Oliver Kalkofe – „Ich bin zu blöd für was auch immer“-Tattoos | ABC-Z

Mit einem einzigen Beispiel brachte Sandra Maischberger auf den Punkt, wie weit Deutschland in Sachen Digitalisierung und Bürokratieabbau hinterherhinkt. Stellen Sie sich vor: Man „zieht von einem Bundesland ins nächste. Das Finanzamt telefoniert mit dem anderen Finanzamt. Es druckt eine digitale Akte aus. Diese wird per Post geschickt, an das Finanzamt des neuen Bundeslandes. Die Kollegen müssen dort alle Dateien nochmal eintippen. 20 Stunden dauert das quasi pro Umzug.”
Komisch ist das nur auf den ersten Blick. Auf lange Sicht kostet die überbordende Bürokratie nämlich nicht nur Zeit und Nerven, sondern auch jede Menge Geld. Laut einer Studie des ifo Instituts im Auftrag der IHK für München und Oberbayern entgehen Deutschland dadurch bis zu 146 Milliarden Euro pro Jahr an Wirtschaftsleistung. Einer, der das ändern möchte, ist Karsten Wildberger. Er ist Deutschlands erster Bundesminister für Digitales und Staatsmodernisierung und war am Dienstagabend zu Gast im Studio. Den Umbau der Bürokratie bezeichnete Wildberger schon zu Beginn des Gesprächs als „dickes Brett”, wobei der Umbau der öffentlichen Verwaltung ein „Megabrett” sei, bei dem er gleich an mehreren Stellen bohren müsste. Mit Kritik spart er nicht: „Wir haben es geschafft, aus 575 Leistungen, die wir online zugänglich machen wollten, zwischen 6000 und 8000 Varianten zu bauen.“ Ein Monstrum!
„Etwas aufzubauen mit einer Kettensäge, wäre jetzt nicht so meins“
Dabei stellt er klar, dass Veränderungen für ihn nicht bedeuten, alles mit der Kettensäge zu zerhacken, so wie es Javier Milei oder Elon Musk vorgemacht haben. Er arbeite lieber mit einem ganzen Werkzeugkoffer. „Ich glaube nicht an ein Instrument”, betonte Wildberger. „Etwas aufzubauen mit einer Kettensäge, wäre jetzt nicht so meins, aber in diesem Köfferchen da sind schon ein paar Instrumente drin. Eine Nagelschere, auch ein Hammer, eine Feile, vielleicht auch ein Tupfer.” Immerhin brauche man je nach Situation unterschiedliche Instrumente.
Karsten Wildberger (CDU), Bundesminister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung, war zum ersten Mal in einer Talkshow zu Gast.
© Kay Nietfeld/dpa | Kay Nietfeld
Als wichtigen Schritt für die digitale Transformation nannte Wildberger die sogenannte „digitale Brieftasche”, in der schon bald Dokumente wie Personalausweis, Führerschein und Krankenkassenkarte abrufbar sein sollen. Auch ein halbwegs konkretes Datum versprach der Minister bei Maischberger: „Die kommt Ende 26, vielleicht im Januar 27”, ist sich Wildberger sicher. „Wow”, entfuhr es Maischberger leise. Mit der Brieftasche könnten sich Bürger*innen ohne Papierunterlagen bei Behördenportalen registrieren oder blitzschnell ein neues Konto bei einer Bank eröffnen. Um die Sicherheit zu gewährleisten, sollen die Daten nicht auf amerikanischen Servern, sondern in einer „souveränen europäischen Cloud“ liegen, betonte er.
Friedrich Merz übertrug „gewaltige Aufgabe“
Die „gewaltige Aufgabe“, die ihm Friedrich Merz übertragen habe, sei ihm von Anfang an bewusst gewesen, sagte Wildberger. Seit seinem Amtsantritt sei seine Motivation aber eher gewachsen. Obwohl es die erste Talkshow für den Digitalminister war, ließ er sich von Maischberger nicht aus der Reserve locken. Warum ausgerechnet er nach all den Jahren, in denen zwar über Bürokratieabbau gesprochen, aber wenig umgesetzt wurde, nun für Veränderung sorgen könne, wollte die Moderatorin wissen. Ständig nach vergangenen Fehlern zu suchen, interessiere ihn nicht, erklärte Wildberger daraufhin. „Ich benutze den Rückspiegel, um nach vorne zukommen.” Jetzt sei es an der Zeit, Dinge anders zu machen. Etwa mit dem neu gegründeten Ministerium für Digitales und Staatsmodernisierung, in dem auch mal „Tacheles“ geredet werde, wenn etwas nicht vorangeht und jede Woche gemessen wird, wo man steht. „Neben dem Wollen kommt jetzt erst mal das Machen“, formulierte es Wildberger.
Nach vielen Jahren des Stillstands brauche Veränderung allerdings auch Zeit, räumt er ein und lobte zugleich die Regierung. Diese habe bereits „verdammt viel auf die Reihe bekommen in kurzer Zeit“. Eine Einschätzung mit der Wildberger an diesem Abend allerdings rechts alleine stand.
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Comedian Oliver Kalkofe kritisert fehlende Kommunikation
Mit Blick auf die jüngste Debatte zur Rentenreform und den Boykott von 18 jungen Abgeordneten der Union kritisierte Comedian Oliver Kalkofe besonders die fehlende Kommunikation zwischen den politischen Lagern. Sie erzeuge in der Bevölkerung das Gefühl, „die sind sich nie einig und wir spüren diese Verampelung“. Auch Handelblatt-Journalistin Annett Meiritz betonte den Ernst der Lage: „Jede Meinungsverschiedenheit birgt gerade die Gefahr eines Koalitionsbruchs und den können wir uns nicht leisten.“
Das sieht auch Journalistin Victoria Reichelt so, merkte allerdings an, dass mit der Rentenreform „eine Diskussion aufgeschoben wurde seit mehreren Jahrzehnten, die irgendwann an diesen krachenden Punkt kommt.“ Wenn die Koalition nach nur einem Jahr an dieser Frage zerbreche, könnten sich die Beteiligten „Ich bin zu blöd, für alles“ auf die Stirn tätowieren lassen, kommentierte Kalkofe provokant. Er forderte mehr politischen Willen, um den Menschen zu zeigen: „Wir können verhandeln, wir können reden.” In seinen Augen hätte eine frühere Debatte, in die auch junge Menschen einbezogen werden, einiges entschärfen können. Ein Muster, das sich auch bei der aktuellen Diskussion um die Wehrpflicht wiederhole. Auch dort kämen „diejenigen,um die es in der Zukunft geht, kaum zu Wort”. Eine Bemerkung, die im Studio für den lautesten Applaus des Abends sorgte.

















