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Oberhaching: Bürgermeister vergisst den Landrat – Landkreis München | ABC-Z

Ein Neujahrsempfang ist immer auch eine alljährlich wiederkehrende Bestätigung des „Who is Who“ der Gemeinde. Ein Schaulaufen der Wichtigen, ein Treffen derjenigen, die am Ort bedeutsam und einflussreich sind, waren oder sein werden. Und weil die Einladungsliste allein aufgrund der zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten nicht unendlich erweitert werden kann, muss man im Rathaus mit Bedacht und Fingerspitzengefühl auswählen, wer dabei sein darf.

Das ist die erste Hürde, bei der man leicht ins Straucheln kommen kann, wenn man etwa jemanden vergisst, der nicht nur sich selbst wichtig findet, sondern den auch die anderen im Dorf hier erwartet hätten. Genauso verhält es sich mit der Begrüßung bei einer solchen Veranstaltung. Mit einem einfachen „Sehr geehrte Damen und Herren“ oder „liebe Gäste“ ist es da nicht getan. „Hallo Leute!“ wäre auch mal was, würde vermutlich aber eher irritierend wahrgenommen. Wen also nennen und in welcher Reihenfolge?

Stefan Schelle, der CSU-Bürgermeister von Oberhaching, ist ein erfahrener Redner. Er ist seit 2002 im Amt und gewieft darin, sich seine Ansprachen selbst zu schreiben. Er liest kein vorgefertigtes Manuskript aus seiner Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit vor, sondern formuliert selbst, oft spontan anhand einiger handschriftlicher Notizen. Die wichtigen Namen hat er sich beim Neujahrsempfang am Donnerstagabend im Foyer des Rathauses einfach mit einem Textmarker auf der Teilnehmerliste leuchtend gelb angestrichen. So sollte nichts schiefgehen.

Und so begrüßte ein gut gelaunter Bürgermeister die Pfarrer und die Gemeinderäte, die Polizei und die Feuerwehr, die Elternbeiratsvertreter sowie die Schüler und Schülerinnen von der Projektgruppe „Mathe macchiato“ vom örtlichen Gymnasium, die das Catering der Veranstaltung übernommen hatten. Er wies auf die Ehrengäste hin, die an diesem Abend die Ehrenmedaille der Gemeinde überreicht bekamen, und das waren einige: Sabine Mühlbauer und Franziska Müller von der Nachbarschaftshilfe, Bernd Schubert, den TSV-Vorsitzenden, Peter Niedermeier, Metzgermeister, Feuerwehrmann und Alpenvereinsvorsitzender sowie Ricarda Geary, Leiterin mehrerer Chorensembles, Musiklehrerin am Oberhachinger Gymnasium und Tassilo-Preisträgerin der Süddeutschen Zeitung. Jemanden vergessen? Ja, den Landrat.

Da sitzt er ja, der Landrat: erste Reihe, linker Block, rechts. (Foto: Claus Schunk)

Irgendwann in seiner Rede, da hatte Schelle längst auf den Alpenschneehasen als Wildtier des Jahres, den Moorfrosch als Amphibie des Jahres und die Grünalge als Alge des Jahres hingewiesen, war mit seinem Rückblick auf das Jubiläumsjahr 2024 durch, hatte das Miteinander in der Gemeinde beschworen und einen kurzen Ausblick auf Veranstaltungen im neuen Jahr gegeben, da dämmerte ihn offenbar dieser Fauxpas.

Vielleicht hat eine seiner Mitarbeiterinnen ihm ein Zeichen gegeben. Oder sein Blick ist bei der Erwähnung der bevorstehenden Opernfestspiele in Ödenpullach, wo im Juli Georges Bizets „Carmen“ aufgeführt werden soll und noch ein Tenor fehlt, zufällig auf Christoph Göbel gefallen. Dabei saß der bei diesem Neujahrsempfang die ganze Zeit schon in der ersten Reihe. Möglicherweise kam Schelle das auch erst ganz plötzlich in den Sinn, als er über die bevorstehende Bundestagswahl sprach.

Über die erste Reihe schaut man eben leicht hinweg

Nun muss man sich vermutlich keine Sorgen machen, dass das Tischtuch der beiden CSU-Politiker durch dieses doch einigermaßen lange anhaltende Ignorieren zerschnitten wäre. Göbel ist ein Mensch, der so etwas mit Humor nimmt. Als ranghöchster Gast im Saal hätte er nach den Regeln des Begrüßungs-Knigges zwar zuerst genannt werden müssen. Und nicht zuallerletzt, wie es Schelle dann doch noch tat, noch dazu mit der kühnen Anmerkung: Nachfragen zu Bauplänen und Beschwerden an das Landratsamt werde der Landrat auch gerne heute persönlich entgegennehmen.

Wie man weiß, kennen und schätzen sich die beiden Parteifreunde. Schelle ist nicht nur CSU-Fraktionschef im Kreistag. Man trifft sich auch regelmäßig in Zweckverbänden, im Regionalen Planungsverband und bei diversen Parteiveranstaltungen. Und Göbel weiß schließlich auch aus Erfahrung: Über die erste Reihe schaut man leicht hinweg, wenn man auf der Bühne steht.

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