Neue Zweifel um Atomendlager Schacht Konrad in Salzgitter | ABC-Z

Schacht Konrad ist ein ehemaliges Eisenerzbergwerk. Das Land Niedersachsen hatte 2002 die Genehmigung erteilt, die Grube zum nationalen Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle umzurüsten. Sie gilt für bis zu 303.000 Kubikmeter Atommüll. Dieser stammt aus dem Betrieb und dem Abriss von Atomkraftwerken, zum kleineren Teil auch aus Forschung und Medizin. Die Kosten für den Umbau hat die zuständige Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) mit rund 5,5 Milliarden Euro beziffert.
Grund für die drohende Verzögerung ist den Recherchen zufolge die sogenannte Gehobene wasserrechtliche Erlaubnis, die 2002 im Rahmen der Baugenehmigung erteilt wurde. Sie soll sicherstellen, dass von den Abfällen im Endlager keine Gefahr für das oberflächennahe Grundwasser ausgeht – das gilt auch für die mit den radioaktiven Stoffen verbundenen Metalle wie Platin, Quecksilber, Eisen oder Aluminium.
Der gesamte Atommüll, der hier eingelagert werden soll, darf demnach zum Beispiel nur 43 Kilogramm Quecksilber oder nur 11 Gramm Platin enthalten. Um das einzuhalten, könnte aber nur ein Bruchteil des geplanten Abfallvolumens untergebracht werden. 2010 hätten sich die Verantwortlichen des Endlagers deshalb eine „eigene Berechnungsgrundlage“ geschaffen, so BR und NDR.
Neue Berechnungsgrundlage
Als Kronzeugen zitieren sie einen langjährigen Lieblingsgegner der Anti-Atom-Bewegung, den Physiker Bruno Thomauske. Er war früher in leitender Funktion für das Bundesamt für Strahlenschutz tätig. Aktuell hat er einen Lehrstuhl an der RWTH Aachen inne. Der Wissenschaftler kommt in einer Analyse zu dem Schluss, dass Konrad „nicht in Betrieb gehen“ kann. Die neue Berechnungsgrundlage sei eine „wesentliche Veränderung“ der Gehobenen wasserrechtlichen Erlaubnis: „Dazu braucht man in der Regel Genehmigungsverfahren, in denen man begründet, weswegen höhere Mengen eingelagert werden.“
Ein solches sei aber nicht angestrengt worden. Die BGE habe sich das Vorgehen zwar von einer wasserrechtlichen Aufsichtsbehörde abnicken lassen, jedoch nicht beim niedersächsischen Umweltministerium genehmigen lassen.
Ein namentlich nicht genannter Berater des Bundesumweltministeriums sieht das ähnlich: „Konrad wird nicht in Betrieb gehen. Entweder wegen Genehmigungsproblemen oder weil alle paar Jahre neue wasserrechtliche Verordnungen und Gesetze erlassen werden, sodass eine Freigabe von Abfällen zur Einlagerung in Konrad nicht erfolgen kann“, zitieren ihn die Sender. Ein Scheitern des Endlagers sei daher das wahrscheinlichste Szenario.
Alles wie geplant
Die BGE indes geht weiterhin davon aus, dass das Endlager Konrad zu Beginn der 2030er in Betrieb gehen kann, wie Geschäftsführerin Iris Graffunder auf taz-Anfrage erklärte. Dies sei „unabhängig von der Gehobenen wasserrechtlichen Erlaubnis für die Abfälle“. Man sei „überzeugt, dass durch die Einlagerung der radioaktiven Abfälle keine unzulässige Belastung des nutzbaren Grundwassers entsteht, so dass die Schutzziele zu jeder Zeit eingehalten werden“. Die Abfälle sollten in etwa 850 Metern Tiefe versenkt werden, das nutzbare Grundwasser liege höher, es gebe keine direkte Verbindung von Tiefen- und Trinkwasser.
Unklar ist, inwieweit die Recherchen die laufende juristische Auseinandersetzung um das Endlager beeinflussen. Die niedersächsischen Landesverbände von BUND und NABU hatten im Oktober beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg Klage gegen eine Entscheidung des grünen Landesumweltministers Christian Meyer eingereicht, nachdem dieser einen Antrag auf Widerruf der Genehmigung für Schacht Konrad abgelehnt hatte.
„Wir haben mit unserem Antrag gestützt auf wissenschaftliche und juristische Expertise belegt, dass Schacht Konrad den Anforderungen an ein Endlager für radioaktive Abfälle nicht entspricht“, sagt die BUND-Landesvorsitzende Susanne Gerstner. Strahlende Abfälle in eine Eisenerzgrube zu bringen, ohne Rückholbarkeit zu gewährleisten und ohne genaue Kenntnis der geologischen Verhältnisse, sei unverantwortlich gegenüber künftigen Generationen.