ihrer Leidenschaft fürs Bier und führte sie zum Studium nach Weihenstephan-Triesdorf. „Bei meinen Praktika habe ich dann schnell gemerkt, dass ich meine Zukunft in einer Brauerei sehe“, erzählt die junge Frau. Schon bei ihrer Bachelorarbeit zum Thema „Die wirtschaftliche Behandlung der Energie- und Stoffströme in einer Familienbrauerei“ arbeitete sie mit dem Wildbräu zusammen.

Nach einer Zwischenstation bei der Brauerei „Camba Bavaria“ in Seeon-Seebruck führte der Weg sie im Sommer wieder zurück nach Grafing. „Ich habe mich total gefreut, dass das geklappt hat“, sagt sie, „ich kenne die Brauerei und die Leute schon, und das Bier ist super.“ Fragt man sie, was ihr an ihrem Job am besten gefällt, muss sie nicht lang überlegen: „Am Ende behaupten zu können, dass ich an dem ganzen Prozess mitgewirkt und meinen Beitrag geleistet habe, ein gutes Produkt herzustellen, das ist für mich das Schönste.“

Christina Reiter am Kessel beim Einmaischen vom Hellen. Dass die Ausgangsstoffe nie ganz gleich ausfallen, fasziniert sie an der Bierproduktion. (Foto: Peter Hinz-Rosin)
Hier können die verschiedenen Biersorten gezwickelt werden. Die verschiedenen Aufschriften amüsieren vor allem die Besucher bei Brauereiführungen.
Hier können die verschiedenen Biersorten gezwickelt werden. Die verschiedenen Aufschriften amüsieren vor allem die Besucher bei Brauereiführungen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)
Bierkästen soweit das Auge reicht: 20 000 Hektoliter werden jährlich in Grafing produziert.
Bierkästen soweit das Auge reicht: 20 000 Hektoliter werden jährlich in Grafing produziert. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Zwar hält sie sich an die überlieferten Rezepte der Brauerei, doch um den typischen Wildbräu-Geschmack zu erhalten, ist viel Fachwissen erforderlich – schließlich ist Bier ein Produkt aus natürlichen Zutaten, die je nach Wetter oder Bodenbeschaffenheit nicht immer ganz gleich ausfallen. Verändert sich etwa der Eiweißgehalt im Getreide, kann das deutliche Auswirkungen auf den Geschmack haben. „Wir müssen immer schauen, was die Natur uns gibt“, sagt die 25-Jährige, und die Produktion entsprechend darauf einstellen. Die neue Braumeisterin trinkt selbst am liebsten die Klassiker: Helles, Meistersud oder auch mal ein Export, also eher die malzbetonten Sorten, das seien ihre Lieblingsbiere, sagt sie.

Die Brauerei ist eine der ältesten in Bayern

Gebraut und abgefüllt wird bei ihrem neuen Arbeitgeber in der Regel vier Tage die Woche, am Freitag ist Putztag. Nachts und an den Wochenenden kehrt im Gegensatz zu den Großbrauereien auch mal Ruhe ein, einen Schichtbetrieb gibt es nicht. Reiter schätzt an Wildbräu vor allem, wie sie sagt, „dass es ehrlich und authentisch ist, das ist mir wichtig“. Und dass es eine Braustätte mit Tradition ist – sehr viel traditioneller wird es in Bayern sogar gar nicht mehr: Eine im Jahr 2021 entdeckte Urkunde hat nachgewiesen, dass hier schon mindestens seit dem Jahr 1060 Bier gebraut wird, das ist immerhin gut 500 Jahre früher als bis zu diesem Zeitpunkt angenommen. Der Grafinger Wildbräu ist somit die älteste Privatbrauerei Bayerns, nur die beiden Klosterbrauereien Weihenstephan und Weltenburg sind erwiesenermaßen noch älter.

Tradition ist eigentlich auch, dass Frauen in der bayerischen Geschichte fürs Bierbrauen zuständig waren, allerdings eher am heimischen Sudkessel als in einer gewerblichen Brauerei, das galt eher als Job für Männer. Auch heute sind hauptverantwortliche Produktionsleiterinnen wie Christina Reiter noch die Ausnahme. Zwar gibt es beim Bayerischen Brauerbund keine offizielle Statistik, laut Geschäftsführer Walter König liegt der Anteil der Braumeisterinnen in dieser Position aber wahrscheinlich nur bei rund fünf Prozent. Und bei vielen der kleineren bayerischen Brauereien ist ohnehin der Inhaber oder die Inhaberin selbst fürs Brauen zuständig. „Grob gerechnet würde ich einmal von rund 400 aktiven Braumeistern ausgehen, wovon dann sicherlich rund 25 weiblich sind“, rechnet König vor. Der Anteil könnte in den nächsten Jahren nach oben gehen, denn in den Braumeisterklassen stellen Frauen inzwischen immerhin etwa 15 Prozent der Teilnehmer.

Christina Reiter, die in Grafing vier Brauer und einen Azubi unter sich hat, fühlt sich jedenfalls sehr wohl unter ihren vielen männlichen Kollegen, wie sie betont: „Ich habe nur Positives erlebt, sie haben mich sofort respektiert und gut aufgenommen.“

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