Olympia in Paris: Der Trost der Spiele | ABC-Z
Als der olympische Tross mit seinen Tausenden Athleten, Funktionären, Journalisten vor zwei Jahren Peking verließ, war die Erleichterung groß. Endlich schien die Ära der Problemspiele zu Ende, die 2014 mit Wladimir Putins naturzerstörerischem Größenwahn in Sotschi begonnen hatte – nur dass nach der Schlussfeier mit der Eroberung der Krim ein noch grausamerer Schrecken seinen Anfang nahm.
Es folgten ein gekauftes Sommerfest in Rio 2016 (dessen Organisator später wegen Schmiergeldzahlungen zu 30 Jahren Haft verurteilt wurde) und Retortenspiele im südkoreanischen Hinterland, wo die Zuschauerinnen und Zuschauer mit Wintersportarten fremdelten, die sie nie zuvor gesehen hatten. Schließlich zwei von Corona überschattete Geisterspiele: In Tokio waren keine Zuschauer zugelassen; aber immerhin konnten sich die Teilnehmenden, nachdem sie 14 Tage in der olympischen Quarantäne-Blase verbracht hatten, unters Volk mischen. Anderthalb Jahre später in Peking war selbst das nicht möglich. Und so war dort der schönste Moment für viele Beteiligte, als sie auf dem gespenstisch leeren Flughafen dem Pandemie-Regime entfliehen konnten und sich mit leuchtenden Augen versprachen: Auf Wiedersehen in Paris!
Für einen Moment unterwerfen sich Vertreter aller Länder gemeinsamen Regeln
Dort, in einer echten Sportmetropole und gefestigten Demokratie, in Stadien an ikonischen Orten wie unter dem Eiffelturm und im Schlosspark von Versailles, sollte alles besser werden. Die Eröffnungsfeier mit einer Bootsparade auf der Seine vor Hunderttausenden Zuschauern war wie eine Verheißung: Endlich könnte Olympia politische Überfrachtung und Corona hinter sich lassen. Doch nun, da es wirklich losgeht, zeigt sich: Das größte Fest der Menschheit, an dem 206 Nationen teilnehmen werden, kann der Welt ringsum nicht einmal für zweieinhalb Wochen entkommen.
Mit Putins Angriff auf die Ukraine stellte sich früh die Frage, wie das vom pazifistisch gesinnten Baron Pierre de Coubertin gegründete Internationale Olympische Komitee die Sportsoldaten des Kriegstreibers behandeln würde. Als es einen pauschalen Ausschluss aller russischen und belarussischen Athleten ablehnte, war die Kritik zunächst scharf: Der deutsche IOC-Präsident Thomas Bach traue sich nicht, seinem Freund Putin auf die Füße zu treten. Doch es zeigt sich, dass die Überprüfung jedes einzelnen Sportlers, seiner Einstellung zum Krieg und Nähe zur Armee, eine nicht in jedem Fall perfekte, aber doch wirksame Waffe war: Kaum mehr als je ein Dutzend Athletinnen und Athleten aus den beiden Ländern werden in Paris an den Start gehen dürfen, ohne Flagge, ohne Hymne – die Ächtung des russischen Imperialismus hat funktioniert, zumindest in den Grenzen des olympischen Dorfs.
Auch für die Franzosen selbst sind ihre Spiele längst ein Politikum. Mehr als 50.000 Soldaten und Polizisten marschieren auf, um sie zu schützen. Zwar ist die Grande Nation derart gespalten, dass länger nicht einmal klar war, wer neben Präsident Macron auf der Ehrentribüne die Regierung des Landes repräsentiert. Dass es zumindest kein Rechtsextremist sein wird, verdankt sich allerdings – schöne vorolympische Pointe – auch ein bisschen dem Sport. Fußballer aus Frankreichs divers besetzter Nationalmannschaft wie Kylian Mbappé hatten sich mit kraftvollen Appellen an die Öffentlichkeit gewandt, um einen Durchmarsch der Fremdenfeinde zu verhindern.
Die Olympischen Spiele werden also politisch instrumentalisiert – und sind zugleich eine politische Kraft. Sie versuchen zumindest, ökologisch nachhaltiger zu werden. In einem eigenen Olympia-Team finden Geflüchtete wenigstens für einen symbolischen Moment eine Heimstatt. Zum ersten Mal in ihrer 128-jährigen Geschichte sind gleich viele Frauen und Männer am Start – eine Geschlechtergerechtigkeit, von der die Weltklasse-Performer in den deutschen Konzernvorständen noch weit entfernt sind. Und Olympia schafft es, dass sich für einen kurzen Moment 10.500 Vertreter aller Länder dieser Erde gemeinsamen Regeln unterwerfen und einen fairen Umgang miteinander geloben.
Das mag eine naive, vielleicht auch kitschige Erzählung sein. Aber wer will, wer kann leben ohne solchen Trost? 1,5 Milliarden Menschen werden Schätzungen zufolge die Eröffnungsfeier verfolgen. Sie wollen sich am friedlichen Wettstreit der Nationen freuen und an den sportlichen Höchstleistungen, die ein Sinnbild dessen sind, was der Mensch alles schaffen und welche Hindernisse er überwinden kann. Wenn er nur will.
Als der olympische Tross mit seinen Tausenden Athleten, Funktionären, Journalisten vor zwei Jahren Peking verließ, war die Erleichterung groß. Endlich schien die Ära der Problemspiele zu Ende, die 2014 mit Wladimir Putins naturzerstörerischem Größenwahn in Sotschi begonnen hatte – nur dass nach der Schlussfeier mit der Eroberung der Krim ein noch grausamerer Schrecken seinen Anfang nahm.
Es folgten ein gekauftes Sommerfest in Rio 2016 (dessen Organisator später wegen Schmiergeldzahlungen zu 30 Jahren Haft verurteilt wurde) und Retortenspiele im südkoreanischen Hinterland, wo die Zuschauerinnen und Zuschauer mit Wintersportarten fremdelten, die sie nie zuvor gesehen hatten. Schließlich zwei von Corona überschattete Geisterspiele: In Tokio waren keine Zuschauer zugelassen; aber immerhin konnten sich die Teilnehmenden, nachdem sie 14 Tage in der olympischen Quarantäne-Blase verbracht hatten, unters Volk mischen. Anderthalb Jahre später in Peking war selbst das nicht möglich. Und so war dort der schönste Moment für viele Beteiligte, als sie auf dem gespenstisch leeren Flughafen dem Pandemie-Regime entfliehen konnten und sich mit leuchtenden Augen versprachen: Auf Wiedersehen in Paris!