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Ortsentwicklung in Taufkirchen: Schlagabtausch bleibt vorerst ohne Sieger – Landkreis München | ABC-Z

Die Initiatorinnen von vier Bürgerbegehren in Taufkirchen dürften sich vergangenes Jahr vorgekommen sein wie einst der Korinther König Sisyphus. Gleich zweimal warben sie im Ort um Unterstützung, um jeweils zwei Wohnbauprojekte in ihrer Gemeinde zu stoppen. Nachdem sie stets eine ausreichende Zahl von Unterschriften gesammelt hatten, reichten sie Ordner voller Listen im Rathaus ein – in der Hoffnung, dadurch Bürgerentscheide über die Vorhaben zu erreichen.

Doch ganz wie bei Sisyphus rollte auch hier der hinauf gehievte Felsbrocken ein ums andere Mal zurück ins Tal. Genauer gesagt: Er wurde vom Taufkirchner Gemeinderat hinuntergestoßen. Denn sowohl im April 2024 als auch vier Monate später erklärte das Gremium mit großer Mehrheit sämtliche vier Bürgerbegehren für unzulässig. Dies wollten die Initiatorinnen nicht akzeptieren, weshalb sie gegen die Entscheidungen des Gemeinderats klagten.

Und so betreten an diesem Mitttwochvormittag sowohl die Vertreterinnen des Bürgerbegehrens, Kathrin Schöber und Birgit Iser, als auch Taufkirchens Bürgermeister Ullrich Sander (parteifrei) – begleitet jeweils von Anwälten – den Sitzungssaal 4 des Verwaltungsgerichts in München. Gleich vier Verfahren werden dort nacheinander behandelt, eines für jedes abgelehnte Bürgerbegehren. Urteile gibt es nach fast vier Stunden mündlicher Verhandlung noch keine. Vielmehr kündigt die Vorsitzende Richterin Christine Gibbons an, die Entscheidung in drei Fällen an diesem Donnerstag, 31. Juli, bekanntzugeben. Das vierte Verfahren wird sich dagegen verzögern, da zugehörige Akten dem Anwalt der Klägerinnen erst mit Verspätung zugegangen waren.

Eine Prognose, wie das Gericht entscheiden wird, fällt schwer. Schließlich hält sich Gibbons in der Verhandlung mit Hinweisen zur vorläufigen Einschätzung ihrer Kammer zurück. Auffällig ist aber, dass die Richterin wiederholt bei den Initiatorinnen nachfragt, was nun genau ihre Ziele seien. Und vor allem: Wie einzelne Passagen aus den Fragestellungen und Begründungen ihrer Bürgerbegehren zu verstehen sind. Genau hier setzt auch die Kritik der Gegenseite an. „Das Problem der Unbestimmtheit zieht sich durch alle Verfahren“, betont Anwalt Wolfgang Würfel, der die Gemeinde vertritt. Ihm zufolge finden sich in den Bürgerbegehren „absolute Widersprüchlichkeiten und Falschbehauptungen“.

Bürgermeister Sander prangert vor Gericht „Falschaussagen“ in den Bürgerbegehren an

Dabei ist das übergeordnete Ansinnen der Initiatorinnen offensichtlich: Sie – und weit mehr als 1500 Menschen in Taufkirchen, die die Begehren unterstützt haben – wollen zwei Vorhaben auf einem derzeit unbebauten Areal östlich der Münchner Straße im Herzen der Gemeinde verhindern. Zum einen betrifft dies Pläne für ein Neubauquartier mit Seniorenzentrum, Betreutem Wohnen und einer Wohnbebauung im Westen des Geländes nahe dem Hachinger Bach. Zum anderen richtet sich die Kritik gegen ein Projekt mit 200 Wohnungen am östlichen Ende des Areals zwischen Postweg und Dorfstraße.

Im Gemeinderat hat es für beide Vorhaben klare Mehrheiten gegeben – trotz des Protests, vor allem von Anwohnern. Sie fürchten eine Verkehrszunahme durch die Neubaugebiete und wollen die Grünfläche als Erholungsgebiet erhalten. Zudem machen die Initiatorinnen der Begehren geltend, dass die Gebiete bei einer Versiegelung ihre Funktionen als Frischluftschneise und Versickerungsfläche bei Hochwasser einbüßen würden – Argumente, die seitens des Rathauses zurückgewiesen werden.

Die Bürgerbegehren enthielten noch weitere „Falschaussagen“, kritisiert der Bürgermeister im Gerichtssaal. Zudem seien die Fragestellungen unklar. „Ich wüsste als Bürger nicht, was damit gemeint ist“, betont Sander. Auf diesen Aspekt hat sich auch der Gemeinderat bei seinen Entscheidungen berufen. Vor allem aber monierte er bei den ersten zwei Bürgerbegehren, dass beide auf einem gemeinsamen Infoblatt beworben wurden, was eine „unzulässige Koppelung“ sei. Bei ihrem abermaligen Anlauf verzichteten die Initiatorinnen dann auf ein solches Infoblatt; zudem formulierten sie neue Fragestellungen. Doch erneut erklärte der Gemeinderat die Begehren für unzulässig. Zum einen wurde dabei auf eine missverständliche Formulierung hingewiesen. Zum anderen führte der Gemeinderat an, dass der Bebauungsplan für das Projekt an der Dorfstraße inzwischen schon beschlossen sei.

Diesbezüglich erhebt Kathrin Schöber in der Verhandlung den Vorwurf, dass das Rathaus ein rechtzeitiges Einreichen des Bürgerbegehrens bewusst verhindern wollte – und zwar, indem sie anfangs falsche Angaben zur Zahl der benötigten Unterschriften erhielt. Dies betreffe jedoch lediglich die damalige Situation, gibt Christine Gibbons zu bedenken. Die Kammer müsse bei ihrer Entscheidung aber den jetzigen Stand berücksichtigen, da die Klage ja auf eine Zulassung des Bürgerbegehrens abziele, so die Richterin. „Und der Bürger kann nicht über die Vergangenheit abstimmen.“

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