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Oberfranken-CSU bleibt brav: Emmi Zeulner verpasst Überraschung – Schöffel gewählt – Bayern | ABC-Z

Emmi Zeulner ist gute Wahlergebnisse gewohnt, die 38-Jährige holt sie in Serie. 56,9 Prozent der Erststimmen in ihrem Wahlkreis Kulmbach bei der Bundestagswahl 2013, 55,4 Prozent vier Jahre später, 2021 waren es 47,8 Prozent und bei der Bundestagswahl in diesem Jahr 49,3 Prozent. Mehr errang bundesweit niemand in einem Wahlkreis, in dem ein AfD-Kandidat angetreten ist.

Allzu weit von einem solchen Ergebnis ist sie auch am Samstag nicht entfernt, nur ist es kaum etwas wert. Es ist 16.39 Uhr, der Sauerstoffgehalt in der Turnhalle in Naila, dem Ausrichtungsort des oberfränkischen CSU-Bezirksparteitags unweit der bayerisch-thüringischen Grenze, hat seinen Tiefpunkt erreicht, Temperatur und Anspannung ihren Höhepunkt. Da verkündet Wahlleiter Reinhold Rott das Resultat: 44,7 Prozent der 132 Stimmen für die Kandidatin Zeulner. Und 55,3 Prozent für den Kandidaten Martin Schöffel.

Der 48-Jährige, Staatssekretär im bayerischen Finanzministerium, ist neuer CSU-Bezirksvorsitzender in Oberfranken. Er folgt auf den früheren Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, der nach 14 Jahren im Amt nicht mehr angetreten ist.

Schöffel nimmt die Wahl an, wischt sich immer wieder eine Träne aus dem Auge. Dass es so kommen, der Favorit gewinnen würde, da waren sich in den vergangenen Tagen längst nicht alle sicher gewesen. Dabei hatte es bis vor einigen Wochen nach einer Wahl ohne Gegenkandidaten für Schöffel ausgesehen, der seine Bereitschaft schon frühzeitig erklärt hatte. Nach einem glatten Durchgang. So, wie sie es gewohnt sind in der oberfränkischen CSU.

Eine Kampfkandidatur um den Bezirksvorsitz dagegen, „so etwas kennen wir gar nicht“, sagt am Mittag, noch vor Beginn des Parteitags, ein Delegierter und lacht. Aber es stimmt ja: Ein Duell zweier Kandidaten hat es bei der oberfränkischen CSU seit 2007 nicht gegeben. Ehedem obsiegte Karl-Theodor zu Guttenberg gegen den damaligen Parlamentarischen Geschäftsführer der CSU im Bundestag, Hartmut Koschyk. 2011 übernahm dann Friedrich für Guttenberg, der wegen Plagiaten in seiner Promotion zurückgetreten war.

Melanie Huml, Emmi Zeulner, Markus Söder, Martin Schöffel und Hans-Peter Friedrich (von links).
Melanie Huml, Emmi Zeulner, Markus Söder, Martin Schöffel und Hans-Peter Friedrich (von links). (Foto: Max Weinhold)

Jetzt, nach Friedrichs Amtszeit, war Schöffel der naheliegende Nachfolger. Und er war – auch wenn dieser das öffentlich nicht kundgetan hat – der Favorit von CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder. Schöffel ist als Staatssekretär einziges oberfränkisches Mitglied der Staatsregierung – und mithin einer, den Söder schon einmal mit einem relevanten Amt betraut hat.

Was auf Zeulner nicht zutrifft, obgleich sie sich dafür – siehe die eingangs erwähnten Wahlergebnisse – qua Wählerzuspruchs eigentlich qualifiziert hatte. Zumal ja in der CSU das Credo gelten soll: Leistung lohnt sich. Dass Zeulner kaum erbaut gewesen sein wird, als sie nach der diesjährigen Bundestagswahl abermals eine Sonderbehandlung erfuhr und von der Parteispitze mit der Stelle der Pflegebeauftragten vertröstet werden sollte, kann man sich denken. Den Posten lehnte sie ab – sie könne nicht vor der Wahl fordern, die Zahl der Beauftragten zu reduzieren und hernach als eine eben solche auftreten, führte sie zur Erklärung an. Aus der CSU war zu hören, dass Zeulner angedeutet wurde, sie drohe – sollte sie das tatsächlich so durchziehen wollen – innerhalb der Partei-Hierarchie „durchgereicht“ zu werden. Sie zog es durch.

