Oktoberfest: Anerkennung für die Zeitungszusteller – München | ABC-Z

Auch Schwiegersohn Jürgen war mal in dem Job, allerdings nur ein Jahr lang. „Des war ned mei Weda“, sagt dieses kernige Trumm Mannsbild, im Hauptberuf Polizist, auf gut Bairisch. Seine Frau Sabine, deren Schwester Angelika und die Mama sind dagegen immer noch dabei, Letztere schon seit sage und schreibe 60 Jahren. 84 Jahre alt ist Brigitte Maagh, und auch in absehbarer Zeit hat sie nicht vor, irgendwann mal nicht mehr jede Nacht die Süddeutsche Zeitung auszutragen. Sie sagt: „Ich trag’, bis ich sterb.“ Und damit willkommen beim sogenannten Zusteller-Fest der SZ!
Seit drei, vier Jahren gibt es beim „Poschner“ zwischen Hacker- und Schottenhamel-Zelt dieses dreistündige Dankeschön des Süddeutschen Verlags an die für den normalsterblichen SZ-Leser ja meist unsichtbaren Heilsbringer, an die man oft erst dann denkt, wenn sie mal nicht geliefert haben. Spendiert wurde ihnen nun pro Person vier Getränkemarken nebst Hendl, Ente mit Knödeln, Blaukraut und Soße.
:Ein Prinz protzt und Berben strahlt
Vom schillernden Gucci-Prinz bis zum zufriedenen Film-Boss – die Wiesnpromis der vergangenen Tage.
Rund 550 Austräger, Fahrer und weitere Mitarbeiter waren eingeladen, rund 300 sind gekommen: Junge, Alte, Dicke, Dünne, aus aller Herren Länder, in Tracht oder ohne, ein indischer Kollege aus der Abteilung Qualitätssicherung trägt einen dunkelblauen Turban zur Krachledernen. „Viele ausländische Studenten sind dabei“, sagt Brunhilde Azizi, eine von vier Gebietsleiterinnen der Zeitungsvertrieb GmbH, die sich seit Jahr und Tag mit den Behörden wegen der Arbeitserlaubnis manch potenzieller Austräger herumschlagen muss. „Studenten können sich das mit der Nachtarbeit neben dem Studium ganz gut einteilen. Und dann sind da natürlich noch viele alte Hasen, die das schon seit Ewigkeiten machen.“
Zum Beispiel Gerda Dürnecker, die Leiterin der Zustellungs- und Verteilstelle Haar. Seit 1988 steht sie daheim in Steinhöring um halb eins in der Nacht auf, setzt sich ins Auto, düst nach Haar, organisiert dort die Verteilung der Zeitungsstapel, schnappt sich ihren eigenen Anteil und legt los, drei Touren, die ganze Nacht lang, bis um halb sechs in der Früh alle rund 250 Zeitungen beim Leser liegen. Danach geht’s nach Hause, noch kurz mit dem Hund raus – und dann endlich ab ins Bett, „für drei Stunden vielleicht“, wie sie sagt. Abends legt sie sich um zehn, halb elf hin, wieder für rund drei Stunden: „Im Urlaub geh’ ich dann einfach später ins Bett, da kann ich dann auch bis um acht durchschlafen.“

Das bekommt Brigitte Maagh nicht hin: „Im Urlaub kann ich gar nicht schlafen“, sagt die Seniorin, „der Rhythmus ist halt einfach so drin.“ Und das seit 1965. Im Krieg in Berlin geboren, zog es sie nach Köln – was man ihrem Zungenschlag immer noch anhört – und von dort nach München, erst zur Abendzeitung, schließlich zur SZ. Aus reiner Nächstenliebe kam sie allerdings nicht zum Zeitungsaustragen, sondern natürlich wegen des Geldes. Jetzt, mit 84, denkt sie aber nicht ans Aufhören: „Ich brauch’ das einfach.“ Die Ohren hören nicht mehr alles, aber ansonsten fühlt sie sich fit. Kein Wunder, nach all den Jahren bei Wind und Wetter.
„Weißt du noch, Mama, wie dir im Winter mal die Brille auf der Nase festgefroren ist und du diese Striemen auf der Nase hattest?“, fragt Tochter Sabine. Auch die beiden Töchter tragen die SZ aus, auch schon seit 26 Jahren, allerdings nicht drei volle Touren wie die Frau Mama, sondern als Mini-Job. „Als Kinderpflegerin verdienst’ halt nix“, sagt Sabine, „im Winter ist’s schon schlimm, bei minus 20 Grad mit dem Rad. Aber wir sind gesund!“
Wie der Tages- respektive Nachtablauf ihrer 84-jährigen Mutter aussieht? Am Abend lege sie sich nur kurz „ne Stunde oder so“ hin, meint Brigitte Maagh, stehe dann um eins in der Nacht auf, fahre mit dem Auto, auf das sie hinten noch das Fahrrad geschnallt hat, von daheim in Giesing zur Verteilerstelle nach Ramersdorf in die Görzerstraße, schnappe sich die ersten 150 Zeitungen aus dem Container und beginne die erste Tour, durch die sogenannte Ami-Siedlung. Danach wieder zurück in die Görzer und von da auf die zweite Tour: Ungsteinerstraße in Obergiesing. Die letzte Fuhre mache sie dann mit dem Fahrrad: Giesinger Bahnhof, quasi bei ihr vor der Haustür. Um halb sechs ist alles verteilt, „es sei denn ich mache noch irgendwo „ne Aushilfe“, wie sie sagt.
Um halb sieben ist es dann endlich Zeit zum Schlafen, „bis etwa gegen zwölf“. Eigentlich eine prima Zeit, um Zeitung zu lesen, oder? Ja, sie liest schon, sagt sie. Welches Blatt das ist, muss hier aus Konkurrenzgründen leider völlig unerwähnt bleiben.
Ein Damoklesschwert schwebt allerdings schon länger über dem Berufsbild des Zeitungsausträgers und der Zeitungsausträgerin, nämlich die bange Frage, wie lange es die SZ noch in Papier geben wird. Wer weiß. Brigitte Maagh und ihre Kolleginnen und Kollegen machen so lange erst mal weiter, jede Nacht von eins bis sechs. Danke noch mal!





















