Lieferdienst: Lieferando baut rund 2.000 Fahrerstellen ab | ABC-Z

Der Essensdienst Lieferando will bis Ende des Jahres bundesweit rund 2.000 Fahrerinnen und Fahrer entlassen. “Die Wettbewerbslandschaft und der Markt ändern sich immer rasanter und tiefgreifender”, sagte Deutschlandchef Lennard Neubauer. Kunden erwarteten zuverlässigen Service und kurze Bestellzeiten – mancherorts könne dies mit den derzeitigen Strukturen nicht ausreichend sichergestellt werden. Die Entlassungen betreffen den Angaben nach rund 20 Prozent der gesamten Flotte.
Künftig wolle die Plattform bei der Auslieferung auf der sogenannten letzten Meile stärker mit Subunternehmen zusammenarbeiten, gab Neubauer bekannt. Insbesondere in kleineren Städten wie Wiesbaden, Lübeck oder Bochum werde Lieferando mit spezialisierten Logistikunternehmen zusammenarbeiten, die die Auslieferung mit eigenen Fahrerinnen und Fahrern übernähmen. Auch in Hamburg gehe Lieferando diesen Weg, hieß es. “Die Verhandlungen über einen Sozialplan sollen bei der Schwestergesellschaft so schnell wie möglich beginnen”, sagte Neubauer. Der Prozess solle zum Ende des Jahres, spätestens im ersten Quartal 2026, abgeschlossen werden.
Die Zusammenarbeit mit Subunternehmen sei im Markt gängige Praxis,
teilte Lieferando zudem mit. Wettbewerber wie Uber Eats und Wolt gehen ähnlich
vor, dabei sind die Fahrerinnen und Fahrer häufig selbstständig unterwegs. Arbeitnehmervertreter kritisieren dabei ausbeuterische Verhältnisse und Scheinselbstständigkeit. Die EU-Kommission hatte aufgrund des Problems eine Plattformrichtlinie erlassen, um Scheinselbstständigkeit im Plattformgeschäft zu unterbinden. Die Umsetzung auf nationaler Ebene steht bislang noch aus.
Gewerkschaft kritisiert die Pläne deutlich
Die direkte Anstellung bei Lieferando hatten Arbeitnehmervertreter eher befürwortet. Mit der Auslagerung eines Teils des Liefergeschäfts an Drittunternehmen wird es für Gewerkschaften künftig voraussichtlich schwieriger, einheitliche Beschäftigungsverhältnisse durchzusetzen.
“Wir sind fassungslos, das ist eine absolute Katastrophe”, sagte der Referatsleiter Gastgewerbe der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Mark Baumeister, infolge der Mitteilung von Lieferando. “Lieferando gibt die Verantwortung für Beschäftigte ab, das können wir nicht gutheißen. Wir sehen das als einen Angriff auf Mitbestimmung und Beschäftigtenstrukturen bei Lieferando”, teilte Baumeister mit.
Er forderte die Politik auf zu handeln, um solche Geschäftsmodelle in Zukunft zu unterbinden. “Wir brauchen definitiv das Gebot der Festanstellung wie in der Fleischindustrie”, sagte er. Die NGG setzt sich bereits
seit Jahren für einen Tarifvertrag für die Lieferando-Beschäftigten und
einen Mindestlohn von 15 Euro pro Stunde ein.
Lieferando gehört zum niederländischen Lieferdienst Just Eat Take Away. Das Geschäft in Deutschland wird von der Tochter Lieferando Marktplatz Gesellschaft geführt. Bislang waren die Fahrerinnen und Fahrer über eine weitere Tochter, Takeaway Express, fast ausschließlich fest beim Unternehmen angestellt. Rund fünf Prozent des Liefervolumens sollen nun an spezialisierte Drittanbieter ausgelagert werden, hieß es.
Zuvor war das Konzept bereits in Berlin mit einem Subunternehmen getestet worden. Auch dort soll es in einigen Bezirken weiterhin so umgesetzt werden. “Das ist so ziemlich die wichtigste und kritischste Komponente der ganzen Geschichte: Die Kriterien der Flottenpartner, mit denen wir zusammenkommen wollen”, teilte Neubauer mit. Es laufe ein strenger Auswahlprozess, um zu gewährleisten, dass die Fahrerinnen und Fahrer dort fest angestellt seien und entsprechend bezahlt würden.
In der Vergangenheit stand Lieferando wegen schlechter Arbeitsbedingungen bereits mehrfach in der Kritik.