Philosophie der Geburt: Warum jeder Mensch ein Hoffnungsträger ist | ABC-Z
Was wird an Weihnachten gefeiert?
Weihnachten ist das Hochfest im Christentum. Jedes Jahr wird am Heiligen Abend, dem 24. Dezember, an das Wunder erinnert, dass Jesus Christus als Sohn Gottes unter uns Menschen hier auf Erden geboren wurde. Ein Erlöser, ein Retter, jemand, der kommt, um uns zu helfen. Was christlich-gläubige Menschen an diesem Tag feiern, ist ein göttliches Zeichen der Hoffnung. Für diese tiefe Freude hat sich ein Jubelruf etabliert: Halleluja! Ausgehend von den Psalmen nahm er den Weg in die Liturgie und schließlich von den Kirchenliedern in den Alltag. Die Wortherkunft wurzelt im Hebräischen und bedeutet ursprünglich ‘preiset den Gott’ oder ‘lobet den Herrn’. Aber mittlerweile wird er auch allgemein dafür verwendet, seiner Freude oder Erleichterung Ausdruck zu verleihen.
An was kann uns diese Weihnachtsfreude erinnern?
Das Halleluja in der klassischen Bedeutung des Lobgesangs findet sich eindrucksvoll und mitreißend in den festlichen Oratorien, die gerade zur Weihnachtszeit vermehrt aufgeführt werden. So lauschte auch die politische Denkerin Hannah Arendt einst im Jahr 1952 einer Aufführung des Messias-Oratoriums von Georg Friedrich Händel in München. Sie war begeistert und schrieb im Nachgang an ihren Mann: „Das Halleluja liegt mir noch im Ohr und in den Gliedern. Mir wurde zum ersten Mal klar, wie großartig das: ‘Es ist uns ein Kind geboren’, ist. Das Christentum war doch nicht so ohne.“ Die wertende Bemerkung, ‘doch nicht so ohne’, bezieht sich auf das philosophische Potenzial der Weihnachtsgeschichte, denn sie kann uns auch auf das Wunder der Geburt überhaupt aufmerksam machen. Die von Händel musikalisch formulierte Freude über Christi Geburt weitet Arendt auf die Geburt als allgemeines Ereignis aus.
Sandra Johst ist promovierte Philosophin, zertifizierte psychologische Beraterin, Rednerin und Autorin. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Bildung und Aufklärung. Ihr Ziel ist es, den grundsätzlichen Fragen der Menschen mehr Raum zu geben. So hilft sie in Einzelcoachings bei der Entscheidungsfindung und der Persönlichkeitsentwicklung. Darüber hinaus analysiert sie gesellschaftliche Prozesse und entwickelt Perspektiven für ein konstruktives Miteinander in einer komplexen Welt.
Worin besteht die philosophische Idee der Geburt?
In der Geburt und dem Tod erkennt Arendt die allgemeinste Bedingtheit menschlichen Handelns: Wir kommen durch Geburt zur Welt und verschwinden durch Tod wieder aus ihr. Alles, was wir tun, steht letztlich mit diesen Bedingungen in Verbindung. Während jedoch dem Tod seit jeher in der Philosophie große Bedeutung geschenkt wurde, meint Arendt zu erkennen, dass gerade die Geburt für unser Handeln zentral ist. Denn sie macht uns darauf aufmerksam, dass wir fähig sind, einen Anfang in die Welt zu bringen. So schreibt sie in ihrem Werk Vita Activa: „Der Neubeginn, der mit jeder Geburt in die Welt kommt, kann sich in der Welt nur darum zur Geltung bringen, weil dem Neuankömmling die Fähigkeit zukommt, selbst einen neuen Anfang zu machen, d. h. zu handeln.“ Jedes Neugeborene bringt somit eine Art Heilsversprechen mit sich, das es möglicherweise enttäuschen kann. Trotz dieser Unentschiedenheit blitzt mit jedem Kind, das in die Welt kommt, nicht nur die Kraft des Neubeginns auf, sondern auch die Hoffnung, dass jemand da sein wird, den Zerfall der Welt aufzuhalten. Jemand, der die Verantwortung für die Welt, für die Menschheit übernimmt. Die theologische Hoffnung wird durch diesen Gedankengang zur politischen.
Was hat das Wunder der Geburt mit mir zu tun?
Jede und jeder von uns kann die Initiative ergreifen, einen Anfang machen, es anders machen als erwartet, sich umentscheiden, ein kleines Wunder bewirken. Dabei ist kein Anfang für uns Menschen in dieser Welt ein absoluter Neuanfang. Arendt beschreibt das mit einem Bild: Als Handelnde treffen wir wie ein neuer Faden auf ein Netz von Beziehungen, das zwischen Menschen über Generationen gesponnen wurde, auf eine Textur der Welt. Wir können die Welt nicht komplett nach unseren eigenen Vorstellungen aus dem Nichts erschaffen. Auch haben wir die Folgen unseres Handelns nicht unter Kontrolle. Das, was von unserem Handeln in der Welt bleibt, sind nicht die Impulse, die uns in Bewegung setzen, sondern die Geschichten, die wir durch diese Bewegung beginnen und verursachen. Als Anfang können wir also nie gänzlich absehen, was wir tun, wenn wir handeln. Darauf vermag uns die Geburt als philosophische Idee aufmerksam zu machen. Sie erinnert uns an die Gefahren des Handelns und an unsere Verantwortung für die Mitwelt, sie lässt uns fürchten und hoffen. Mit der Aussicht auf Wunder in der Welt vermag sie uns zu ermutigen, und mit wachem und starkem Blick, wie die Neugeborenen, einen Anfang zu machen, für Geschichten, deren Ende wir zwar nicht absehen können, aber die es schaffen könnten, Hoffnung zu geben. Die Geburt als philosophische Idee kann uns auffordern: Habe Mut, ein Anfang zu sein!
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