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Norwegen bei Handball-WM fast schon raus – Kritik an Spielmacher Sagosen – Sport | ABC-Z

Haakon Magnus von Norwegen wurde dazu erzogen, auch in komplizierten Momenten royale Haltung zu wahren. Also stand der norwegische Thronfolger in der Unity Arena zu Oslo inmitten der ungewöhnlich leisen 11 345 Zuschauer und grinste in die Kameras, als er seinen Landsmann Simen Ulstad Lyse zum „Player of the Match“ ehrte. Dem Ausgezeichneten mit dem markanten Schnauzer und der Vokuhila-Frisur freilich wollte kein Lächeln über die Lippen huschen, auch jenes von Kronprinzessin Mette-Marit, die neben ihrem Mann stand, wirkte reichlich gequält.

Zwar konnten sich die Norweger über den besten Akteur dieser Partie gegen Portugal freuen, der linke Rückraumspieler warf neun Tore. Was allerdings nicht genügte, um die Schmach für den Co-Gastgeber dieser Handball-Weltmeisterschaft in Norwegen, Dänemark und Kroatien abzuwenden. Nach der 26:29-Pleite gegen Brasilien zum WM-Auftakt bedeutete die 28:31-Niederlage gegen Portugal den dritten Platz in der Gruppe E, die den Einzug ins Viertelfinale nahezu ausschließt.

Dem wie immer etwas komplizierten Modus eines Handballturniers zufolge nimmt Norwegen keinen einzigen Punkt mit in die Hauptrunde, Portugal dagegen vier. Nun müssten die Wikinger, die bislang wenig wikingerhaft auftreten, alle Hauptrundenpartien gewinnen und zugleich auf Wohlwollen der nordischen Glücksgöttin Hamingja hoffen.

Entsprechend fällt die Kritik aus, die in einer Mischung aus Enttäuschung, Häme und Wut auf die Norweger einprasselt. Die heimischen Medien sprechen von einem „norwegischen Fiasko“, von „peinlichen“ und „schockierenden“ Auftritten, zumal Trainer Jonas Wille vor der WM von der besten Mannschaft sprach, die er jemals befehligt habe.

Auch Co-Gastgeber Kroatien muss kämpfen, um das Viertelfinale noch zu erreichen

Die Plätze im Viertelfinale dürften in der Hauptrundengruppe 3 eher die hoch gehandelten Portugiesen sowie die traditionell zu den Medaillenanwärtern zählenden Schweden und Spanier (beide drei Punkte) unter sich ausmachen. Spanien und Schweden trennten sich in der Vorrunde in einem dramatischen Match 29:29. Für die Norweger rückt ein Weiterkommen in den Bereich des Wunschdenkens, vielmehr muss man die Nordmänner in einem Atemzug mit Handballzwergen wie Chile oder Kap Verde nennen, die ebenfalls als Vorrundendritte weitergekommen sind.

Im Zentrum der Vorwürfe steht Spielmacher Sander Sagosen. Der 29-Jährige hat seine Landesauswahl fast ein Jahrzehnt lang zu Erfolgen getragen, bei den Weltmeisterschaften 2017 und 2019 war Norwegen Zweiter. Nach seiner titelreichen Zeit beim THW Kiel, mit dem er die Champions League gewann, kehrte Sagosen vor einem Jahr zu seinem Heimatverein Kolstad zurück. Dort sollte er ein Projekt anführen, das den norwegischen Vereinshandball zurück an die europäische Spitze führt, ähnlich wie es die Dänen mit Aalborg praktizierten.

Doch während die in die Heimat zurückgekehrten dänischen Spitzenspieler Aalborg bereits ins Finale der Champions League führten, stockte das Projekt Kolstad nach finanziellen Schwierigkeiten. Sagosen fand, nach einer Knöchelverletzung und mentalen Problemen, nie zu seiner Bestform zurück – auch nicht bei dieser WM. Schon nach dem Aussetzer gegen Brasilien befand der Rückraumspieler, dass man fortan „mit einem Messer am Hals“ spiele. Für ihn und seine Teamkollegen geht es nur noch um einen anständigen Abschied aus dem Turnier, mit guten Leistungen gegen Schweden und Spanien. Eine Aufarbeitung ist längst im Gange, über den Job von Nationalcoach Wille wird offen diskutiert. Der 48-Jährige stellt sich höchstselbst infrage: „Wichtig ist, dass die Spieler und die Mitarbeiter bei mir sind. Wenn ja, dann bin ich hoch motiviert.“

Kann dem kroatischen Team aktuell nicht helfen: Domagoj Duvnjak (links) hat sich eine Muskelverletzung zugezogen. (Foto: Antonio Bronic/Reuters)

Ähnlich erging es Co-Gastgeber Kroatien, der im abschließenden Gruppenspiel gegen Ägypten beim 24:28 chancenlos war. Immerhin können die Kroaten anführen, dass ihnen in Domagoj Duvnjak und Luka Cindric beide Spielmacher verletzt ausfielen; der nachnominierte Routinier Igor Karacic konnte die Lücke bislang nicht füllen. Nun dürfte sich das Erreichen der K.-o.-Runde – mit nur zwei mitgenommenen Punkten in einer Gruppe mit den stabil auftretenden Nordafrikanern sowie Island (beide vier Zähler) – als schwierig erweisen. Die Ägypter profitieren davon, dass viele ihrer Spieler ihr Geld in europäischen Topklubs verdienen. Island, traditionell als Geheimfavorit gehandelt, ist auch ohne den verletzten Toptorschützen Omar Ingi Magnusson auf gutem Weg.

Ansonsten wird der Welthandball bei dieser WM nicht neu erfunden. Neben den Dänen zählen die Franzosen zu den großen Favoriten, zumal in Dika Mem und Elohim Prandi zwei Spieler mit dabei sind, die sich eigentlich bereits verletzt abgemeldet hatten. Doch Wunderheilungen gibt’s auch im Handball, Mem ist sogar bester Torschütze seines Teams. Im finalen Vorrundenspiel gegen Österreich (35:27) traf er gleich sechsmal.

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