Olympiabewerbung: Der deutsche Vierkampf um Olympia | ABC-Z

Nun wird also Olympia-Quartett
gespielt: Vier deutsche Städte und Regionen kämpfen darum, wer eines fernen
Tages Olympische Sommerspiele ausrichten darf. Dazu mussten Berlin, Hamburg,
München und die Region Rhein-Ruhr bis zum 31. Mai ihr Bewerbungskonzept beim Oberschiedsrichter
einreichen, dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Damit irgendwann aus
vier deutschen Bewerbern einer übrig bleibt.
Bis dahin wird es langwierig und
kompliziert – auch deshalb, weil sich auf den letzten Drücker die Spielregeln
geändert haben. Ursprünglich wollte sich Deutschland mit einem einzigen, nationalen
Konzept bewerben: Im ganzen Land ein bisschen Olympia, um die Last des
Mega-Events auf viele Schultern zu verteilen und Proteste dagegen erst gar
nicht aufkommen zu lassen – eine Lehre, die man aus den sieben gescheiterten
Bewerbungen zuvor gezogen hat. “Miteinander statt Gegeneinander” versprach der
DOSB 2022: “Wir verzichten auf eine nationale Konkurrenz und entwickeln das
Bewerbungskonzept gemeinsam mit den Städten und Regionen.” Das hätte auch
gepasst zu Reformbestrebungen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), das
die Spiele vergibt.
Doch im Vorfeld der Spiele von
Paris änderte das IOC seine Meinung: Weil in der französischen Hauptstadt die
meisten Wettkämpfe an ikonischen Orten im Stadtzentrum stattfanden und einzigartige
Bilder lieferten, sollen auch die Wettbewerbe bei zukünftigen Spielen so dicht
wie möglich beieinander sein, und gerne an Sehenswürdigkeiten. Zudem soll ein Großteil der
10.500 Athletinnen und Athleten sowie der 5.500 Offiziellen in einem zentralen olympischen
Dorf wohnen. Bei einem Hintergrundgespräch Anfang 2024 erfuhr der DOSB vom
Sinneswandel des IOC hin zum sogenannten One Village Concept.
Münchens Botschaft: Seht her, wir wissen, wie man’s macht
Da die Sportler nun maximal 50
Kilometer Luftlinie oder 60 Autominuten von ihrem Wettkampfort entfernt unterkommen
sollen, waren alle Pläne für eine deutschlandweite Bewerbung hinfällig. Anfang
2025 stellte der DOSB einen neuen Leitfaden bereit, an dem sich die Bewerbungen
zu orientieren haben. Kaum vier Monate blieben den Interessenten, die
ursprünglich zusammenarbeiten wollten, um sich auf das neue Spiel um das größte
Sportereignis der Welt vorzubereiten.
Den ersten Stich darin macht am 20.
Mai München. Die Stadt der Sommerspiele von 1972 prescht vor; unter dem
ikonischen Zeltdach des Olympiastadions präsentiert Ministerpräsident Markus
Söder detaillierte
Pläne (PDF), die der Stadtrat inzwischen abgenickt hat. Der Ort ist die zentrale
Botschaft: Seht her, wir haben schon alles, was man für Olympia braucht, wir
wissen, wie man’s macht. “Zu fast 100 Prozent” sollen bereits bestehende
Sportstätten genutzt werden. Im Zentrum steht der Olympiapark, der nach Süden
hin erweitert werden soll für Skateboard, BMX, Breaking, 3×3, Basketball. Dazu
kommen weitere, mehr als ein halbes Jahrhundert alte Stätten wie die Ruderstrecke
oder der Wildwasserkanal in Augsburg.
Von Paris abgeschaut hat man sich
Sport vor höfischer Kulisse: Bogenschießen vor dem Schloss Schleißheim,
Dressurreiten am Schloss Nymphenburg. Das Problem Schwimmen (in ganz
Deutschland gibt es derzeit keinen Pool, der olympischen Maßstäben genügt) will
man, auch das ähnlich wie in Paris, mit einem temporären Becken in einer bereits
geplanten neuen Arena am Flughafen lösen, die 2029 eröffnet werden und 20.000
Zuschauer fassen soll. Für Postkartenfotos sorgt das Freiwasserschwimmen im
Starnberger See. Und das olympische Dorf kommt nach Daglfing, wo ohnehin ein
neuer Stadtteil entstehen soll. Sogar für die Eröffnungsfeier gibt es schon
eine Idee: Olympia goes Oktoberfest – als sei’s der Wiesn-Umzug, könnten die
Athletinnen und Athleten auf bunt geschmückten Kutschen und Gespannen in die
Arena einziehen.
