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Ohne Heimatzeitung wird es finster in Deutschland | ABC-Z

In Thüringen existieren insgesamt 36 verschiedene lokale Medienangebote. In der Landeshauptstadt Erfurt sind es 23, im Saale-Holzland-Kreis nur noch zwei. Bei diesen Informationsofferten dominieren nach wie vor klassische Medien, insbesondere die Lokalzeitungen. Sie sind immer noch die wichtigste Quelle lokaler und regionaler Information.

Das zeigt eine Studie zu Angebot, Vielfalt und Perspektiven lokaler und regionaler Informationsangebote in Thüringen, die Lutz Hagen, TU Dresden und Jens Woelke und Peter Stawowy erarbeitet haben. Die Analyse im Auftrag der Thüringer Landesmedienanstalt (TLM) beschränkt sich auf den Freistaat, die Ergebnisse und Schlussfolgerungen lassen sich jedoch für ganz Deutschland verallgemeinern. „Immer mehr Menschen nutzen Onlinemedien als Informationsquellen. Bislang ist völlig offen, welche Relevanz das für die Meinungsbildung zu lokalen und regionalen Themen hat. Mit der Studie wollten wir klären, welche lokalen und regionalen Angebote es in Thüringen tatsächlich gibt, welche Inhalte, Reichweite und Relevanz sie haben und wie sie sich selbst und ihre Lage einschätzen.

„Kanäle im Social Web sind keine vollwertigen Alternativen“

Letztlich geht es um die Frage, ob neue Onlinemedien Funktionen traditioneller Lokalmedien übernehmen und ihre Informationsangebote ergänzen beziehungsweise ersetzen können?“, sagte Jochen Fasco, Direktor der TLM, im Gespräch mit der F.A.Z. Die Mehrheit der Thüringer Bevölkerung ist stark an lokalen und regionalen Informationen interessiert. Um dieses Bedürfnis zu befriedigen, nutzt sie eine Vielfalt an Medien. Dabei rangieren die klassischen Medien noch klar vor Rundfunk- und Web-basierten. Lokalzeitungen blieben die führenden Anbieter lokaler Information – sowohl der Menge als auch der Qualität nach. „Angebote durch verlagsunabhängige Portale, Blogs und Kanäle im Social Web sind keine vollwertigen Alternativen“, sagt Lutz Hagen, Kommunikationswissenschaftler an der TU Dresden, der F.A.Z.

Allerdings rangieren die Lokalzeitungen bei der Nutzung hinter dem öffentlich-rechtlichen Radio und Fernsehen und den privaten Radios, obgleich alle drei dezidiert nicht lokal ausgerichtet sind. Der Zugang zu den klassischen Medien erfolgt zunehmend nicht nur über lineare Geräte. Zudem belegten immer mehr Untersuchungen die negativen Folgen dort, wo Lokaljournalismus verschwinde, sagt Hagen. Dazu zählten geringere Wahlbeteiligung oder Identifikation mit der Gemeinde. Umso bedrohlicher sei es, dass die weitaus meisten Gebiete Thüringens nur noch durch eine lokale Ausgabe versorgt würden und die redaktionellen Kapazitäten weiter abnähmen.

Die Lokalzeitungen liefern nicht nur den mit Abstand größten Teil der lokalen Berichterstattung, sondern auch den relevantesten, belegt die Untersuchung. Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass politische oder in anderer Hinsicht meinungsbildende Informationen in den peripheren Angeboten – Websites, Blogs oder Profile in Social Media – eine untergeordnete Rolle spielten. Dennoch gewinnen Medien und Kanäle mit eingeschränkter journalistischer Qualität an Bedeutung. Angebote aus dem Social Web rangieren in der Altersgruppe der 14- bis 25-Jährigen bereits auf dem dritten und vierten Platz. Auch Amtsblätter, kommunale Portale sowie Anzeigenblätter erzielen erhebliche Reichweiten. Die Autoren fordern eine stärkere Förderung lokaljournalistischer Alternativen, bessere Bildungsangebote zur Medienkompetenz und die regelmäßige Evaluierung medialer Angebote.

„Diese Studie“, so Jochen Fasco, „ist ein Weckruf für all diejenigen, die meinen, dass es im Lokalen ‚das Netz schon richten wird‘. Social-Media-Profile, Online-Portale und kommunale Amtsblätter sind kein Ersatz für die Lokalberichterstattung in Zeitungen und Rundfunk. Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wenn sich journalistische Angebote aus der Fläche zurückziehen und sich in diesem Vakuum zunehmend PR- sowie zweifelhafte Angebote ihren Platz suchen. Es braucht Unterstützung für bestehende Angebote wie z. B. Lokal-TV und Bürgermedien. Hier müssen bestehende Fördermittel erweitert und institutionalisiert werden, wobei die Staatsferne gewahrt bleiben muss.“

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