Offshore-Windkraft: Tennet baut seine Konverter künftig auf einer eigenen Werft in Spanien | ABC-Z

Der Netzbetreiber Tennet deckt seinen steigenden Bedarf für Offshore-Konverterplattformen noch stärker als bislang in Südeuropa – auch deshalb, weil es keine deutsche Fertigung für die maritimen Großanlagen mehr gibt. Unklar ist, ob und wann deutsche Werften wieder in dieses Geschäft einsteigen.
Der Stromnetzbetreiber Tennet baut in Spanien eine eigene Werftanlage auf, um Konverterstationen für den Anschluss von Offshore-Windparks in der Nordsee herzustellen. Im südspanischen Küstenort Algeciras entstehe derzeit ein neuer Produktionsstandort mit 400.000 Quadratmetern Fläche zur Herstellung von Konverterplattformen der Zwei-Gigawatt-Klasse, teilte Tennet am Donnerstag mit.
Von 2026 an sollen dort zwei Plattform-Aufbauten für die Offshore-Netzanbindungssysteme LanWin2 und BalWin3 gebaut werden. Diese Anbindungen, so Tennet, sollen im Jahr 2030 (LanWin2) und 2031 (BalWin3) Windstrom aus der deutschen Nordsee an Land übertragen.
Der neue spanische Werftstandort ergänze die bestehende Dragados-Werft in Cádiz, wo bereits eine weitere Tennet-Plattform gleicher Größe für das deutsche Nordsee-Netzanbindungssystem LanWin4 entsteht, das 2031 fertiggestellt sein soll. Tennet habe bereits im April 2023 langfristige Kooperationsverträge mit dem Auftragnehmer Dragados Offshore aus Spanien und mit Siemens Energy aus Deutschland geschlossen. Zum Start der Vorbereitungsarbeiten trafen sich Verantwortliche der drei Unternehmen am Donnerstag in Algeciras auf dem künftigen Werftgelände.
„Wir legen die Basis für Millioneninvestitionen in die Serienproduktion von Zwei-Gigawatt-Konverterplattformen an diesem Standort, sichern damit den Ausbau der Strom-Übertragungstechnologie in der deutschen Nordsee und stärken gleichzeitig die industrielle Wertschöpfung in Europa“, sagte Tim Meyerjürgens, Chef von Tennet Germany. Man wolle Dragados Offshore Investitionssicherheit bieten, „um dringend erforderliche Produktionskapazitäten für unseren steigenden Bedarf an Infrastruktur für Offshore-Windenergie in Deutschland zu bedienen“.
Erneut gehen damit mögliche Milliardenaufträge an der deutschen Werftindustrie vorbei, wie seit Jahren schon. Der niederländische Netzbetreiber Tennet ist mit seinem deutschen Tochterunternehmen unter anderem auch für die Anschlüsse der meisten Offshore-Windparks im deutschen Teil der Nordsee zuständig. Der Aufbau einer eigenen Werft in Spanien hängt auch damit zusammen, dass in Deutschland keine Offshore-Konverterstationen mehr gebaut werden – anders als noch im vergangenen Jahrzehnt, als Deutschland weltweit führend bei diesen Produkten war. Nachdem die Große Koalition aus Union und SPD den Ausbau der Offshore-Windparks in den deutschen Seegebieten zum Ende des vergangenen Jahrzehnts gedrosselt hatte, war der größte Teil der Offshore-Windkraft-Industrie von den deutschen Küsten wieder abgewandert.
Konverterstationen für Offshore-Windparks – auch für den deutschen Markt – werden heutzutage in Asien, am Persischen Golf und eben auch bei Dragados in Spanien gebaut. Die inzwischen üblichen Zwei-Gigawatt-Anlagen haben, inklusive Seekabel und Landstation, einen Auftragswert von bis zu zwei Milliarden Euro, das ist mehr, als ein großes Kreuzfahrtschiff kostet.
Unklar ist, ob und wann es wieder Konverter aus deutscher Fertigung geben wird. Die Papenburger Meyer Werft will bei ihrem Tochterunternehmen Neptun Werft auf einem Teilgelände des Marinearsenals in Rostock-Warnemünde gemeinsam mit dem belgischen Unternehmen Smulders Konverterstationen bauen. Im vergangenen Jahr hatten der Bund und das Land Niedersachsen 80 Prozent der Anteile am damals finanziell schwer angeschlagenen Familienunternehmen Meyer Werft übernommen – vor allem auch, um den Konverterbau in Deutschland zu sichern. Seither allerdings wurden bei diesem Thema keine Fortschritte bekannt. Als Subunternehmer der Dragados-Werft hatte die Meyer Werft am Standort Papenburg im vergangenen Jahr damit begonnen, Bauteile für Offshore-Konverter des Dortmunder Netzbetreibers Amprion zu bauen.
Die Bremerhavener Heinrich Rönner Gruppe wiederum übernahm Ende Januar die insolvente Werft FSG in Flensburg – auch, um dort künftig Teile für Offshore-Konverterstationen zu bauen.
In den deutschen Seegebieten sind derzeit 1639 Windturbinen mit insgesamt 9,2 Gigawatt Leistung installiert. Bis 2030, so hatte es die inzwischen gescheiterte Ampelkoalition im Bund beschlossen, sollen 30 Gigawatt installiert sein und bis 2045 insgesamt 70 Gigawatt. Auch in anderen europäischen Ländern werden weiterhin küstenferne Offshore-Windparks errichtet, etwa in Großbritannien. Entsprechend steigt auch der Bedarf an Konverterstationen. Völlig unklar ist allerdings, welchen Kurs die nächste Bundesregierung nach den Bundestagswahlen vom 23. Februar beim Ausbau der Offshore-Windkraft verfolgen wird.
Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Er berichtet unter anderem auch über die maritime Wirtschaft und über die Offshore-Windkraft.