Ostmark: Streit in Koalition ums Trinkgeld wegen vermehrten Kartenzahlungen – Panorama | ABC-Z

Wie viel Trinkgeld man in Österreich gibt, ist relativ einfach. Zehn bis zwanzig Prozent, begleitet von einem freundlichen „Passt scho!“, dürfen es sein, alles andere gilt als knausrig. Und man kann gerne auch mal dem Handwerker etwas in die Hand drücken, der es mit der Rechnung nicht so genau genommen hat, oder der Krankenpflegerin, die einem „zufällig“ das bessere Zimmer zugeteilt hat. Österreich ist ein Land, in dem vieles auf informellen Wegen läuft (manche würden es gar Korruption nennen), und diese Wege kann man sich im Alltag mit Trinkgeld ebnen. Fest steht auch, wie Trinkgeld in Österreich genannt wird: Schmattes. Das Wort kommt wohl aus dem Jiddischen und bedeutet so viel wie Lappen, was sich auch auf Geldscheine beziehen kann.
Schwierig wird es jedoch bei der Frage, wie viele Lappen des Schmattes man künftig in den Händen halten wird. Um nicht zu sagen: politisch brisant. Denn in Österreich wird derzeit auf höchster Ebene debattiert, wie sich Trinkgeldempfänger richtig zu verhalten haben und vor allem: wie viel von den Zuwendungen sie überhaupt einstecken dürfen.
Trinkgeld ist in Österreich nämlich abgabenpflichtig. Man muss zwar keine Steuern, dafür aber Beiträge an die Sozialversicherung abführen. Denn für diese sind auch freiwillig geleistete Trinkgelder, wie die österreichische Gesundheitskasse ausführt, „Entgelt von Dritten und unterliegen somit der Beitragspflicht“. Wodurch sich im jeweiligen Beitragszeitraum die allgemeine Beitragsgrundlage erhöhe.
In Österreich fürchtet man jetzt Nachforderungen der Gesundheitskasse
Das konnte den meisten Dienstleisterinnen und Dienstleistern egal sein, solange der Schmattes in bar gegeben wurde. Doch selbst in Österreich, wo man Bargeld so sehr liebt, dass die extrem rechte FPÖ den Gebrauch als Grundrecht in der Verfassung verankern will, hat sich in den vergangenen Jahren die Kartenzahlung durchgesetzt. Samt elektronisch errechnetem Trinkgeld. Seither taucht der Schmattes auch offiziell auf – und die Sozialversicherung will ihren Anteil daran. Viele befürchten bereits Nachforderungen der Gesundheitskasse.
Das aber sorgt für gehörigen Unmut bei all jenen, die in ihren Jobs Trinkgeld erhalten oder sogar darauf angewiesen sind. Unterstützung bekommen sie von ganz oben. So forderte Johanna Mikl-Leitner, Landeshauptfrau (in Deutschland würde man Ministerpräsidentin sagen) des größten Bundeslandes, Niederösterreich, dass Trinkgelder von den Abgaben befreit werden. Mikl-Leitner gehört der konservativen ÖVP an, die zusammen mit der sozialdemokratischen SPÖ und den liberalen Neos eine Dreierkoalition anführt. Doch die Sozialdemokraten weisen darauf hin, dass die Sozialversicherungspflicht durchaus ihre Vorteile habe. Denn diese gehe mit Leistungen einher, weshalb Trinkgeldempfängerinnen am Ende besser abgesichert seien.
Nicht einfacher wird die Sache dadurch, dass ein Pauschalbetrag des Trinkgelds abgabenfrei ist. Dieser ist sowohl von Bundesland zu Bundesland als auch von Beruf zu Beruf verschieden. So darf etwa ein Maître d’hôtel in Wien 58,86 Euro im Monat abgabenfrei behalten, eine Frühstückskellnerin aber nur 37,06 Euro. Diese Pauschalen könnten, wenn es nach ÖVP und SPÖ geht, nun vereinheitlicht und erhöht werden. Das wollen aber die liberalen Neos nur bedingt. Denn sie sind bislang dafür eingetreten, dass Trinkgelder gänzlich abgabenfrei sind. Eine Einigung steht noch aus, was, wie der Standard schreibt, auch am „hohen emotionalen Stellenwert“ liege, den das Thema Trinkgeld in Österreich habe. Vielleicht sollte man ja auch in der Politik einfach mal „Passt scho!“ sagen.