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Nur Scholz kannte die Wahrheit: „Unseriös“: Beamtenbund rügt Jauch-Frage im Quadrell | ABC-Z


Nur Scholz kannte die Wahrheit

„Unseriös“: Beamtenbund rügt Jauch-Frage im Quadrell

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Vier von fünf Beamten arbeiten nicht bis zum Renteneintrittsalter. Damit überrascht Günther Jauch auch drei von vier Kanzlerkandidaten im „Wer wird Millionär“-Spiel. Der Beamtenbund dagegen sieht keine großen Abweichungen zu Angestellten – und warnt vor „irreführenden“ Zahlen und „Neiddebatte“.

Da grinste Olaf Scholz, der schon als Schüler besonders strebsam war: Die „Wer wird Millionär“-Frage von Günther Jauch im Kanzlerkandidaten-Quadrell bei RTL und ntv beantwortete der Bundeskanzler als einziger richtig. Wie hoch der Anteil an Beamten ist, die erst mit dem Regelrenteneintrittsalter in Pension gehen, wollte Jauch im Stil seiner Quizsendung wissen. 80, 60, 40 oder 20 Prozent? Robert Habeck tippte auf 60 Prozent, auf jeweils 40 Prozent setzten Friedrich Merz und Alice Weidel. Anders als seine Herausforderer von Grünen, CDU und AfD nannte Scholz die richtige Antwort. „Sie wären damit eine Runde weiter“, ließ Jauch den Kanzler wissen.

Doch mit ihren Fehleinschätzungen dürften Scholz‘ Mitbewerber nicht allein sein. Die Zahl überrascht auf den ersten Blick, also nachgefragt beim Beamtenbund (DBB), dem größten Interessenverband der Staatsbediensteten. „Im Jahr 2023 erreichten laut des Statistischen Bundesamtes ’nur‘ 20 Prozent der neupensionierten Beamtinnen und Beamten die gesetzliche Regelaltersgrenze. Isoliert betrachtet ist diese Zahl irreführend“, teilt ein Sprecher ntv.de mit. „Auf Grundlage der genannten ’20 Prozent‘ eine weitere Neiddebatte auf Kosten der Beamtinnen und Beamten zu führen, ist unseriös.“

Sonderregelungen und Abschläge

So gebe es etwa für Beamtinnen und Beamte im Justizvollzug, bei der Polizei oder der Feuerwehr besondere Altersgrenzen. Tatsächlich können etwa Polizeivollzugsbeamte des Bundes fünf Jahre früher in Pension gehen – künftig mit 62 statt 67 Jahren. Der Beamtenbund verteidigt solche Regelungen als richtig, „weil diese Berufe psychisch und physisch extrem anspruchsvoll beziehungsweise belastend sind“.

Wer aber vor dem regulären Rentenalter aufhört, „muss dafür in der Regel Abschläge bei der Pension beziehungsweise Rente“ hinnehmen, erinnert der DBB – ganz genauso wie jeder nicht verbeamtete Angestellte. Aber ebenso wie in der Privatwirtschaft gilt: Je besser die Rente oder Pension und je mehr die Menschen schon während ihres Arbeitslebens verdient haben, desto eher können sie sich Abschläge bei Rente und Pension leisten.

Dass viele Beamtinnen und Beamte in diese Kategorie fallen, zeigt folgende Zahl: 2023 erhielten Pensionäre ein durchschnittliches Ruhegehalt von 3240 Euro brutto im Monat. Anders bei den gesetzlich Rentenversicherten: „Die durchschnittliche Altersrente von Männern mit mindestens 35 Versicherungsjahren lag 2023 bei rund 1800 Euro. Frauen konnten im Schnitt mit 1333 Euro rechnen“, informiert die Deutsche Rentenversicherung. Die Beamten haben wiederum auch eine im Schnitt bessere Ausbildung und einen höheren Akademikeranteil als die übrige arbeitende Bevölkerung.

