„One big beautiful bill“: Ein Etappensieg für Trump | ABC-Z

Nach dem Votum im Senat wandte sich Donald Trump gleich dem Repräsentantenhaus zu. Der amerikanische Präsident forderte am Dienstag die Republikaner in der ersten Kongresskammer auf, vereint zu bleiben und mit Ja zu stimmen. Die zweite Kammer hatte gerade nach einer Nachtsitzung und Einzelgesprächen von Mehrheitsführer John Thune mit Wackelkandidaten doch noch für das Megagesetz gestimmt, das Trump sich so sehr gewünscht hatte. Drei Senatoren aus den eigenen Reihen verweigerten die Zustimmung, so dass die Stimme von Vizepräsident J. D. Vance den Ausschlag gab: 51 zu 50 Stimmen für einen Gesetzentwurf, der die normative Grundlage für Trumps Agenda sein soll. Nun muss sich von Mittwoch an das Repräsentantenhaus mit der Fassung des Senats befassen.
Trump zeigte sich dankbar. Fast alle Republikaner hätten für den „one big beautiful bill“ gestimmt, frohlockte er auf seiner Plattform „Truth Social“. Wenn das Repräsentantenhaus nun folge und die „gelegentlichen Wichtigtuer“, also die Abweichler bei den Republikanern, ignoriere, könne das Gesetz am 4. Juli, am amerikanischen Unabhängigkeitstag, zur Unterschrift auf seinem Tisch liegen.
Nun ist Mike Johnson an der Reihe
Auch Thune zeigte sich erleichtert: Seit dem Machtwechsel zu Jahresbeginn hätten sich die Republikaner darauf konzentriert, diesen Gesetzentwurf zu verabschieden. Nun habe man es geschafft. Der Mehrheitsführer verschwieg, dass er eigentlich kein Megagesetz wollte. Er wollte die Steuer- und Ausgabenpolitik voneinander trennen, weil er wusste, wie schwierig es werden würde, die Fraktionen der Präsidentenpartei im Kongress zusammenzuhalten. Er hatte sich aber dem Willen des Präsidenten letztlich beugen müssen. Thune, dem die vergangenen Wochen in den Kleidern steckten, hatte seinen Teil der Arbeit getan.
Nun ist Mike Johnson, der Sprecher des Repräsentantenhauses, an der Reihe. Er forderte seine Fraktion auf, zusammenzukommen. Man schulde das dem amerikanischen Volk. Ob die Fiskalkonservativen vom „Freedom Caucus“, dem Rechtsaußen-Flügel der Fraktion, folgen, ist offen. Die Mehrheit der Präsidentenpartei in der ersten Kammer ist denkbar knapp.
Höhere Ausgaben für Sicherheit und Verteidigung, Einsparungen bei Medicaid
Der Steuer- und Ausgabengesetzentwurf, der mehr als 900 Seiten umfasst, würde Trumps Steuerreform von 2017 verlängern, die ansonsten in Teilen zum Jahresende auszulaufen droht. Zudem wickelt er Initiativen des Demokraten Joe Biden ab, etwa im Bereich der Elektromobilität und der erneuerbaren Energien, und er erhöht die Ausgaben im Bereich der Grenzsicherung und der Verteidigung. Einsparungen sieht er etwa bei Medicaid vor, der staatlichen Krankenversicherung für Geringverdiener und für Menschen mit Behinderungen. Vor allem sieht der Entwurf vor, die Schuldenobergrenze um fünf Billionen Dollar zu erhöhen, was bei den Fiskalkonservativen besonders umstritten ist. Sie beklagen, dass im Senatsentwurf die Bestimmungen des Repräsentantenhauses an wichtigen Stellen geändert wurden. So würde die Staatsverschuldung deutlich mehr steigen, als in der Version der ersten Kongresskammer vorgesehen.
Im Senat stimmten drei Republikaner gegen den Entwurf – aus unterschiedlichen Gründen: der libertäre Rand Paul aus Kentucky ebenso wie die Moderaten Susan Collins aus Maine und Thom Tillis aus North Carolina. Letzterer ist das jüngste Opfer des Präsidenten. Er hatte inmitten der Verhandlungen angekündigt, er werde sich im kommenden Jahr nicht wieder zur Wahl stellen. Tillis hatte sich gegen die Kürzungen im Sozialbereich gestellt. Trump denkt längst darüber nach, welchen MAGA-Kandidaten er für ihn ins Rennen schicken soll.
Nachdem der Präsident schon erwogen hatte, der Legislative angesichts der Widerstände im Senat eine Fristverlängerung für die Beratungen anzubieten, konnte Thune am Dienstagmittag plötzlich einen Durchbruch vermelden: Er habe die Stimmen zusammen. Vorher hatte er Lisa Murkowski, die Senatorin aus Alaska, ins Beichtstuhlverfahren genommen, um eine Blockade zu brechen. In solchen Gesprächen wird ausgelotet, was ein Senator für seinen Bundesstaat haben möchte, um einer Paketlösung zuzustimmen. Letztlich erhielt die Trump-kritische Senatorin eine sozialpolitische Kompensation für die Medicaid-Kürzungen. Damit war ihre Stimme gesichert. Kurz darauf erschien Vizepräsident J. D. Vance, der kurzzeitige Senator aus Ohio, im Kapitol. Sein Votum sicherte die Mehrheit. Der Vizepräsident ist auch Vorsitzender der Senatskammer. In Pattsituationen gibt dessen Stimme den Ausschlag.
Themen für die Kongresswahlen 2026 zeichnen sich ab
Schon vor dem Votum im Repräsentantenhaus, das am Mittwoch erfolgen könnte, begann in Washington die Deutungsschlacht: Die Republikaner zeigten mit dem Finger auf die Demokraten. Ihr Nein sei ein Votum für die höchste Steuererhöhung in der Geschichte gewesen, was die Republikaner verhindern würden. Andere, wie Vance, machten deutlich, die Opposition hätte gegen die Sicherung der Südgrenze gestimmt – die Migrationspolitik war schließlich ein Gewinnerthema für Trump im Wahlkampf im vergangenen Jahr. Die Demokraten erwiderten, es handle sich um Steuererleichterungen für Besserverdienende, während 15 Millionen Amerikaner künftig Einschnitte bei der Krankenversicherung hinzunehmen hätten. So deutet sich schon an, mit welchen Themen beide Parteien im kommenden Jahr in die Kongresswahlen ziehen werden: die gleichen, die auch die Präsidentenwahl im vergangenen Jahr bestimmten.
Eines wird anders sein: Trump hat sich über das Megagesetz mit Elon Musk entzweit. Der Tech-Milliardär und zeitweilige Präsidentenberater in Sachen Regierungseffizienz fällt nicht nur als Großspender für die Republikaner aus. Er droht auch mit der Gründung einer dritten Partei in Amerika. Trump droht seinerseits, dem Mann, dessen Unternehmen von lukrativen Staatsaufträgen leben, „DOGE“ auf den Hals zu schicken – die Kahlschlagbehörde, für die Musk bis vor kurzem zuständig war.
Der Präsident zeigte sich am Dienstag zuversichtlich: Er glaube, es werde leichter sein, den Entwurf im Repräsentantenhaus zu verabschieden, als es im Senat gewesen sei.