Ornella Vanoni: Italienische Sängerin ist tot – Kultur | ABC-Z

Es ist natürlich unfair, eine solche Karriere und mehr als sieben Jahrzehnte auf der Bühne, in einem einzigen Lied zusammenzufassen. Wollte man es trotzdem benennen, das eine Lied, das auf ewig mit seiner Künstlerin verbunden ist, dann wäre das im Fall von Ornella Vanoni: L’appuntamento. Ein Liebeslied, ursprünglich aus Brasilien, bei dem man kein Italienisch können muss, um das ganze Drama zu verstehen. Vanoni hat es 1970 gesungen und seitdem so oft, dass sie es selbst leid war, wie sie sagte.
2004 wurde L’appuntamento international bekannt, durch den Hollywoodfilm Ocean’s Twelve. Was mitverantwortlich dafür sein dürfte, dass mancher die Melodie kennt, auch wenn ihm der Name der Interpretin zunächst nichts zu sagen scheint.
In Italien dagegen war Ornella Vanoni auch vor Ocean’s Twelve längst eine Institution. Eine „Legende“, schreiben die Zeitungen jetzt, nach ihrem Tod mit 91 Jahren, ein „Mythos“, eine „Ikone“, eine „Königin“. Erst vor zwei Wochen war sie das letzte Mal im Fernsehen zu sehen. 2024, fast neunzigjährig, sang sie ihr letztes Konzert in den Caracalla-Thermen in Rom. Vanoni hat die Italienerinnen und Italiener über Jahrzehnte begleitet, mit ihren Auftritten, vor allem aber mit ihren Liedern. Senza Fine, geschrieben von Gino Paoli, ein Walzer, ist vielleicht Italiens Hochzeitslied schlechthin.
Begonnen hatte Vanoni auf der Bühne nicht als Sängerin, sondern als Schauspielerin. 1953 wurde sie Teil des „Piccolo Teatro“ in ihrer Heimatstadt Mailand, wo sie unter der Regie von Giorgio Strehler bald auch sang, wie ihre Kollegin Milva. Es folgten die ersten Musikaufnahmen. Italien erlebte den boom economico, den Wirtschaftsaufschwung der Nachkriegszeit, und die Hochphase der musica leggera, dieser vermeintlich leichten, klassisch italienischen Popmusik.
Über das Altern hat Vanoni immer wieder gesprochen, ironisch und trocken
Vanoni sang Domani è un altro giorno, La musica è finita und La voglia, la pazzia. Sie wurde immer erfolgreicher, heiratete, was sie später als Fehler bezeichnete, bekam einen Sohn, gründete eine eigene Plattenfirma. Ihre Liebesbeziehungen füllten die Klatschblätter. Im Gegensatz zu anderen Idolen der Sechziger- und Siebzigerjahre machte Ornella Vanoni jedoch immer weiter und weiter, bis zuletzt.
Sie hat zahlreiche Künstler geprägt und nahm Songs zusammen mit wesentlich jüngeren Musikerinnen und Musikern auf. 2021 mit dem Songwriter-Duo Colapesce/Dimartino, 2024 mit der Sängerin Elodie und dem Sänger Mahmood. Entsprechend fallen die Reaktionen auf ihren Tod aus. Gianna Nannini, Jovanotti, Laura Pausini, Vasco Rossi – so ziemlich der ganze italienische Pop verneigt sich via Instagram vor Vanoni, ihr Tod ist ein wenig auch ein Social-Media-Ereignis.
Über das Altern hat Vanoni immer wieder gesprochen, ironisch und trocken. 2023 stand sie auf der Bühne des Musikfestivals von Sanremo, ihren achtzigjährigen Kollegen Gianni Morandi begrüßte sie mit der Frage, welches Körperteil ihm gerade wehtue, bei ihr sei’s das Bein. Zum Abschied ließ sie sich einen Strauß Artischocken schenken.
Über den eigenen Tod sprach Vanoni ähnlich nüchtern. Aus Anlass ihres neunzigsten Geburtstags vor etwa einem Jahr gab sie der Journalistin Natalia Aspesi, selbst 96, ein Interview für die Zeitung La Repubblica. Es ist ein Gespräch voller Wärme und Klugheit. Vanoni sagt darin, sie, die Alten, seien viel zu viele. Weswegen man halt irgendwann sterben müsse. Darauf Apesi: Ob ihr das keine Angst mache, dass ihr Leben irgendwann vorbei sei? Vanoni: Nein. Aspesi also: Wo man gerade schon so fröhlich beim Thema sei – ob sie sich den eigenen Tod vorstelle? Woraufhin Vanoni sagt: Ja. Im Bett. Ganz in Ruhe.
Am Freitagabend ist Ornella Vanoni in ihrer Wohnung in Mailand gestorben.





















