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Partnersuche: Was tun, wenn ein „Online-Dating-Burnout“ droht |ABC-Z

Dating-Apps haben sich als Alternative zum Flirt im Café oder in einer Bar etabliert. Doch Online-Dating ist keine entspannte Partnersuche vom Sofa aus, sondern bedeutet für die meisten zunächst: Stress. Das hat Gründe.

Wie eine lodernde Flamme leuchtet das rot-gelbe Gefieder eines Laubenvogels im Unterholz der dichten Wälder von Papua-Neuguinea auf. Im Internet, in einem Youtube-Video, ist vom Sofa aus zu beobachten, wie sich das paarungswillige Männchen in rhythmischen Kreisen vor dem Weibchen am Eingang seiner Laube aufbaut, begleitet von komplexen Folgen kehliger Ur-Laute. Dann fällt der Vogel heftig zuckend in sich zusammen und wartet die Reaktion seiner potenziellen Partnerin ab, die einen Schritt näher gekommen ist.

Paarungsrituale sind als entscheidender Teil der sexuellen Selektion tief in den neuronalen Schaltkreisen der meisten Arten verankert. So auch beim Menschen. Doch im 21. Jahrhundert hat die Evolution des Vorspiels einen unvorhergesehenen Höhe- und Wendepunkt genommen: Die Balz, nichts anderes ist ein Flirt, findet jetzt auf einem virtuellen Spielfeld statt.

Auch wenn der Siegeszug der Dating-Apps unbestreitbar ist, so richtig glücklich sind die Nutzer damit offenbar nicht. Einer Forsa-Umfrage im Auftrag der KKH Kaufmännische Krankenkasse nach gehören Gefühle wie Frust, Stress und Wut scheinbar zu dieser Variante des Flirten dazu. Die Kasse warnt sogar vor einem sogenannten Online-Dating-Burnout.

Zwar dürfte auch schüchternen Menschen das Flirten in den gängigen Apps leichter fallen – das Swipen, Liken und Matchen gilt als bequem und unverbindlich. Aber: Bei 59 Prozent der Befragten zwischen 18 und 60 Jahren habe die Partnersuche per Internet „emotionale Erschöpfung und Frustration ausgelöst“, teilte die Krankenkasse mit.

37 Prozent der Befragten hatten mit Traurigkeit oder depressiven Verstimmungen zu kämpfen, 30 Prozent fühlten sich etwa wegen der großen Auswahl an potenziellen Partnern gestresst. Bei immerhin 28 Prozent löste die Partnersuche im Internet Ärger oder Wut aus, knapp jeder fünfte Nutzer oder jede fünfte Nutzerin empfand demnach beim Online-Dating Scham.

Für die repräsentative Studie befragte das Meinungsforschungsinstitut Forsa vom 31. Januar bis 14. Februar online bundesweit 1010 Singles im Alter von 18 bis 60 Jahren, die offen für eine Partnerschaft waren. Die KKH zählt mit rund 1,5 Millionen Versicherten zu den größten bundesweiten Kassen.

Ghosting, Oberflächlichkeit, hohe Erwartungen

Insgesamt schauten sich der Umfrage zufolge 59 Prozent der befragten Singles schon einmal auf Online-Kontaktbörsen, Dating-Portalen oder -Apps oder auch Social-Media-Plattformen nach potenziellen Partnern um – 41 Prozent verzichteten darauf.

Vor allem Männer sind offensichtlich empfänglich dafür, das Glück zu zweit im Netz zu suchen: Unter ihnen waren es 62 Prozent, bei den Frauen 55 Prozent. Und gefragt ist Online-Dating vor allem bei 30- bis 49-Jährigen, von denen 68 Prozent schon einmal online nach einem „Match“ gesucht haben.

Doch warum kommt es zu negativen Gefühlen bei der Partnersuche via Internet? Laut Umfrage bekamen 54 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer keine Antwort auf ihre Nachricht oder sie wurden geghostet – der Kontakt wurde also abgebrochen.

Oberflächlichkeit oder nur sexuelles Interesse empfanden 46 Prozent der Befragten – das betraf vor allem Frauen (61 Prozent). Unter den Männern waren es 35 Prozent. 44 Prozent der Nutzer hatten den Eindruck, Profile seien unehrlich oder geschönt, 32 Prozent fühlten sich eher wie eine Ware. Und jeder dritte Befragte (34 Prozent) fand beim Online-Dating schlicht niemanden, der geeignet war.

Auch ein Problem: Die teils hohen eigenen Erwartungen, die Richtige oder den Richtigen zu finden. Fest steht: „Wer hier trotz hohem Investment an Freizeit, teils an Emotionen und auch Geld negative Erfahrungen macht, die mitunter am Selbstwert kratzen, kann einen Online-Dating-Burnout entwickeln“, sagte Psychologin Isabelle Wenck.

Dies sei mit einem krankhaften Burnout, etwa wegen hoher Arbeitsbelastung, nicht zu vergleichen, „auch wenn Symptome wie Antriebslosigkeit oder emotionale Erschöpfung daran erinnern“. Es handele sich vielmehr um ein psychosomatisches Syndrom, das durch Frust und Stress beim Knüpfen digitaler Kontakte entstehen könne. Genaue Zahlen dazu würden allerdings nicht vorliegen.

Der erste Schritt sei, sich rechtzeitig zu fragen, ob die Partnersuche im Netz seelisch zu sehr belastet, riet Wenck. „Für den Fall ist es ratsam, Online-Zeiten und Kontakte zu reduzieren oder sogar erst einmal zu pausieren.“ Wer es dann erneut mit dem Online-Dating versuchen wolle, solle seine Erwartungen und Ziele nicht zu hoch schrauben. Sie mahnte „reale Interaktionen in der Freizeit“ an: „Damit lassen sich Enttäuschungen beim Online-Dating besser abfedern.“

Obwohl das Online-Dating mittlerweile weitverbreitet ist, wünschen sich viele Menschen im Grunde doch eine etwas romantischere erste Begegnung: Nach einer früheren Umfrage des Branchenverbands Bitkom würden mehr als drei Viertel der Nutzerinnen und Nutzer von Online-Dating-Plattformen lieber im realen Leben jemanden kennenlernen.

Für die Flammen-Laubenvögel in Papua-Neuguinea jedenfalls spielen die digitalen Irrwege des Menschen keinerlei Rolle. Das Weibchen zeigt sich vom Balztanz sichtlich beeindruckt, hebt eine der Beeren auf, die das Männchen auf das Moos-Bett am Fuße seiner Laube präsentiert. Es versteht die Reaktion als Aufforderung – und wiederholt seinen Tanz, nun selbst mit einer blau schimmernden Beere im Schnabel. Schon wähnt er sie gewonnen, rammt den Kopf zärtlich gegen ihre Brust.

Da schallt der Ruf eines anderen Männchens durch den Wald. Der intime Moment ist vorbei, und das Weibchen schnellt davon, der Mitwerber ihr nach. Wochen der Vorbereitung und auch das schönste Federkleid – ohne Erfolg. Das muss auch für einen Laubenvogel frustrierend sein. Die Partnersuche, so scheint es, ist für keine Spezies einfach.

mit dpa

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