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„Ohne ausländische Arbeitskräfte würde es gar nicht tun“ – Freising | ABC-Z

Die feiernden Jugendlichen auf Sylt, die mit ihren ausländerfeindlichen Parolen für einen Skandal gesorgt haben, haben anscheinend keine große Ahnung vom Arbeitsmarkt. Sonst hätten sie gewusst, dass „Ausländer raus“ nicht nur rassistisch und diskriminierend ist, sondern für die deutschen Unternehmen auch ziemlich kontraproduktiv wäre. Denn ohne ausländische Arbeitskräfte müssten viele Betriebe hierzulande bald dichtmachen, und das wollen die feiernden Jugendlichen auf Sylt sicherlich nicht.

„Ohne ausländische Arbeiter würde es gar nicht funktionieren“, sagt die Neufahrner Hotelfachfrau Claudia Maisberger. Dann wiederholt sie: „Überhaupt nicht.“ Maisberger ist stellvertretende Vorsitzende des Freisinger Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga und „Ausbildungsbotschafterin“, sie setzt sich für Qualität und Nachwuchswerbung in Hotellerie und Gastronomie ein. In ihrem familiengeführten Hotel- und Gasthof in der Nähe des Neufahrner Bahnhofs arbeiten 35 bis 40 Mitarbeiter, darunter auch Menschen aus anderen europäischen Ländern. Die meisten davon lebten schon vor ihrer Anstellung in der Gegend um Neufahrn und kamen über Bekannte in den Betrieb, quasi über Mundpropaganda. Denn der Aufwand für die Unternehmen, die einen Mitarbeiter aus dem Ausland anwerben, ist hoch.

Klaudia Swiezewska ist eine davon. Die 27-jährige Polin lebt seit vier Jahren im Landkreis Freising, wo ihr Mann, der ebenfalls aus Polen stammt, schon lange arbeitet. In ihrem ersten Job war sie von Landsleuten umgeben, doch um gut Deutsch zu lernen, entschied sie sich, etwas anderes zu suchen. Die Agentur für Arbeit konnte ihr nicht helfen, aber über Kontakte kam sie zum Gasthof Maisberger, wo sie nun im Frühstücks- und im Serviceteam tätig ist. Inzwischen spricht sie fließend Deutsch.

Oder Anita Ficsor-Kohn. Wenn man an der Rezeption des Maisberger-Hotels anruft, kann es sein, dass man am Telefon bei ihr landet. Die 37-Jährige kommt ursprünglich aus Ungarn und wohnt seit 13 Jahren in Neufahrn, wie viele Ungarn ist sie wegen der besseren Arbeitsbedingungen nach Süddeutschland gezogen. Bereits ihr Vater, ein deutschstämmiger Ungar, arbeitete in Deutschland, die deutsche Sprache war ihr also vertraut. Auf die Frage, was sie von den ausländerfeindlichen Parolen hält, antwortet sie dezidiert: „Ganz schrecklich.“ Auch ihre Chefin ist fassungslos.

Das Hotel- und Gaststättengewerbe gehört zu den Branchen, die am härtesten vom Arbeits- und Fachkräftemangel betroffen sind. Laut einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft hat sich die Situation im Zuge der Corona-Pandemie verschärft, da viele Beschäftigte der Branche den Rücken gekehrt haben. Das bedeutet: um Arbeitskräfte wird gekämpft.

Claudia Maisberger sagt, dass sie während der Pandemie keinen einzigen Mitarbeiter verloren habe, aber es stimme, dass allgemein Personal fehle. Aktuell ist sie mit der Größe der Belegschaft zufrieden, aber sie erzählt von Phasen vor nicht allzu langer Zeit, in denen die Belegschaft schon ziemlich ausgedünnt war. Und darauf, sagt sie, müsse man „mit Offenheit“ reagieren.

Um die Gesundheitsversorgung zu gewährleisten, braucht man ausländische Arbeitskräfte

Laut der letzten Auswertung der Agentur für Arbeit für den Monat September 2023 kommt ein Viertel der circa 85 000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Landkreis Freising aus dem Ausland. Und von den Ausländern sind mehr als die Hälfte Bürgerinnen und Bürger der EU (11 446), sie stammen insbesondere aus Rumänien, Kroatien, Ungarn, Polen und Italien. Unter den geringfügig Beschäftigen und den Auszubildenden ist der Anteil der EU-Ausländer laut Statistik kleiner als bei den sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer.

Im Landkreis Erding ist die Lage ähnlich: dort stammt ein Viertel der etwa 47 000 sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer aus dem Ausland. Davon kommt mehr als die Hälfte (7 094) aus anderen EU-Ländern. Ähnlich wie im Nachbarlandkreis Freising stammen die meisten Europäer im Landkreis Erding aus Rumänien, Ungarn, Kroatien, Polen und Italien.

Doch nicht nur die Gastronomie ist auf ausländische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewiesen. Dass auch andere Branchen ohne europäische Fachkräfte nicht funktionieren könnten, das wurde bei einer Veranstaltung im Freisinger Landratsamt Mitte Mai klar. Mit dabei war die Geschäftsführerin des Klinikums Freising, Maren Kreuzer: „Vielfalt ist unsere Stärke“, sagte sie während der Veranstaltung. Wer an der Basis der ausländischen Fachkräfte rüttele, bekräftigte sie, der gefährde letztendlich die gesundheitliche Versorgung des Landkreises.

Die Zahlen belegen das: Im Klinikum Freising würden Menschen aus 52 Nationalitäten arbeiten, teilt ein Sprecher mit. Gut ein Viertel der 532 Menschen, die im Pflege- und Funktionsdienst tätig sind, kommt aus dem Ausland, knapp ein Zehntel stammt aus der EU, vor allem aus Kroatien, Ungarn, Rumänien und Polen. Aber ausländische Fach- und Hilfskräfte finden sich in allen Bereichen, unter den Ärzten sowie unter den Reinigungskräften und den Auszubildenden.

Claudia Maisberger ist noch nie von Gästen auf das Aussehen oder die Sprachkenntnisse ihrer Mitarbeiter angesprochen worden. Dass manche bayerische Wirtshäuser früher zögerten, ausländisches Personal einzustellen, habe mehr mit Voreingenommenheit als mit der Realität zu tun. Und die Realität sieht für viele Betriebe so aus, dass sie ohne ausländische Arbeitskräfte nicht überleben könnten.

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