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Prozess um Schüsse in Werkstatt in Südhessen | ABC-Z

Das Stäbchen in Orange zeigt die Bahn der Pistolenkugel. Die schlanke Sonde soll darstellen, aus welcher Richtung und an welcher Stelle das Projektil nach dem Abfeuern der Pistole in den Körper des Opfers eingedrungen ist – nämlich in den Rücken. Im Gerichtssaal in Darmstadt wird am Dienstag mit Hilfe einer Puppe in der Größe eines Erwachsenen eine Bluttat nachgestellt, die sich im Oktober 2024 in einer Schlosserwerkstatt in Südhessen abgespielt hat.

Ein Waffenfachmann des Landeskriminalamts und der Rechtsmediziner, der als Gutachter am Strafprozess teilnimmt, haben kurz vorher in einer Verhandlungspause den Dummy so positioniert, wie es der Mann, der beschossen wurde, in seiner Aussage an einem früheren Verhandlungstag beschrieben hatte. Mehrere Treffer hat er überlebt, nun nimmt er als Nebenkläger an der Hauptverhandlung teil.

Der 43 Jahre alte Mann wurde von mehreren Kugeln getroffen, zuerst in den Rücken, dann am Oberarm und schließlich an der Wange. Beim ersten Schuss lag der Mann, der aushilfsweise in der Werkstatt tätig war, nach eigener Aussage auf dem Bauch auf dem Boden, während er damit beschäftigt war, im Inneren einer Metallkiste die Nasen wegzuschleifen, die beim Schweißen zurückgeblieben waren. Dabei sei er mit Kopf und Schultern in die auf dem Boden liegende Kiste gekrochen. Anders hätte er nicht alle Stellen erreichen können.

Rekonstruktion: Die orangefarbene Sonde stellt die Schussbahn der Pistolenkugel dar, die das Opfer in den Rücken getroffen hat.Jan Schiefenhövel

Wie Ärzte ausgesagt hatten, sind zwei Kugeln am Jochbein in den Kopf eingedrungen, eine weitere in den Rücken. Einen Treffer am Arm beschreibt der Rechtsmediziner als Durchschuss, das heißt, die Kugel hat den Körper wieder verlassen.

Im Gerichtssaal stellt ein Beistelltisch die Kiste dar, von Tischbein zu Tischbein ist ein Klebeband gespannt, das die Höhe der Öffnung markiert. Die Metallkiste selbst ist zu schwer, um sie in den Saal im Neubau des Landgerichts am Mathildenplatz zu bringen, wie der Vorsitzende Richter Volker Wagner erklärt.

Zwei Versionen des Tatablaufs

Die Schwurgerichtskammer stellt das Verbrechen, über das sie urteilen muss, so aufwendig nach, weil es zwei Versionen des Geschehens gibt: die des Angeschossenen und die des Mannes, der die Pistole abgefeuert haben soll und der sich als Angeklagter wegen versuchten Mordes verantworten muss.

Nach den Worten des Angeschossenen kamen die Schüsse ohne Vorwarnung. Kurz vorher habe er in einer Pause mit dem Chef der Werkstatt zusammen gefrühstückt und sich mit ihm unterhalten, dabei sei alles wie immer gewesen. Die beiden Männer waren seit Jahren befreundet, der Chef hatte dem Mann eine Wohnung im gleichen Haus vermietet.

Der Angeklagte, der 59 Jahre alte Deutsche Bodo V., dagegen hatte am ersten Prozesstag den Ablauf so geschildert, dass der Mitarbeiter der Angreifer war. Als er ihn wegen eines lauten Streits mit der Freundin in der Mietwohnung ermahnt und mit Kündigung gedroht habe, sei der jüngere Mann auf ihn losgegangen und habe mit Fäusten auf ihn eingeschlagen. Dann habe er, so stellte es der Chef dar, zu einer Pistole gegriffen, die in einem Pappkarton in der Werkstatt lag, und sich verteidigt. Die Schüsse täten ihm leid, hieß es in der Einlassung, die von seinem Anwalt vorgetragen wurde.

Auch nach etlichen Aussagen von Zeugen, Angehörigen, Freunden und Nachbarn von Opfer und Angeklagtem, stehen immer noch die beiden Versionen im Raum. Wie der Vorsitzende bemerkt, müssen die Richter entscheiden, welche sie für plausibeler halten.

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