Olympische Sommerspiele: Die Natur ist noch immer Herrin der Zeremonien | ABC-Z
Mit der Eröffnungsfeier dieser Olympischen Spiele hat das Fernsehen endgültig die digitale Herrschaft über die analoge Wirklichkeit Olympias übernommen. Während die Veranstaltung für die 320.000 Zuschauer vor Ort ein ziemlicher Schlag ins Wasser war, sah es in der Übertragung offenbar prima aus. Da wirkte das Fest “imposant, klug gemacht und die Stadt als Bühne wie eine perfekte Kulisse”, schrieb der Kollege Fabian Scheler im ZEIT-Liveblog. Da hatte ich gerade den Rückzug von der Tribüne im Trocadero angetreten, der Endstation der großen Schiffsparade auf der Seine. Noch war kein einziges Schiff zu uns gekommen, aber in meinen Schuhen schwappte schon das Wasser, und ich fürchtete um mein elektronisches Equipment. Und selbst die Staatsoberhäupter und anderen Prominenten auf der Ehrentribüne waren bereits komplett in durchsichtige Regenponchos eingetütet. Immerhin nivellierten sich so alle Standes-, Macht- und Einkommensunterschiede: Wir waren alle gleich nass.
Geradezu gespenstisch liest sich nun ein Satz, der sich im Programmheft der Zeremonie findet. “Die Natur ist die Herrin der Zeremonien”, hat Thomas Jolly dort geschrieben, der künstlerische Direktor der Feier. Er meinte zwar etwas anderes, nämlich dass die gigantische Show das Wasser der Seine nicht verschmutzen und die Fische darin nicht behelligen würde. Und nun hat Mutter Natur auf radikale Weise noch einmal klargestellt, dass sie sich um all die hochfliegenden Pläne und Ideen von uns Menschenkindern nicht schert.
Ein halbes Jahr intensiver Proben
Natürlich zieht es einem nachgerade das Herz zusammen, wenn man bedenkt, welch gigantischer Aufwand in der Veranstaltung steckt. Sie sollte das zuletzt ein bisschen ermattete Genre der olympischen Eröffnungsfeier auf ein nie gekanntes Level heben: 12 kunstvolle Tableaus zur französischen Geschichte, Kunst, Kultur auf sechs Kilometern, vom freundlichen “Enchanté” zu Beginn über die Themen Schwesterlichkeit und Solidarität bis zur Ewigkeit. All das ins Bild gesetzt von 3000 Mitwirkenden, begleitet von 6000 Athletinnen und Athleten auf 84 Booten. 20 Kreative haben über ein halbes Jahr lang am Drehbuch getüftelt; unter dem Motto Games Wide Open sollte die ganze Stadt zu einem Stadion werden und Sport zur Kunst.
Auch die bislang immer fein säuberlich getrennten Teile der Zeremonie sollten sich füreinander öffnen: Die bildmächtige Erzählung, wie sich die Gastgebernation selbst sieht (und in der Welt gesehen werden will), der Einmarsch der Athleten, schließlich das olympische Protokoll mit seinen Fahnen, Eiden, Hymnen und den erlösenden Worten, dass die Spiele nun endlich beginnen. Die Parade, so hat es sich der Regisseur gewünscht, solle uns einladen, “darüber nachzudenken, was uns verbindet und was unsere gemeinsame Menschlichkeit ausmacht”; sie verkörpere den Wunsch, in Frieden, Respekt und Verschiedenheit zusammenzuleben. Ein halbes Jahr wurde intensiv geprobt, um die Mammutaufgabe zu bewältigen. Auf den Bildschirmen in aller Welt war das wohl eine große Show – wir leibhaftigen Augenzeugen mit Blick auf den Eiffelturm haben aber auch nichts anderes gemacht, als auf einen der 71 riesigen Bildschirme zu starren. Oder den anderen auf der gegenüberliegenden Tribüne beim Zugucken zuzugucken.
Mit der Eröffnungsfeier dieser Olympischen Spiele hat das Fernsehen endgültig die digitale Herrschaft über die analoge Wirklichkeit Olympias übernommen. Während die Veranstaltung für die 320.000 Zuschauer vor Ort ein ziemlicher Schlag ins Wasser war, sah es in der Übertragung offenbar prima aus. Da wirkte das Fest “imposant, klug gemacht und die Stadt als Bühne wie eine perfekte Kulisse”, schrieb der Kollege Fabian Scheler im ZEIT-Liveblog. Da hatte ich gerade den Rückzug von der Tribüne im Trocadero angetreten, der Endstation der großen Schiffsparade auf der Seine. Noch war kein einziges Schiff zu uns gekommen, aber in meinen Schuhen schwappte schon das Wasser, und ich fürchtete um mein elektronisches Equipment. Und selbst die Staatsoberhäupter und anderen Prominenten auf der Ehrentribüne waren bereits komplett in durchsichtige Regenponchos eingetütet. Immerhin nivellierten sich so alle Standes-, Macht- und Einkommensunterschiede: Wir waren alle gleich nass.