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Ostmark: Grazer Finanzskandal überschattet Landtagswahl in der Steiermark – Politik | ABC-Z

Man kennt das von den Wahlen in den USA: Dass ein Kandidat mutmaßlich korrupt ist, unethisch handelt, das beeindruckt Wähler nur bedingt. Manchen ist es egal, andere finden es sogar cool.

In der Steiermark, einem österreichischen Bundesland mit etwa 1,3 Millionen Einwohnern, das gewöhnlich nicht im Zentrum des Weltgeschehens steht, wird am kommenden Sonntag der Landtag gewählt. Und die in Teilen rechtsextreme FPÖ, gegen die wegen eines ausgewachsenen Finanzskandals in Graz und der mutmaßlichen Veruntreuung von mindestens 1,8 Millionen Euro die Staatsanwaltschaft ermittelt, liegt in den Umfragen derzeit mit 32 Prozent schier uneinholbar vorn. Dahinter reihen sich die regierende ÖVP mit 27 Prozent ein und die SPÖ mit 23 Prozent, die mit den Konservativen in der Regierung sitzt.

Der Finanzskandal, der kurz vor der Wahl wieder einmal die Gemüter erregt, ist an Merkwürdigkeiten und Ungereimtheiten so reich, dass der Verdacht der Verschleppung von Ermittlungen, von Komplizenschaft und bewusster Irreführung der Behörden naheliegt. Der Fall war durch einen Whistleblower 2021 öffentlich geworden; im Wesentlichen geht es um den Missbrauch von Steuergeldern aus dem FPÖ-Klub in der steirischen Landeshauptstadt Graz. Aber er könnte weit hinaufreichen in der Parteihierarchie.

Einige der Grazer Protagonisten in dem Skandal sind auch in der Bundes-FPÖ wichtig

In Wien wird seit Jahren im sogenannten Spesenskandal um gefälschte Abrechnungen von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ermittelt. Einige der Protagonisten in Graz spielen auch eine wichtige Rolle in der Bundes-FPÖ. Der Finanzreferent des Grazer Gemeindeklubs der FPÖ jedenfalls zeigte sich nach Bekanntwerden der Vorwürfe selbst an. Er sei Einzeltäter, sagte er. Später, bei einem nächtlichen Treffen unter Alkoholeinfluss an einem Grazer Würstelstand, räumte der Mann ein, er habe das Geld natürlich „nicht alles allein gefladert“ (gestohlen). Der damalige Vizebürgermeister Mario Eustacchio war schon vorher zurückgetreten; er tauchte aber im April 2024 als parteifreier Abgeordneter wieder im Stadtrat auf – und macht weiter Lokalpolitik.

Einige FPÖ-Gemeinderäte wiederum forderten Transparenz und Aufklärung – und wurden von ihrer Mutterpartei daraufhin kurzerhand ausgeschlossen. Die Truppe um den angehenden Rechtsanwalt Alexis Pascuttini, der mittlerweile sagt, er wähne sich manchmal nicht in Graz, sondern in Neapel, gründete daraufhin eine eigene Partei, den KFG (Korruptionsfreier Gemeinderatsklub). Pascuttini sagt am Telefon auch: „Was bisher bekannt ist, ist nur die Spitze des Eisbergs.“

Gemeinderäte, die Aufklärung im Spesenskandal forderten, wurden von der FPÖ ausgeschlossen: das Rathaus von Graz. (Foto: Matthias Röder/DPA)

Pascuttini schloss sich dem Verfahren – derzeit wird gegen 18 Beschuldigte wegen Untreue, Veruntreuung, falscher Zeugenaussage, Beweismittelunterdrückung und Nötigung ermittelt – als Privatbeteiligter an. Er hatte monatelang Akteneinsicht, wurde aber nach einer Beschwerde der FPÖ von der Staatsanwaltschaft vom Verfahren wieder ausgeschlossen. Erst eine Klage, die bis zum Oberlandesgericht ging, rückte die Dinge zurecht.

Überhaupt: die Justiz. Anfangs ermittelte die Staatsanwaltschaft Graz, nach ein paar Monaten wurde allerdings befunden, sie sei befangen. Der Akt ging nach Klagenfurt, wo eine Staatsanwältin wenig voranbrachte. Beweismittel aus Hausdurchsuchungen waren nach zwei Jahren immer noch nicht gesichtet, wichtige Zeugen wurden nie vernommen. Einer beging, obwohl es zahlreiche Hinweise auf seine Insiderinformationen gab, Selbstmord, bevor die Staatsanwaltschaft feststellte, dass seine Aussage hätte relevant sein können.

Nach einer Dienstaufsichtsbeschwerde des KFG-Abgeordneten Pascuttini ließ sich die ermittelnde Staatsanwältin im Sommer nach Wien ins Justizministerium versetzen. Nun ist ein anderer Jurist an der Sache dran – und die Dinge beschleunigen sich. 40 Personen sollen befragt werden, es gibt mittlerweile zahlreiche Ermittlungsstränge, und in Graz wird von Drogen und Briefkastenfirmen gemunkelt. Im Detail ist das aber nur schwer aufzuklären, weil Belege aus fünf Jahren von der FPÖ vernichtet wurden. Das eint sie mit der FPÖ im Bund, dort wurden auch Teile der Buchführung vernichtet.

Steuergelder für Ski- und Badeurlaube, Faschingskostüme – und eine Vakuumpumpe

Die Ermittlungen beschleunigen sich aber andererseits nicht so sehr, dass eine Anklage noch vor der Landtagswahl zu erwarten stünde. Das hilft wiederum dem steierischen FPÖ-Landeschef Mario Kunasek, der am Sonntag Landeshauptmann werden will. Gegen ihn wird wegen Falschaussage und Unterdrückung von Beweismitteln ermittelt.

Kurz vor der Wahl fand am vergangenen Donnerstag noch eine Sondersitzung im Gemeinderat statt, in der es um sogenannte freie Verfügungsmittel der Abgeordneten ging. Der ehemalige FPÖ-Abgeordnete Eustacchio, also jener, der jetzt freier Gemeinderat ist, hatte in seiner alten Funktion unter anderem Steuergeld ausgegeben für: Ski- und Badeurlaube, eine Loge beim Wiener Akademikerball, teure Geschenke, Besuche bei Burschenschafterbällen, Faschingskostüme und eine Vakuumpumpe. Wofür die nötig war? „Googeln Sie nicht“, hatte Pascuttini geraten.

Die Neos hatten das Verfügungsgeld abschaffen wollen, die Parteien- und Klubförderung reichten aus, sagt der Neos-Abgeordnete Philipp Pointner am Telefon. Aber dafür habe sich keine Mehrheit gefunden, eine entsprechende Petition sei in einem Unterausschuss verschwunden. „Wir kämpfen seit Langem vergeblich für mehr Transparenz und mehr Finanzkontrolle“, so Pointner.

Der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier sagt zum erwarteten Wahlsieg der FPÖ in der Steiermark, die lange Ermittlungsdauer habe den Druck auf die Partei gemindert. Auch sei es Landeschef Kunasek gelungen, so zu tun, als sei das Ganze nur ein lokaler Skandal, in den er persönlich nicht involviert sei. Und dann, so Filzmaier, sei die FPÖ eben sehr erfolgreich darin, die Wähler glauben zu machen, die anderen Parteien seien ebenso korrupt. „Das ist leider nicht nur partei-, sondern auch demokratieschädigend.“

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