Nordkorea und China: Kim Jong-un tritt aus der Isolation | ABC-Z

Als Kim jong-uns Panzerzug Donnerstagnacht abfuhr, sperrte die Pekinger Polizei die Straßen an den Eisenbahnbrücken der Hauptstadt. In chinesischen Medien verbreiteten sich Bilder der Waggons, in denen Nordkoreas Diktator nach einer für ihn erfolgreichen Reise zurück in sein Reich zurückreiste.
Am Vorabend war Kim noch einmal bilateral von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping empfangen worden, in der Großen Halle des Volkes, zum ersten Mal seit sechs Jahren. Fünf Tage war der nordkoreanische Machthaber in Peking, so lange wie noch nie. Die Zeichen stehen auf Partnerschaft.
Kim zuliebe ließ Xi ein eigenes Bankett veranstalten, ein zweisames Teetrinken rundete die Begegnung ab. Es war mehr als nur ein Treffen am Rande der chinesischen Militärparade, zu der mehr als zwanzig Staatschefs gekommen waren. Die in den vergangenen Jahren angeschlagenen bilateralen Beziehungen der beiden kommunistischen Nachbarländer haben sich zumindest optisch stark verbessert.
Bis dahin soll Peking besorgt gewesen sein über die engere militärische Zusammenarbeit Nordkoreas mit Russland, die Pekings Einfluss auf Pjöngjang etwas schmälert und die wechselseitige Aufrüstung auf der koreanischen Halbinsel befördern könnte. Diesen Eindruck erweckt China öffentlich jetzt nicht mehr. Die Militärparade verfolgte Kim unmittelbar an der Seite Xis. Chinas „Volkszeitung“, das Zentralorgan der Kommunistischen Partei, widmete am Freitag ihr zentrales Titelbild dem Handschlag zwischen Xi und Kim.
Keine Rede mehr von Nordkoreas Atomprogramm
Peking und Pjöngjang „sollten ihre strategische Zusammenarbeit in internationalen und regionalen Angelegenheiten verstärken, um gemeinsame Interessen zu wahren“, sagte Xi in der offiziellen Verlautbarung. Weiter hieß es: „Xi Jinping wies darauf hin, dass China und die DVRK (Nordkorea) gute Nachbarn, gute Freunde und gute Genossen sind, die ein gemeinsames Schicksal teilen und einander zur Seite stehen.“
Von Nordkoreas Atomprogramm oder einer Denuklearisierung Nordkoreas ist in den chinesischen Verlautbarungen keine Rede mehr. 2017 hatte Peking entsprechende UN-Sanktionen formal noch mitgetragen. Vergangene Zeiten. Nordkoreas Nachrichtenorgan KCNA verlautbarte, Pjöngjang werde Chinas Interessen „ausnahmslos“ unterstützen, „unabhängig davon, wie sich die internationale Lage entwickelt“.
Faktisch signalisiere China jetzt gemeinsam mit Russland eine Zustimmung zum nordkoreanischen Atomprogramm, sagt Doo Jin-hoo vom südkoreanischen Institut für nationale Strategie. Das habe sich darin gezeigt, wie Kim von Xi und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nun in Peking behandelt wurde. „China hatte zuvor darauf bestanden, dass es einen neuen Kalten Krieg ablehne, aber diese Haltung ist nun verfallen“, wird Doo in der „Korea Times“ zitiert. Die Zeichen stehen auf Konfrontation mit Amerika und dem Westen.
Bis dahin war 1959 das letzte Mal, dass nordkoreanische, chinesische und russische Machthaber Seite an Seite standen. Damals schauten sich Kims Großvater Kim Il-sung, Nikita Chruschtschow und Mao Tse-tung die Militärparade zum damals zehnjährigen Jubiläum der Volksrepublik China an. Seit jener Zeit unterhält China einen Beistandspakt mit Nordkorea. Es ist bis heute der einzige, den Peking formal unterhält.
China braucht das benachbarte Nordkorea als Pufferstaat auf der koreanischen Halbinsel, wo im Süden amerikanische Truppen stationiert sind. Für Nordkorea wiederum ist China bis heute die zentrale Lebensader, was Treibstoffe, Lebensmittel oder Dünger angeht. Gleichwohl haben die Machthaber in Pjöngjang stets versucht, sich vom chinesischen Einfluss zu lösen und etwa die Sowjetunion, mittlerweile Russland, gegen Peking auszuspielen.
Kein trialaterales Treffen, aber viele Dialoge
Am Mittwoch hatte Kim in Peking zweieinhalb Stunden auch mit Putin gesprochen. Dabei soll es um „langfristige“ Pläne der Zusammenarbeit gegangen sein. Putin habe dabei die Tapferkeit der nordkoreanischen Soldaten an der Seite seiner Truppen im Krieg gegen die Ukraine gelobt. Kim wiederum könnte mit seiner Annäherung an China auch für den Fall eines Kriegsendes in der Ukraine vorbeugen, sollte sein Land dann von Putin nicht mehr gebraucht werden.
Zu einem formalen trilateralen Treffen der Atommächte zwischen Xi, Putin und Kim kam es nicht. Doch war Kim nie zuvor bei einer Zusammenkunft internationaler Staatschefs gewesen, die sein Bild als isolierter Herrscher beenden könnte. In Peking schüttelte Kim auch die Hand des höchsten südkoreanischen Vertreters, dem Parlamentspräsidenten Woo Won-shik, wie dieser bekanntgab. „Es ist lange her, sieben Jahre, nett sie kennenzulernen“, habe er dem nordkoreanischen Diktator gesagt. „Ja, nett sie kennenzulernen“, habe ihm Kim leise geantwortet.
Fachleute weisen darauf hin, dass Kim sich in Peking auch für mögliche Verhandlungen mit den USA und Südkorea rückversichern wollte, ähnlich wie bei Kims vergangenen Chinareisen 2018 und 2019, kurz vor den später gescheiterten Gesprächen mit US-Präsident Donald Trump. Seit dem Kalten Krieg besteht zwischen Nordkorea und China die Tradition, sich gegenseitig im Voraus über wichtige Angelegenheiten zu informieren.
Nordkorea könnte wieder in einen Dialog mit Trump treten. Der Amerikaner hat in den vergangenen Wochen mehrfach betont, er wolle sich wieder mit Kim treffen. Nach dem großen Empfang in Peking kann Kim mit zwei mächtigen Partnern im Rücken auftreten. Dass er vor seiner Abfahrt nach Peking einen nordkoreanischen Stützpunkt einer atomwaffenfähigen Interkontinentalrakete besuchte, stärkt diese Machtposition weiter.
Die martialischen Zeichen milderte Kim in Peking mit den Bildern seiner wohl zwölf oder 13 Jahre alten Tochter ab. Im Hosenanzug stieg sie hinter Kim aus dem Panzerzug. Sie blieb den Gipfeltreffen zwar fern. Doch könnte der 41 Jahre alte Diktator seine in den Staatsmedien nur als „geliebtes Kind“ vorgestellte Tochter auf eine Führungsrolle und so auf seine Nachfolge vorbereiten.