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Olympia 2024: Lukas Dauser – Viereinhalb Stunden nach dem Wettkampf findet er doch sein Happy End | ABC-Z

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Als in der Bercy Arena die Siegerehrung zum olympischen Barren-Finale läuft, steht Lukas Dauser in den Katakomben und sucht nach den richtigen Worten. „Da ist viel Leere in meinem Kopf“, sagt der 31-Jährige. „Der Weg hierher, dass ich überhaupt hier bin, macht mich auch stolz – bis ich das allerdings wirklich checke, wird es Zeit brauchen. Es ist so schade, so bitter für mich.“ Es liegt kein Ärger, kein Frust in seiner Stimme, sondern Traurigkeit. „Ich hätte mir ein Happy End sehr gewünscht, dass ich eine schöne Übung turne.“

Lukas Dauser, sein Trainer Hubert Brylok, Dausers schwangere Ehefrau Viktoria, seine Mutter, die Freunde und Fans in der Halle – sie alle hatten auf ein Turn-Märchen gehofft. Doch es blieb aus.

30 Minuten vorher. Den rechten Oberarm mit einer dicken, weißen Bandage geschützt – eigentlich ein Knieschoner aus dem Volleyball –, tritt Dauser an den Barren. Olympisches Finale in Paris. Dass er hier steht, 44 Tage nach einem Muskelbündelriss im Bizeps, war ein Kraftakt und ist ein kleines Wunder. Die Chance war äußerst gering, aber er nutzte sie.

Eigentlich hatte der 31-Jährige seit Beginn des Jahres ein neues Element einstudiert, wollte den Schwierigkeitsgrad seiner Weltmeister-Übung nach oben schrauben, um den Topfavoriten Zou Jingyuan aus China vielleicht herausfordern zu können. Es wäre ein Oberarm-Diamidow mit halber Drehung gewesen: aus dem Unterarmhang anderthalb Drehungen (statt bisher eine) durch den Handstand. Aber das ist undenkbar seit jenem Tag in Rüsselsheim, als er im Kreuzhang an den Ringen einen plötzlichen Schmerz spürte und losließ. „Dass er überhaupt hier ist und es dann auch noch ins Finale geschafft hat – großes Lob, großen Respekt“, sagt Bundestrainer Valeri Belenki.

Lukas Dauser: „Danach war mir klar: Es ist vorbei“

Dauser, der Olympiazweite von Tokio hinter Zou Jingyuan, schwingt sich auf. Erst zum fünften Mal seit seiner Verletzung turnt er nun die komplette Übung, mehr war nicht möglich. Vielleicht ist dies sein letzter internationaler Auftritt, ganz sicher sein letzter olympischer. „Es steht im Raum, dass ich hier wahrscheinlich meine letzte Barren-Übung turnen werde, aber ich will noch keine Gedanken darüber verlieren“, sagte er vor drei Tagen im olympischen Dorf. „Da gibt es auch andere Personen, die Mitspracherecht haben.“ Im September wird er Papa.

Blick aus der Vogelperspektive: Lukas Dauser im olympischen Barren-Finale

Quelle: dpa/Morry Gash

Der 31-Jährige turnt, er ist der siebte von acht Athleten des Finals. Immer wieder Anfeuerungsrufe aus der deutschen Ecke. „Auf geht‘s“, ruft jemand. „Lukas besitzt ein besonderes Talent“, schwärmt Belenki gern: „Er bewegt sich von Element zu Element wie ein Kater – das unterscheidet ihn von den Chinesen und anderen.“ Dauser hat seinen ganz eigenen Stil, turnt anders, weicher, dazu stets sehr sauber, akkurat. Normalerweise. Dieser Tag ist anders. Makudz aus dem Aufstemmen, Tsolakidis genannt. Dauser verlagert sich leicht falsch, seine Füße berühren den Holm.

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„Dieser Moment tat unheimlich weh“, wird sein Trainer später sagen. „Im Herzen. Bei uns beiden.“ Und Dauser: „Der Fehler ist mir noch nie passiert. Ich bin mit meinem rechten Arm etwas inaktiv gegangen, war dann etwas schief, habe den Holm touchiert. Danach war mir klar: Es ist vorbei.“

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Es folgen weitere, kleine Fehler. Abgang. Dauser presst die Lippen aufeinander, setzt sich hin und kneift die Augen zusammen. Es ist nicht der Oberarm, der schmerzt. Neben ihm sitzt sein Trainer, stupst ihn aufmunternd an. Warten auf die Wertung, doch der Medaillentraum ist geplatzt. Die Hoffnung auf eine schöne Übung zu seinem olympischen Abschluss – Dauser konnte sie sich nicht erfüllen.

