Odelzhausen: Mit Literatur und Musik gegen den rechtes Gedankengut – Dachau | ABC-Z
Dass es nichts Politischeres als „unsere gemeinsame Kultur“ gibt, daran glauben, darauf hoffen Franz Baur – Mathematiker, Dichter, rebellischer Zeitgeist und Philosoph aus Erdweg – und der Schriftsteller, Publizist und Historiker Norbert Göttler, mit dem Baur seit vielen Jahren befreundet ist. Und daran glauben auch die fünf Musikerinnen und Musiker, die am Mittwoch in der Tenne des Odelzhausener Schlossguts zusammengekommen sind, um „Vielfalt statt Einfalt“ – so der Titel der Veranstaltung – zu feiern und zu verteidigen gegen die immer näher rückenden Gefahren rechtsextremen Gedankenguts und rechtsextremer Politik.
Die Texte, die Norbert Göttler und Franz Baur nach Odelzhausen auf Einladung von Kult A 8 mitgebracht hatten, ließen keinen Zweifel an der Haltung der Autoren. In einem seiner jüngsten Werke mit dem Titel „Dachauer Elegien“, aus dem Göttler las, tritt er in ein Zwiegespräch mit den Menschen, die hier, ganz in der Nähe seines Elternhauses in Walpertshofen, auf schreckliche Weise im Konzentrationslager Dachau ums Leben kamen. „Aufgewachsen bin ich am Rand der Apokalypse“, schreibt Göttler – und die Nähe zum Ort so vieler Tode hat ihn seit frühester Kindheit und Jugend empfindlich gemacht für alles, was wieder in die Nähe einer neuen Apokalypse führen könnte.
Ganz explizit sagt auch Franz Baur, was er von denen hält, die sich „mit breiter Brust des Volkes Stimme nennen“. „Wider den schnellen Gedanken, der Dummheit mit Einfältigkeit zu beantworten sucht“, heißt es in einem von Baurs Gedichten, „Wider den Geist des Nationalismus, der den freien Gedanken aus unserem Geiste tilgt … wider jene, die glauben, dass um des Friedens willen Unrecht rechtens wird (…) Möge der Teufel euch bei eurem Namen rufen.“ Erschienen ist dieses Gedicht und andere, die Baur über die Jahre – vor allem für sich selber – verfasst hat und dabei seine Sicht auf das Leben und auf unsere Zeit thematisiert, vor Kurzem in einem Band mit dem Titel „Zeitkristalle“ im Allitera Verlag München.
Zur bairischen Kultur und ihrer Sprache gehört auch der Dialekt, der laut Baur „so viel mehr ist als dumpfe Wirtshausrhetorik“, weshalb auch das ein oder andere Gedicht in Dialektform geschrieben ist. Für ein schlichtes „Mir san mir“-Gefühl aber haben Baur wie Göttler nur Spott übrig. Denn wer, fragt sich Göttler, sind „wir“ denn eigentlich?
Bunt sind sie also, die Oberbayern
„Von der genetischen Grundausstattung her afrikanische Wirtschaftsflüchtlinge, die, unterfüttert mit kleinasiatischen Anteilen, vor rund einer Million Jahren nach Europa kamen (…) angereichert durch keltisches Erbgut aus dem Moselgebiet, römisches aus Latien, vor allem aber aus Lydien, Nubien, Persien und anderen entlegenen Provinzen des Reiches“. Dazu seien dann noch „germanische Einsprengsel“ vor allem der Boier aus dem heutigen Böhmen dazugekommen, „von späteren Gen-Tranfers durch schwedische Landsknechte und US-amerikanische GIs ganz zu schweigen“. Nach der Betroffenheit vor allem während des ersten Teils des Abends durfte hier endlich laut gelacht werden.
Bunt also sind sie, die Oberbayern – dieses Bunt-Sein untermalte auch die Musik, die an diesem Abend zu hören war. Zarko Mrdjanov (Gitarre) und Florian Ewald (Klarinette und Bassklarinette) spielten Klezmer-Melodien und Jazz, Gudrun Huber, Geigerin und Dirigentin des Jugend-Symphonie-Orchesters Dachau, trug zusammen mit Alexandra Fischer am Piano Kompositionen von Lili Boulanger, Morten Lauridsen und Jos van den Dungen vor. Eine ihrer eigenen Kompositionen hat Fischer Sophie Scholl gewidmet, die für sie „ein leuchtender Komet“ sei, ein Mensch, „so jung, mit so tollen Gedanken“, der dafür mit dem Leben bezahlt habe. Eigene Kompositionen, zwei davon zu Texten von Franz Baur, trug auch die Sängerin und Gitarristin Amélie Haidt vor.
Nicht anwesend war am Mittwochabend ein weiterer Künstler: Horst Thürheimer aus München, der sowohl Franz Baurs Gedichtband wie die „Dachauer Elegien“ von Norbert Göttler mit starken Bildern illustriert hat. Thürheimer blieb im abendlichen Verkehrschaos im Münchner Westen stecken.
Ob Kultur in Form von Text und Musik tatsächlich die Menschen erreicht, die sie, mit Blick auf rechtsextremes Gedankengut und rechtsextreme Planspiele, erreichen sollen, um politisch wirksam zu werden? „Das ist unsere Hoffnung, unsere Ausdrucksform, unser Weg, den wir gehen müssen“, sagt Norbert Göttler: „Das Schlimmste wäre, in Schweigen zu verfallen.“ Vielfalt ist auch für Franz Baur die Grundlage des Lebens, wie es heute ist und wie der Dichter es schätzt – und diese Vielfalt, die sei „beim Teufel, wenn die Gleichmacher die Oberhand bekommen“.
Ja, der Blick „in den Abgrund“, der täte Not, aber dann solle man „die Flügel öffnen“, die nämlich der Lebensfreude und der gefeierten kulturellen Vielfalt, die einen über den Abgrund hinwegtragen könnten.