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2600 Flüge in nur neun Monaten: Die merkwürdige Spesenrechnung eines Studenten – Reise | ABC-Z

Spesenritter nannte man solche Menschen früher. Das war zu einer Zeit, als man seine Auslagen noch in D-Mark erstattet bekam. Ist also schon eine Weile her. Aber nicht so lange, als dass die Spesenritter, wie das die Bezeichnung nahelegt, allesamt noch zu Pferde unterwegs gewesen wären. Spesenritter haben auf großem Fuß gelebt, und zwar von dem Geld ihrer Firma. Der Chef hat’s bezahlt – und in seinem Angestellten nicht selten eine Art Raubritter gesehen. Denn manche haben es weidlich ausgenutzt, dass die internen Vorschriften längst nicht so streng waren, wie sie es heute sind. Sie haben auf Geschäftsreisen in teuren Restaurants gespeist, in sehr guten Hotels übernachtet, sind erster Klasse gefahren oder geflogen und haben ein Taxi stets dem öffentlichen Nahverkehr vorgezogen. Auch haben sie für die eine oder andere private Aufwendung einen dienstlichen Zweck ersonnen.

In Summe wurden da teils üppige Beträge erstattet. Der Haken an der Sache war, aus Sicht derjenigen, die einen ordentlichen Schnitt machen wollten bei diesem Geschäft: Sie mussten das Geld vorher auslegen. Haben also in Sachen Genuss und Komfort zwar über ihre Verhältnisse gelebt, aber keinen finanziellen Gewinn erzielt.

Flugscham? Hatte ein junger Sizilianer definitiv nicht. Jedenfalls nicht auf dem Papier. Angeblich ist er 2600-mal abgehoben

Das ist ein junger Mann aus Sizilien nun ganz anders angegangen. Der 26-Jährige studiert zwar noch, er kann seine Spesen keiner Firma in Rechnung stellen. Aber dem Staat. Da die Brücke über die Straße von Messina nach wie vor nur eine Idee ist, muss, wer die Insel verlassen möchte, also fliegen oder eine Fähre benutzen. Das ist vergleichsweise teuer, deshalb übernimmt die Regionalregierung einen Teil der Reisekosten, wenn die Einwohner Siziliens mal aufs Festland müssen. Sizilien ist wunderschön, aber abgelegen. Bei Flügen beispielsweise nach Rom oder Mailand erstattet der Staat ein Viertel des Ticketpreises, unter bestimmten Umständen auch mehr.

33 Millionen Euro kostet dies die Regionalregierung in jedem Jahr – im Schnitt sind das sieben Euro pro Sizilianerin und Sizilianer. Doch da muss weitaus mehr gehen, dachte sich besagter Student. Und er holte sich aus diesem Budget knapp 86 000 Euro – binnen gerade mal neun Monaten. Er machte für dieses Dreivierteljahr Reisekosten von etwa 180 000 Euro geltend, für 2600 Flüge. Allein im Oktober des vergangenen Jahres waren es angeblich 892 Flugreisen, circa 29 pro Tag also.

Weil das kaum zu schaffen ist, saß der Mann nach eigenen Angaben mitunter in drei Flugzeugen gleichzeitig. Das hat nicht einmal der frühere deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher hinbekommen, dem man immerhin nachgesagt hat, er sei sich auf seinen zahlreichen diplomatischen Reisen in der Luft das eine oder andere Mal selbst begegnet.

Tatsächlich ist der Mann wohl nur dreimal geflogen in diesem Zeitraum. Die übrigen Bordkarten hatte er gefälscht. Wobei, das muss man ihm zugutehalten, die Details offenbar gestimmt haben: Abflug- und Zielflughafen passten zur Flugnummer, die Sitzplätze existierten, sogar die QR-Codes funktionierten. Aber erklärt das, warum der Betrug erst nach neun Monaten aufgefallen ist? So dreist und offenkundig, wie er angelegt war.

Von seinem kurzfristigen Reichtum hatte der vermeintliche Vielflieger im Übrigen nichts: Statt das Geld in bester Spesenritter-Manier zu verprassen, hat er es in einem Wertpapier-Depot angelegt. Und das ist nun konfisziert worden.

Der Autor verzichtet darauf, seine Spesen-Peanuts auf dem Finanzmarkt zu investieren.
Der Autor verzichtet darauf, seine Spesen-Peanuts auf dem Finanzmarkt zu investieren. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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