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Partnerschaft Taufkirchen und West Chicago: Sorgen um Zukunft – Erding | ABC-Z

„Im August kommen die Amis zu uns und ich habe die Befürchtung, dass wir nicht genug interessierte Gastfamilien bekommen. 2026 wollen wir wieder mit einer Gruppe nach West Chicago reisen und ich sorge mich, dass keine Leute mitfahren werden. Momentan würde ich mich auch nicht ohne Weiteres in ein Flugzeug setzen und nach Amerika fliegen. Vor allem würde ich nicht mein normales Handy mitnehmen“, sagt Bodo Gsedl, Vorsitzender des Partnerschaftsvereins Taufkirchen und West Chicago. „Ich mache mir schon Sorgen um ,mein Amerika’.“

Im vergangenen Jahr hat die Partnerschaft von Taufkirchen/Vils und West Chicago 25-jähriges Bestehen gefeiert. Es gab viel Skepsis in den Anfangsjahren, ob sich so eine Partnerschaft über weite Distanzen mit Leben erfüllen lassen. Aber die gegenseitigen Besuche rissen nur während Corona kurz ab, aus dem anfänglichen Interesse erwuchsen Freundschaften über den Atlantik hinweg.

Zwei Säulen dieser Partnerschaft sind die Brüder Bodo und Uwe Gsedl. Bodo, der in Taufkirchen lebt, hat als Jugendlicher im Rahmen eines Schüleraustauschs ein Jahr in West Chicago verbracht, Uwe lebt seit Jahrzehnten dort.  Bodo Gsedl ist zudem Vorsitzender des Partnerschaftsvereins Taufkirchen und West Chicago und er macht sich mittlerweile Sorgen, wie die Präsidentschaft von Donald Trump die Partnerschaft in Zukunft überschatten wird.

Illinois ist ein Bundesstaat, der tendenziell eher demokratisch wählt. Besonders in Präsidentschaftswahlen hat Illinois seit den 1990er Jahren durchgehend für die demokratischen Kandidaten gestimmt. Ein großer Faktor dafür ist der Großraum Chicago, eine Hochburg der Demokraten mit einer großen Bevölkerungsdichte. West Chicago, eine Stadt mit mehr als 25 000 Einwohnern, darunter viele Einwanderer aus Mexiko, hat ebenfalls eine starke demokratische Wählerschaft. Aber auch dort hat sich das Klima verändert, sagt Bodo Gsedl: „Mein Bruder hat mir erzählt, dass man vorher oft in Gruppen gemeinsam Essen ging und dabei auch mal laut politisiert hat. Das ist nicht mehr so. Darüber redet man nur noch leise.“

Bodo Gsedl, 66, ist Grafikdesigner und Kunstmaler und lebt in Taufkirchen. Als Vorsitzender des Partnerschaftsvereins Taufkirchen und West Chicago macht er sich Sorgen um die Entwicklung in den USA. (Foto: Bodo Gsedl; privat)

In einem Rundbrief an die Mitglieder des Partnerschaftsvereins fasst Gsedl die Entwicklung aus seiner Sicht zusammen: „Mit Schrecken und einer gewissen Ungläubigkeit treffen uns die Nachrichten aus den USA. Dass sich die US-Demokratie so schnell, nachhaltig und fast ohne öffentliche Gegenwehr auflösen und hin zu einer Autokratie beeinflussen lässt, haben viele befürchtet, aber keiner so richtig geglaubt. Diese Situation wird auch die zwischenmenschlichen Beziehungen unserer Partnerschaft belasten, da unterschiedliche politische Ansichten zu Misstrauen oder Spannungen führen können“, heißt es dort.

Und weiter: „Gerade West Chicago mit seinem beträchtlichen Bürgeranteil aus Mexiko und Südamerika wird deren Ängsten sowie den Aktionen der Immigrationsbehörde ICE begegnen müssen. Momentan beruft sich die Stadtregierung noch auf den Illinois Trust Act, ein Gesetz, das seit 2017 in Illinois gilt. Es hilft Menschen, die in den USA leben, aber keinen gültigen Aufenthaltsstatus haben, dass sie nicht wegen ihres Aufenthaltsstatus benachteiligt werden. Darin steht auch, dass die Polizei in Illinois nicht mit der Einwanderungsbehörde zusammenarbeiten muss. Sie dürfen Menschen also nicht festnehmen oder Informationen weitergeben, nur weil diese keine Papiere haben.“

Gsedl weist in seinem Rundschreiben auch auf Gouverneur von Illinois, JB Pritzner, hin. Den erklärten Gegner der Trump-Administration hatten die Taufkirchener im vergangenen Jahr getroffen. Pritzner hatte vor Kurzem einen überraschenden Auftritt im Repräsentantenhaus, bei dem er davor gewarnt hat, dass sich Geschichte wiederholen könne: „Der Samen, der sich in Europa vor langer Zeit zu einer Diktatur auswuchs, kam nicht über Nacht. Er begann mit gewöhnlichen Deutschen, die über die Inflation erzürnt waren und jemanden suchten, dem sie die Schuld zuschieben konnten. Ich beobachte mit düsterer Vorahnung, was gerade in unserem Land geschieht.

Nachdem wir alle Einwanderer sowie schwule, lesbische und Trans-Menschen, Menschen mit geistiger Behinderung, Frauen und Minderheiten diskriminiert, abgeschoben oder herabgewürdigt haben, nachdem wir unsere Nachbarn ausgegrenzt und unsere Freunde verraten haben, stellt sich die Frage: Wenn die Probleme, mit denen wir begonnen haben, uns weiterhin ins Gesicht starren, was kommt dann? In der Antwort auf diese Frage lauern alle Gräueltaten der Menschheitsgeschichte“, sagte Pritzner.

Gsedl erklärt, er halte den Grundstock der Partnerschaft für gefestigt. Probleme könnten bei der Neugewinnung von Mitgliedern auftreten. Aber er hoffe, dass es den Demokraten gelingen werde, erneut eine politische Führungsperson wie Barack Obama aufzubauen und damit wieder Wahlen zu gewinnen. „Bei meinem Blick in die Zukunft mischen sich Spekulation, Zuversicht und Sorge.“

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