Meinungen

Owen Cooper erhält als Jüngster den Emmy als bester Nebendarsteller. Ein Porträt – Medien | ABC-Z

Als Owen Cooper im vergangenen März nach dem Wochenende, an dem das gefeierte Drama „Adolescence“ erstmals bei Netflix abrufbar gewesen war, in seine Schule in Warrington zurückkehrte, bekam er einen ersten Vorgeschmack auf etwas, an das er sich jetzt wohl wird gewöhnen müssen: Mitschüler, vor allem jüngere, umringten ihn in den Pausen, manche rannten auch nur einfach auf ihn zu, riefen seinen Namen und rannten wieder weg. Cooper war – über Nacht, wie man so sagt – zu einem Star geworden. Dieser erste Schultag sei schon „ein bisschen irre“ gewesen, erzählte Cooper später in einem New-York-Times-Gespräch.

Irre, und zwar irre gut, fanden alle die darstellerische Leistung des damals 14-Jährigen als mordverdächtiger Schüler Jamie. Immer wieder betonten die euphorischen Kritiken, dass er vorher noch nie professionell vor der Kamera gestanden und die komplizierten Drehs in einem einzigen Kamera-Take beeindruckend gemeistert habe. „Er hat mich einfach total umgehauen“, sagte auch „Adolescence“-Regisseur Philip Barantini über Owen Cooper. „Schauspieler trainieren jahrelang und beherrschen nie ganz das, was Owen kann, nämlich einfach nur im Moment zu leben, zuzuhören und authentisch zu sein.“ Stephen Graham, der Jamies Vater spielt, nannte besonders die dritte Folge, ein langes Gespräch des Jungen mit einer forensischen Psychologin, „eine Meisterleistung“, „nuanciert, detailreich, komplex und präzise“, gerade für einen so jungen Schauspieler.

Owens erster Traum ist der Traum vieler Jungs: Er wollte Profifußballer werden

Dass diese Fähigkeit nicht vollständig vom Himmel gefallen war, ging in der Aufregung um den brillanten Vierteiler ein bisschen unter. Im Jahre 2009 in Warrington östlich von Liverpool als einer von drei Söhnen einer Krankenpflegerin und eines IT-Fachmanns geboren, war Owens erster Traum, wie der so vieler Jungs seines Alters, Profifußballer zu werden. Die Darstellung seines Landsmannes Tom Holland in „The Impossible“ (2012) weckte sein Interesse an der Schauspielerei. Seine Familie habe ihn dabei stets unterstützt, ohne ihn je zu drängen, hat er in Interviews immer wieder betont. Cooper nahm dann zwei Jahre lang wöchentlich Kurse an der Schauspielschule „The Drama MOB“ in Manchester, die zugleich eine Besetzungsagentur für junge Darsteller ist. Er hatte bereits für eine Reihe hochkarätiger Projekte vorgesprochen, bevor er für „Adolescence“ vorgeschlagen wurde, und durchlief dann  mehrere Casting-Runden und Workshops, ehe er die Rolle bekam.

Eine professionelle Heranführung an den Job, der sich nicht nur für ihn als Schauspieler auszahlte, sondern auch ein sicheres Umfeld garantierte. Er habe sich geborgen gefühlt, hat Cooper über die Dreharbeiten gesagt, gerade bei langen, anstrengenden Aufnahmen, von denen er gedacht habe „das schaffe ich wahrscheinlich nur ein Mal“. Sein bisheriger, behutsam begleiteter Werdegang ist ein Beispiel dafür, dass sich gerade in der britischen Film- und Fernsehindustrie im Hinblick auf Sicherheit und Wohlergehen minderjähriger Darsteller in den vergangenen Jahrzehnten sehr viel zum Guten verändert hat.

Ein normales Leben, vergleichsweise unbedrängt von den rabiaten britischen Boulevardmedien, wäre früher kaum denkbar gewesen für einen Teenager, dessen erste Arbeit sogar Anfragen im britischen Unterhaus zu den Gefahren sozialer Medien und ein Statement des Premierministers hervorgerufen hat. Sein Akzent, eine Mischung aus Liverpooler „Scouse“ und Manchester-„Mancunian“, erwies sich dabei nicht als Hindernis, sondern als Vorteil. Auch das deutet in einer Branche, die in Großbritannien zunehmend von Sprösslingen der begüterten Mittel- und Oberschicht dominiert wird, auf eine willkommene Veränderung und Öffnung hin.

Ob es eine Fortsetzung von „Adolescence“ geben wird, ist ungewiss. Denn die Anschlussengagements ließen erwartbarerweise nicht lange auf sich warten. Als Nächstes wird Owen Cooper als junger Heathcliff in Emerald Fennells Verfilmung von „Wuthering Heights“ zu sehen sein.

Den gesteigerten Irrsinn der Teilnahme an diversen Preisverleihungen und seiner Auftritte im amerikanischen Late-Night-Talk-Zirkus, die der immense Erfolg von „Adolescence“ nach sich zog, hat Owen Cooper jedenfalls bislang souverän gemeistert. Und die ausgeglichene, souveräne Art, mit der er nun den Emmy für den besten Nebendarsteller in einer Miniserie entgegennahm – und zwar als bisher jüngster Preisträger in dieser Kategorie –, lässt darauf hoffen, dass sein fraglos riesiges Talent auch weiterhin in Ruhe wird reifen dürfen.

Adolescence, auf Netflix

Weitere SZ-Serienempfehlungen finden Sie hier.

Back to top button