„Mir tut der Junge so leid“, sagt der Trainer

Direkt vor ihm war Topfavorit Zou Jingyuan an der Reihe gewesen. „Ein Jahrhunderttalent“, sagte Dauser vorher, „wenn er durchkommt, ist er nicht zu schlagen.“ 16,200 Punkte erhielt der Chinese – damit war Gold vergeben. Selbst bei einer blitzsauberen Leistung wäre Dauser nicht herangekommen, aber Bronze, vielleicht auch Silber hätte es mit dieser Übung ohne das neue Element sein können. Doch die Fehler wiegen zu schwer. Seine Wertung leuchtet auf: 13,700 Punkte, am Ende wird es Rang sieben für den Olympia-Zweiten von 2021 und den Weltmeister von 2023.

„Wir wissen beide, was wir, vor allem natürlich Lukas in den letzten Wochen investiert hat. Das grenzt an blanken Wahnsinn, wie er sich geschunden hat, wie er gekämpft hat, um wieder heranzukommen“, sagt Brylok. „Mir tut der Junge so leid.“

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Was war der Grund gewesen? Dauser berichtet, es sei schon am Morgen nicht gut losgegangen. Er hatte die Akkreditierung für die Mensa vergessen und kam nicht rein. Sein Physiotherapeut war gestürzt, er zog sich eine Rippenprellung zu. Vielleicht ein schlechtes Omen, denkt sich Dauser.

„Es fehlte die Zeit der Vorbereitung“, sagt der Trainer, auch dieser sieht das so – zumindest zum Teil: „Ich bin nicht in den Wettkampf gekommen, ich war schon da, aber nicht richtig.“ Er sucht nach Antworten. „Ja, ich konnte zu wenig Übungen turnen, war zu wenig in meinen Routinen. Dennoch war ich heute bereit. Ich hatte es drauf.“

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Kann er, der sich durch viele Verletzungen gekämpft hat, der 2017 kurz vor dem Karriereende stand, aber so aufhören? Das war nicht der Dauser dort draußen auf dem Podium, den man kannte. „Natürlich hätte ich heute gern eine schöne Übung gezeigt, aber dem jetzt hinterherzulaufen, nächstes Jahr bei der EM in Leipzig zu turnen und dann vielleicht einen Fehler zu machen? Und dann? Ich habe viel erreicht, mehr als ich mir je erträumt habe, und darauf bin ich stolz. Dass es heute nicht geklappt hat, darüber bin ich sehr enttäuscht.“ Wie es weitergeht, werde er gegen Ende des Jahres verkünden, sagt er.

Die nächsten Tage und Wochen, so schätzt er, werden nicht einfach. Weil er mehr wollte, weil er es „nicht gepackt hat“. Dauser hat dem Sport alles ungeordnet, arbeitet akribisch, ehrgeizig und zielstrebig, sein Trainer muss ihn mehr bremsen als anschieben. Aber das Wichtigste sei, sagt er im Moment der Enttäuschung, dass er für seine Familie, seine Frau und Freunde da sei. „Es kann nicht jeder ein Happy End haben“, sagt Lukas Dauser noch, „auch wenn ich Geschichten ohne Happy End nicht mag.“ Es klingt nach Abschied.

„Irgendwann man muss einen Schlussstrich ziehen“, sagt Dauser

Viereinhalb Stunden später ringt er sich dann doch noch zu einer Verkündung durch, die er in der Mixed Zone schon angedeutet hatte. Paris, Olympia, der Kampf um eine Medaille war sein „letzter, großer, internationaler Wettkampf“, berichtet Dauser im ZDF-Studio. Der Entschluss sei in ihm in den vergangenen Wochen und Monaten gereift. Er sei kurz nach dem Wettkampf „noch nicht bereit gewesen, das über die Lippen zu bringen. Denn wie dort gesagt: Ich mag keine Geschichte ohne Happy End.“

Aber, sagte Dauser, „dass ich hier sitzen kann und in Paris meine dritten Olympischen Spiele geturnt habe – ich bin Weltmeister geworden, habe Medaillen bei Olympischen Spielen gewonnen, auch bei Europameisterschaften. Ich habe mehr gewonnen, als ich es mir je hätte erträumen können. Auf mich warten neue Aufgaben, ich werde Papa. Ich will dem Sport erhalten bleiben. In welcher Funktion, weiß ich noch nicht. Aber irgendwann muss man einen Schlussstrich ziehen.“

Er war mit sich im Reinen, das war zu sehen. Es war zwar nicht der Abschluss, für den er trainiert hat, nicht das, was er wollte. Nicht das erhoffte Happy End. Dauser versucht es nun, anders zu sehen: „Für mich war das Happy End, dass ich hier war. Dieses Mal ist es keine Medaille, das wird mir ein bisschen nachhängen. Aber ich habe so eine tolle Familie, so tolle Freunde, so tolle Fans, die mich unterstützen. Ich freue mich auf die Zukunft und das, was da kommt.“

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