Wirtschaft

Oktoberfest: Hotels, Achterbahnen, Hendl, Bier – Milliardengeschäft mit dem Volksfest | ABC-Z

Jedes Jahr bricht das größte Volksfest der Welt Rekorde. Für die Stadt München ist das Oktoberfest aber vor allem zentraler Wirtschaftsfaktor. Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht das eindrücklich. Erschreckend ist hingegen ein „Bier-Klau“ an den Besuchern – und die Zahl der „Bierleichen“.

Münchens wohl wichtigster Statistik wird an diesem Samstag um Punkt 12 Uhr ein weiterer Datenpunkt hinzugefügt: Wie viele Schläge wird Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) in diesem Jahr brauchen, um das erste Bierfass im Schottenhamel-Festzelt anzuzapfen und damit das größte Volksfest der Welt zu eröffnen? Die Leistung des Vorjahres ist kaum zu unterbieten, da brauchte Reiter nur zwei Schläge.

Das mag außerhalb der bayerischen Landeshauptstadt alles andere als relevant erscheinen, doch für einen Münchner Oberbürgermeister geht es bei dieser wichtigsten Aufgabe des Jahres immer wieder um die Ehre. Die Sache wird quasi bierernst genommen.

Kein Wunder, schließlich ist das Münchner Oktoberfest ein echter Wirtschaftsfaktor: Die Stadt beziffert den Wert des Volksfestes im vergangenen Jahr auf 1,49 Milliarden Euro. Allein direkt auf der Theresienwiese, dem Festplatz, der dem Oktoberfest auch seinen Kosenamen „Wiesn“ verleiht, haben die 7,2 Millionen Besucher 2023 rund 618 Millionen Euro für Bier, Hendl, Karussells, Achterbahnen und Zuckerwatte ausgegeben.

Jeder Wiesn-Gast ließ demnach pro Besuch fast 86 Euro in den Bierzelten und Fahrgeschäften. Fast so viel wie auf dem Festplatz gaben die Besucher mit 559 Millionen Euro noch einmal für Übernachtungen und Gastronomie in München aus, dazu kamen noch Taxifahrten, U-Bahntickets und andere Einkäufe. Dass noch Geld fürs Shopping bleibt, ist angesichts der Bier-Inflation der vergangenen Jahre erstaunlich.

Noch vor zehn Jahren sorgte das Durchbrechen eines historischen Grenzwertes beim Bierpreis für Schlagzeilen: Damals kostete die Mass, also ein Liter Bier, in den ersten Zelten auf der Wiesn 10,10 Euro, der Preis war damit erstmals auf einen zweistelligen Euro-Betrag gestiegen.

Über ein solches Schnäppchen würden sich die Oktoberfest-Besucher in diesem Jahr allerdings freuen. Seit 2014 hat der Bierpreis um 50 Prozent zugelegt, je nach Zelt muss man 2024 zwischen 13,60 Euro und 15,30 Euro für die Maß zahlen – plus Trinkgeld.

Dafür erhält man in den seltensten Fällen tatsächlich einen Liter Bier. Weil das Volksfest in München eine ernste Angelegenheit ist, kommt auch der Verbraucherschutz nicht zu kurz: Jedes Jahr untersucht das Kreisverwaltungsreferat der Stadt stichprobenartig, ob auch genug eingeschenkt wird.

Das Ergebnis ist jedes Jahr wieder – im wahren Sinn des Wortes – ernüchternd. Im vergangenen Jahr waren gerade mal 17,3 Prozent der untersuchten Maßkrüge bis zum Eichstrich gefüllt. Oder um es anders zu sagen: In vier von fünf Krügen zu wenig Bier. Bei 56,4 Prozent drückten die Kontrolleure ein Auge zu, weil die Biermenge noch im Toleranzbereich lag, 26,3 Prozent ließen sie zurückgehen und nachfüllen.

Doch auch die schlecht eingefüllten Krüge haben gereicht, um 2023 für 887 sogenannte Bierleichen zu sorgen – also Besucher, die wegen einer „Intoxikation“ vom Rettungsdienst versorgt werden mussten. Womöglich hatten sie nicht für die richtige Grundlage gesorgt: Traditionell gehört zum Oktoberfest eigentlich das halbe gegrillte Hähnchen.

Knapp 400.000 Stück verspeisten die Besucher vergangenes Jahr – vor fünf Jahren, vor Corona, waren es aber noch zehn Prozent mehr. Inzwischen werden auf der Wiesn auch mehr als 145.000 vegetarische und vegane Gerichte gegessen – aber auch immer noch 142 ganze Ochsen.

Philipp Vetter ist Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er berichtet über das Bundeswirtschaftsministerium, Wirtschaftspolitik, Energiepolitik, Verkehrspolitik, Mobilität und die Deutsche Bahn. Seinen exklusiven WELTplus-Newsletter können Sie hier abonnieren. Er ist seit 2021 Co-Host des WELT-Podcasts „Alles auf Aktien“.

Philipp Vetter

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