Ein Olympiastadion hat auch
Berlin zu bieten, und in dessen VIP-Loge treten eine Woche nach der “bajuwarischen
One-Man-Show”, wie man das in der Bundeshauptstadt nennt, gleich die Chefs von
fünf Landesregierungen an, um ihr Konzept Berlin+ zu präsentieren.
Um die Ankerstadt Berlin gruppieren sich die Länder Brandenburg,
Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Schleswig-Holstein; sogar Nordrhein-Westfalen ist
mit dem Reitturnier in Aachen als Außenposten dabei. Wie das alles in den
50-Kilometer-Radius um das olympische Dorf in Berlin passen soll, wissen die olympischen Götter allein.
Rhein-Rhur plant ein Wunder, weiß aber noch nicht, wo
Dafür
sind aber – wie in München – die meisten Sportstätten bereits vorhanden, auch
wenn viele davon erst mal “ertüchtigt” werden müssen, wie es genannt wird, wenn
man nicht generalsaniert sagen will. Das riesige Gelände der Spiele von 1936 bildet
das Zentrum, dazu kommen das Tempelhofer Feld und das Messegelände in Berlin (und
das in Leipzig). Gerudert wird in Brandenburg an der Havel, Kanu gefahren in
Markkleeberg, geschossen in Frankfurt an der Oder. Die
ikonischen Bilder sollen Beachvolleyball vor dem Brandenburger Tor und der Marathon über die Museumsinsel liefern.
Über mögliche Kosten schweigt man in der Hauptstadt vorerst, während sie in
München schon konkrete Zahlen auf der Basis des gegenwärtigen Preisniveaus hochgerechnet
haben: 5,3 Milliarden Euro für die reine Durchführung der Spiele und noch
einmal so viel für Baumaßnahmen wie das olympische Dorf und den U-Bahn-Ausbau. Verlässlich
sind solche Rechenspiele zum jetzigen Zeitpunkt aber ohnehin nicht.
In Nordrhein-Westfalen wird zur
Präsentation der Pläne für Rhein-Ruhr am vergangenen Mittwoch wie in alten
Zeiten nur eine Pressemappe verteilt. Darin: eine Liste der Sportstätten und ein
paar ausgedruckte und zusammengetackerte Statements der Verantwortlichen aus fast
zwanzig beteiligten Städten und Gemeinden. Organisatorisch verantwortlich ist vorerst
die Landeshauptstadt Düsseldorf, Frontrunner ist der Ministerpräsident Hendrik
Wüst. Er preist NRW als “The Powerhouse of True Sport” und wuchert damit, dass
nicht nur 95 Prozent der Arenen schon existieren, sondern deren Größe auch
einen Rekord möglich macht: 10 Millionen Tickets können angeboten werden – das wären
mehr Zuschauer als je zuvor bei Olympia. Mindestens einen Weltrekord kann Wüst
zudem schon für die Schwimmwettbewerbe versprechen: Sie sollen in einem
temporären Pool in der Arena auf Schalke stattfinden, vor 60.000 Zuschauern.
Das Herzstück aller Spiele, ein Leichtathletikstadion,
gibt es allerdings noch nicht. Damit man sich darüber nicht lange den Kopf
zerbricht, liegen in der Pressemappe vier hübsche Visualisierungen für das “erste
modulare Leichtathletikstadion mit Olympischem und Paralympischem Dorf”. Dort
könnten 90 Prozent aller Athleten unterkommen; die Arena für 50.000 Zuschauer
soll nach den Spielen umgebaut werden zum grünen Zentrum eines neuen
Stadtteils. Und das Beste daran: Man weiß noch nicht mal, wo genau dieses
Wunder vollbracht werden soll – sowohl in Essen als auch in Köln gäbe es einen geeigneten
Standort. Das bedeute “Planungssicherheit durch Flexibilität”, sagt Wüst.