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Norwegen: FIS ermittelt gegen Skispringer wegen der Manipulation von Anzügen – Sport | ABC-Z

Die norwegischen Skispringer befanden sich bei der Abreise vom Mattenspringen aus Frankreich, als ihnen am Montag die Nachricht des Weltverbandes Fis zuging. Mit dem Zeitpunkt war zu rechnen, der internationale Ski- und Snowboardverband hatte sein Statement im Betrugsskandal der WM angekündigt. Überraschend kam für das norwegische Team offenbar die Schärfe der Entscheidung: Gegen drei Trainer und zwei Athleten – Weltmeister Marius Lindvik und Johann André Forfang – hat die Fis Anklage erhoben wegen Verstößen gegen den Ethik-Code sowie die Fis-Regeln zum Schutz gegen Wettkampfmanipulation. Gleichzeitig wurde der Fall der unabhängigen Ethikkommission des Weltverbandes übergeben, die nun über die Anklage entscheidet. Das Strafmaß reicht von Sperre, Geldstrafe bis zur nachträglichen Disqualifikation und Streichung von Resultaten.

Lindvik, 27, hatte im März bei den Nordischen Skiweltmeisterschaften in Trondheim den Wettbewerb von der Normalschanze vor dem DSV-Olympiasieger Andreas Wellinger gewonnen, ehe am vorletzten Wettkampftag auf der Großschanze die illegalen Materialmanipulationen an den Anzügen aufflogen. Noch vor wenigen Tagen hat Norwegens bester Springer seiner Hoffnung auf Milde Ausdruck gegeben: Die vergangenen Monate seien belastend gewesen („Ich finde, wir sind schon bestraft genug“). Dass es noch zu einer Aberkennung seines WM-Titels kommt, ist jedoch nach wie vor nicht ausgeschlossen.

Den vorsätzlichen Betrug hatte Norwegens Verbands schon bei der WM am 9. März eingeräumt. Sportdirektor Jan Erik Aalbu sprach damals auf einer Pressekonferenz lediglich von einer „Dummheit“ seines Personals. Die Fis kommt nun anscheinend zu einem dezidiert anderen Ergebnis bei der Bewertung der kreativen Machenschaften in der norwegischen Nähstube.

In Trondheim kursierte vor dem letzten WM-Springen ein anonymes Video unter den Sprungnationen: Gefilmt wurde, vermutlich durch ein Hotelfenster, wie Material im Saum eines bereits mit Prüfchip versehenen Sprunganzugs mit der Nähmaschine verarbeitet wird, in Anwesenheit von Cheftrainer Magnus Brevig. Nach dem Wettkampf griffen die Fis-Kontrolleure zur Schere und schnitten die Anzüge auf. Drei norwegische Weltklassespringer wurden umgehend disqualifiziert, darunter der zweitplatzierte Lindvik sowie Forfang, bis dahin Fünfter. Die Indizien ergaben, dass ein steifes Band im Anzug versäumt wurde, vom Knie bis zum Schritt. Durch diesen illegalen Trick vergrößert sich die Flugfläche.

Derzeit ist kein norwegischer Skispringer provisorisch gesperrt

Der Betrug beschädigte die Integrität des Wettkampfs, durch den „Hoppskandalen“ wurde die Glaubwürdigkeit der Ergebnislisten der WM-Gastgeber infrage gestellt: Denn Norwegen hatte sich 13 Goldmedaillen in Trondheim vor eigenem Publikum gesichert – sieben davon in den Sprungwettbewerben der Männer und Frauen inklusive Nordischer Kombination; die restlichen sechs Titel gingen sämtlich auf das Konto eines Mannes ohne Sprunganzug: des Langläufers Johannes Hoesflot Klaebo.

Cheftrainer Magnus Brevig wurde nach der WM entlassen. Gegen ihn und seine beiden Assistenten Adrian Livelten und Thomas Lobben hat die Fis nach Abschluss der Untersuchung der unabhängigen Ethik- und Compliance-Abteilung des Verbands (IECO), die 38 Zeugen anhörte und 88 Beweisstücke sichtete, nun Anklagepunkte vorgebracht. Außer Lindvik und Forfang wird kein anderer norwegischer Athlet belangt, wie die Abteilung IECO gemeinsam mit hauseigenen Ethikern und dem Fis-Council befand. Damit ist endgültig auch eine im März erhobene Forderung einiger Nationalverbände vom Tisch, sämtliche WM-Ergebnisse der norwegischen Skispringer zu annullieren. Die Fis-Ermittler waren in ihrer fünfmonatigen Untersuchung übrigens unter anderem den Fragen nachgegangen, ob Lindvik und Forfang einen vorsätzlichen oder bewussten Regelbruch begingen, und ob sich die „Verschwörung“ im Team, wie es heißt, auf weitere Athleten oder Mitarbeiter des norwegischen Verbands NSA erstreckte.

Festzuhalten bleibt, dass momentan niemand provisorisch gesperrt ist. Das teilte die Fis am Montag auf Anfrage mit. Der norwegische Fernsehsender TV2 will erfahren haben, dass die Fis angeblich eine 18-monatige Sperre für die ehemaligen Betreuer Brevig, Livelten und Lobben beantragt, auch sollen sie angeblich die Prozesskosten in Höhe von 5000 Schweizer Franken tragen müssen. Dazu jedoch machte die Fis keinerlei Angaben. Der Inhalt der jeweiligen Anklagepunkte ist den beteiligten Parteien vertraulich zugestellt worden, schreibt die Fis. Der Verband werde sich dazu nicht äußern.

Das letzte Wort hat nun die unabhängige, international besetzte Ethikkommission unter Vorsitz des britischen Anwalts Michael Beloff, der drei Beisitzer benennt. Verantwortlich für das Prozedere ist ein in London ansässiges, unabhängiges Schiedsgericht namens Sport Resolutions. Wann das Urteil zu erwarten ist, gab der Weltverband nicht bekannt. Lindvik, der am Wochenende in Courchevel in den französischen Alpen den ersten Sommer-Grand-Prix gewonnen hat, und Forfang werden somit vorerst weiter einen langen Anlauf von den Schanzen nehmen können. Brevig wurde mittlerweile als Cheftrainer abgelöst: von einem weiteren Norweger, Rune Velta, der zwei Jahre lang die Schweizer Skispringer betreute.

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