Lehrer gehen im Schnitt früher aus dem Dienst

Zugleich entfällt rund ein Drittel aller Pensionszahlungen auf Lehrerinnen und Lehrer in den Bundesländern. Die verdienen gut und haben bei vergleichbarem Einkommen eine höhere Pension als Beschäftigte in der Privatwirtschaft Rente beziehen. Im Schuljahr 2022/2023 gingen etwa im Land Bayern nach einem Bericht des BR 82 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer vorzeitig in Pension – ganz ohne Sonderregelung, wie es sie etwa im Justizvollzug gibt. In Nordrhein-Westfalen gingen 2021 Lehrer und Lehrerinnen im Schnitt mit 63,3 Jahren in Pension.

Bundesweit waren im selben Jahr Angestellte mit durchschnittlich 64,1 Jahren in Rente gegangen. Das ist zumindest keine besonders eklatante Abweichung mit Blick auf das bessere Durchschnittsgehalt bei zugleich physisch und psychisch hoher Arbeitsbelastung für Lehrerinnen und Lehrer. Aktuelle Zahlen zum bundesweiten durchschnittlichen Pensionsalter von Lehrkräften liegen nicht vor, zumal es auch im Vergleich zu früheren Jahren mehr nicht-verbeamtete Lehrer gibt.

Dass auch Angestellte oft nicht das Renteneintrittsalter erreichen, darauf weist auch der Beamtenbund hin: „Das durchschnittliche Renteneintrittsalter liegt übrigens laut der Deutschen Rentenversicherung bei 64,4 – also ebenfalls deutlich unter der gesetzlichen Regelaltersgrenze“, so der DBB-Sprecher. Während das reguläre Rentenalter weiter schrittweise auf 67 Jahre steigt, steigt öfter früher aus, wer es sich leisten kann – verbeamtet oder nicht.

Andererseits wird auch das durchschnittliche Renteneintrittsalter der Nicht-Verbeamteten dadurch gesenkt, dass besonders langjährig Rentenversicherte nach 45 Berufsjahren in Rente gehen können: zwei Jahre früher ohne Abschläge. Das Alter variiert dabei je nach Jahrgang zwischen 63 und 65 Jahren. Das durchschnittliche Renteneintrittsalter bei Nicht-Verbeamteten erscheint dadurch niedriger, obwohl viele Menschen mit besonders langen Arbeitsbiografien darunter sind. Unter den Beamten ist dagegen der Akademikeranteil größer und damit die durchschnittliche Lebensarbeitszeit kürzer als in der Restbevölkerung.

Auch der Wert von 20 Prozent Beamten, die erst mit dem Rentenalter aufhören zu arbeiten, kontrastiert mit den Zahlen der übrigen Arbeitnehmer: 58 Prozent der Frauen und 63 Prozent der Männer gingen 2023 in Rente, nachdem sie entweder die Regelaltersrente oder die 45 Versichertenjahre erreicht hatten – darunter viele Menschen, die körperlich fordernden Berufen nachgegangen sind.

Steigende Kosten für Pensionen

Für die Politik eine doppelte Herausforderung, weil die Arbeitskräfte wegen des demografischen Wandels fehlen. Mehrere Bundesländer unterhalten deshalb Bonusprogramme, um etwa pensionierte Lehrer zurück in den Schuldienst zu holen. Union, Grüne und SPD wollen auch für Angestellte die freiwillige Arbeit über das Rentenalter hinaus steuerlich attraktiver machen.

Und während Rentner und Pensionäre dem Arbeitsmarkt fehlen, steigen die Belastungen: 53,4 Milliarden Euro wurden 2022 an Pensionärinnen und Pensionäre ausgezahlt. Das ist eine Milliarde Euro mehr als im Vorjahr, weil – wie in der Privatwirtschaft – die Zahl der Alten im Land steigt. Die Belastungen des Bundes gehen tendenziell nach unten, weil die früheren Post- und Bahnbeamten weniger werden. Bei Ländern und Kommunen wächst der Posten Pensionszahlungen dagegen weiter an.

Politisch wird seit vielen Jahren diskutiert, ob die Sonderregelungen für Beamtinnen und Beamte aufgehoben werden sollten und diese künftig verpflichtend in die Gesundheits-, Renten- und Pflegekassen einzahlen sollten. Union und FDP lehnen das ab. Grüne, SPD, Linke und BSW sind in verschiedenen Modellen ganz oder teilweise dafür.

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