Ihre Kampfkandidatur in Naila, ein für CSU-Gepflogenheiten eher ungewöhnlicher Vorgang, konnte man deshalb auch so verstehen: Zeulner lässt sich nicht alles gefallen. Sie sorgte damit in der Partei, so war zu hören, für Anspannung, andere sprachen von Nervosität. Denn die Bezirkschefs gelten in der CSU als einflussreich, weshalb die Parteispitze die Posten gerne mit Vertrauten besetzt sieht – und anders als Schöffel gehört Zeulner nicht zum engeren Umfeld des Ministerpräsidenten.

„Ein Angebot“ sei ihre Kandidatur, sagt die Bewerberin, als sie am Samstagmittag in der Turnhalle eintrifft. Wie ihre Chancen stünden? „Außenseiterin“ sei sie. Eine Einschätzung, die die Mehrheit der Anwesenden wohl, und ein Schicksal, das sie dann sogar für ein paar Minuten mit Schöffel teilt – dem Favoriten. Ehrengast Söder ist in der Turnhalle angekommen, ihm gilt die Aufmerksamkeit, beide Kandidaten stehen nach kurzer Begrüßung etwas verloren zwischen den Tischreihen. Der Parteichef arbeitet derweil die Selfie-Schlange ab, hier ein Spruch, da ein Klaps auf eine oberfränkische Schulter im weißen Kurzarmhemd. Mit den Sprüchen geht es dann weiter in seiner 40-minütigen Rede, einer bundes- und weltpolitischen mit oberfränkischem Einschlag, einer Würdigung des scheidenden Bezirkschefs Friedrich und einem kurzen Exkurs zur Wahl von dessen Nachfolger.

Es sei legitim, dass es zwei Kandidaturen gebe, unterschiedliche Meinungen seien „mehr als zulässig“, sagt Söder: „So ist Demokratie.“ Eine Präferenz lässt er nicht erkennen, beide Kandidaten seien „hervorragend“, findet er. Er habe sich von Anfang an rausgehalten, „es geht um eure Meinung“, ruft Söder in die Halle.

Eben diese versuchen beide Kandidaten mit ihren Bewerbungsreden im letzten Moment zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Es sei wie im Bundestag, sagt die Abgeordnete Zeulner im Angesicht der Turnhalle zwischen Anzeigetafel und Basketballkorb, „nur noch ein bisschen schöner“. Ihre Rede klingt dann auch wie eine aus dem Bundestag, sie spricht eher ruhig, dosiert ihre Emotionen für die Momente, in denen ihr Manuskript sie vorsieht.

Martin Schöffel nimmt die Wahl zum Bezirkschef an.
Martin Schöffel nimmt die Wahl zum Bezirkschef an. (Foto: Max Weinhold)

Schöffel, der als zweites an der Reihe ist, spricht freier, schneller, bierzeltiger, zieht über „blaue und rote Spinner“ her, die nicht die Macht übernehmen sollten, duzt die Delegierten: „Ihr wisst doch alle, wie das läuft, deswegen muss ich das nicht groß erklären“, sagt er einmal und erklärt es dann doch: Als Staatssekretär könne er Geld für die Region besorgen. „Wenn wir es klug anstellen, können wir davon profitieren.“

Inhaltlich unterscheiden sich die Ziele der beiden wenig, sie wollen Oberfranken stärken, mit den Mitgliedern Inhalte erarbeiten, mehr als zuletzt, Schöffel in „Workshops“, Zeulner in „Regionalkonferenzen“. Die examinierte Krankenpflegerin rekurriert auf die Bedeutung der Glaubwürdigkeit in der Politik und präsentiert sich als Kümmerin. „Wir sind uns für keine Arbeit zu schade“, sagt sie. Und Zeulner will die CSU verjüngen, sie in sozialen Medien besser zeigen. Sie wünsche sich „eine modernere Aufstellung der Partei“.

Die Delegierten wollen das in der Mehrheit nicht, bei ihnen kommt der Staatssekretär besser an, 73 von 132 votieren für Schöffel. Das „Erdbeben“, von dem mancher im Vorhinein gesprochen hatte, bleibt aus. Die Oberfranken-CSU rebelliert nicht. Und jetzt ist es Schöffel, bei dem die Delegierten Schlange stehen, Hände schütteln, Fotos wollen. Markus Söder ist zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem Weg zu einem Termin nach München. Er wird das Ergebnis zur Kenntnis genommen haben.

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