Oh du traurige? Tipps für stressfreie Weihnachten | ABC-Z
Wenn Familien an Weihnachten aufeinandertreffen, können Streits und Konflikte die Stimmung trüben. Das ist besonders schwierig für Menschen, die psychisch krank sind. Doch es gibt einige Tipps für mehr psychisches Wohlbefinden an Weihnachten.
Der 22-Jährige Münchner Jonas freut sich in diesem Jahr auf Weihnachten. Für ihn ist das nicht selbstverständlich – er hat Depressionen. Aber inzwischen kann er darüber sprechen: “Bei manchen Themen ist es einfach wichtig, offen darüber zu sprechen. Deswegen mache ich das auch.”
Seine Familie hat sich an eine Selbsthilfegruppe gewandt, den Verband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen. Für die Weihnachtsfeiertage haben sie nun eine Regel eingeführt: “Wenn einem etwas zu viel wird, darf man sich zurückziehen und sich eine Pause nehmen”, erzählt Jonas.
“Hammerhart hohe Erwartungen” an Weihnachten
An Weihnachten fallen plötzlich viele Strukturen weg: Die Schule ist geschlossen, der Sportverein macht Trainingspause, Freunde und Bekannte sind bei ihren Familien.
Weihnachten kann so in manchen Familien zu einer besonderen Herausforderung werden, meint auch Johanna Löchner, Professorin für Psychologie an der Universität Erlangen. “Da gibt es teils hammerhart hohe Erwartungen: Die Familie kommt zusammen und man hat ganz bestimmte Vorstellungen im Kopf, wie es ablaufen soll.” Dann knalle es zwischendrin schon einfach mal, erklärt sie.
Tipps für weniger psychische Belastung an Weihnachten
Mit der Familie im Vorhinein Regeln für Weihnachten zu vereinbaren kann entlastend wirken – vor allem wenn es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Konflikten oder Krisen gekommen sei, argumentiert Dominique de Marné von der Mental Health Crowd München. Sie war 15 Jahre lang psychisch erkrankt und berät nun Menschen, wie sie Weihnachten möglichst ohne zu große psychische Belastung durchstehen.
Hier einige ihrer Tipps:
- einen Plan aufschreiben, um zu wissen, worauf man sich einstellen muss: Wann bin ich an den Feiertagen wo und wann wird es wahrscheinlich anstrengend?
- Mit Familienmitgliedern, mit denen die Beziehung gut ist, Codewörter vereinbaren, die wie ein “Hilferuf” funktionieren
- Vorher mit der Familie Absprachen treffen, “welche Themen im Bestfall nicht angesprochen werden sollen. Zum Beispiel im Familienchat schreiben, dass dieses Mal bitte nicht nach der Arbeit oder dem Familienstatus gefragt wird.” Das sei natürlich keine Garantie, aber “es sind alle einmal sensibilisiert”
- “Selfcare-Inseln” schaffen: Zum Beispiel mit einem Freund oder einer Freundin zu einer festen Uhrzeit ein kurzes Telefonat vereinbaren
- Sich selbst belohnen, wenn man etwas gut überstanden hat, zum Beispiel mit einem alten Feel-Good-Film
- Öfter mal eine kurze Pause draußen machen
- Basics nicht vernachlässigen: “Vielleicht nach jedem zehnten Plätzchen einen Apfel oder nach jedem Glas Wein auch ein Glas Wasser trinken, genug Schlaf finden.”
- Unterstützung bei anderen suchen
Erwartungen in der Familie abgleichen
Auch Psychologin Löchner rät, sich psychisch schon vor Weihnachten vorzubereiten, indem man sich die eigenen Erwartungen bewusst macht und mit anderen Familienmitgliedern abklärt. Das Ziel: Überhöhte Erwartungen herunterschrauben und Kompromisse finden, damit es möglichst allen mit dem Familientreffen gut geht. “Grundsätzlich würden alle davon profitieren, ein bisschen entspannter heranzugehen, was ihre Erwartungen angeht”, meint sie. Offen zu sein und nicht nur die eigenen Ideen durchsetzen zu wollen, helfe.
Wissen und Abgrenzung
Löchner forscht an der Universität Erlangen-Nürnberg unter anderem zur Frage, warum manche Kinder psychisch erkrankter Eltern langfristig gesund bleiben und gut mit Krisen – nicht nur an Weihnachten – umgehen können. Laut ihrer Forschung ist es dabei am wichtigsten, dass Kinder sich in schwierigen Situationen nicht selbst die Schuld geben oder gut verstanden haben: “Das ist die Erkrankung meines Elternteils und hat mit mir persönlich gar nichts zu tun.” Das Wissen über die Erkrankung sei ein großer Faktor, der Kindern und Jugendlichen dann helfe, sich gut abzugrenzen.
Akzeptanz für das Konfliktpotenzial
Und wenn es trotz aller Vorbereitung an Weihnachten doch zu Konflikten oder Streit kommen sollte, rät Dominique de Marné: “Falls es doch eskaliert, dann würde ich vor allem empfehlen, nicht noch extra hart zu sich selber zu sein, sondern vielleicht extra nett – und zu akzeptieren, dass diese Tage viel Konfliktpotenzial bergen.” In einem zweiten Schritt könne man dann überlegen, woran es gelegen hat und wie man es im nächsten Jahr an Weihnachten besser machen kann.
Telefonische Hilfe: Telefonseelsorge und Krisenchat
Falls Sie psychologische Hilfe brauchen, können Sie sich jederzeit an die Mitarbeitenden der Telefonseelsorge wenden: 0800 / 111 0 111 oder 0800 / 111 0 222 sowie online. Für eine Beratung per Chat können sich junge Menschen beim Krisenchat melden. Speziell für ältere Menschen ist zudem das “Silbernetz-Feiertagstelefon” ab dem 24. Dezember um 8.00 Uhr bis Neujahr um 22.00 Uhr erreichbar – deutschlandweit unter 0800 / 4 70 80 90.